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Bericht der deutschen Sprachgruppe bei der Synode Bei den Beratungen dafür
ging es um das Thema Interpretation der Lebenssituationen der
Jugendlichen und ihrer Erfahrungen mit Glaube und Kirche. In nächsten Schritt sollen
Lösungsvorschläge erarbeitet werden. 1. Das Ja zu
dieser Welt – aber mit Unterscheidung
Wir bekräftigen zunächst ein grundsätzliches Ja zur vorfindlichen, säkularer werdenden Welt - und zu allem, was diese Welt auch an Gutem und Herausforderndem für uns bereithält. Freilich schauen wir auf diese Welt auch mit einer differenzierenden Unterscheidung. Denn in ihr nehmen wir Phänomene wahr, die die Welt zwar im guten Sinn pluraler werden lassen, aber auch solche, die viele junge Menschen auch unsicherer machen oder Entfremdungserfahrungen verstärken - zum Beispiel im Blick auf die Findung der eigenen Identität. Daher sind wir der Meinung, dass es auch einen „unterscheidenden“, vertiefenden Blick benötigt auf die Phänomene, die die Jugendlichen am häufigsten nennen: etwa die Freiheit, die Gerechtigkeit, die Sexualität und Partnerschaft, die Rolle der Frau, die Digitalisierung, der Wunsch nach authentischen Begleitern. Und wir fragen, was wir als Kirche heute lernen, wenn diese Fragen so drängend auf uns kommen? 2. Wir haben
einen einzigartigen Glauben
Wir meinen, dass wir dann in einem zweiten Schritt das Unerhörte, aber Zentrale des christlichen Glaubens erneut bekräftigen sollten: Dass wir einem Gott begegnen dürfen, der in Jesus ein Gesicht und einen Namen hat; einen Gott, der sich uns und unserem Leben konkret zuwendet, der uns kennt und liebt und uns in die Freiheit führen will. Wir wollen dann deutlich machen, dass unser Glaube vor allem darin besteht, eine freie Antwort auf diese Zuwendung Gottes zu geben – und dass uns diese Antwort wiederum in die größere Freiheit und in die Fülle des Lebens führt. In der Art und Weise, wie wir diese Antwort auf Gottes immer bestehenden Anruf an uns geben, entfaltet sich die Berufung jedes Menschen auf je einzigartige Weise, freilich auch durch Höhen und Tiefen, durch Krisen und Gelingen hindurch. 3. Wir sind
zuerst Hörende und nicht schon die Wissenden
Wir wollen weiterhin festhalten, dass es für jede Berufungserkenntnis und für jede Berufungsbegleitung darum geht, die Sehnsüchte, Pläne, Hoffnungen und Leidenschaften junger Menschen, aber auch ihre Unruhe, Ängste und Unsicherheiten immer wieder neu zu hören und verstehen zu lernen. Wir wollen als die Älteren der Versuchung widerstehen, dass wir schon alles wüssten darüber, wie das Leben der jungen Menschen sich entfalten soll und wie ihr gelingendes Leben auszusehen habe. Vielmehr wollen wir mit ihnen zusammen je neu Wahrnehmende, Hinschauende werden. Wir wollen miteinander sehen lernen, wo und wie sich im je einzelnen jungen Leben Spuren der Gegenwart Gottes zeigen können. 4. Wir lernen mit
den Jugendlichen die Weise sie zu begleiten
Wir wollen ihren Herzschlag lernen und darin Mithörende sein für den leisen Impuls Gottes für ihr Leben; wir wollen unsere Deutungskompetenz je neu mit ihnen zusammen und auch von ihnen lernen, weil jeder als unersetzbar Einzelner, nicht Wiederholbarer von Gott gerufen wird. Wir wollen aber auch Begleiter sein, die schon aus eigener, längerer Lebenserfahrung unterscheiden helfen lernen, die auch in der Rückschau schon ein wenig mehr gelernt haben, wie sich die Kontexte, Erfahrungen, Entscheidungen und vermeintliche Zufälle in einem Leben ineinander fügen zur Gestalt eines einzigartigen Lebensweges. Wir wollen im Hören auf Gottes Geist, auf die jungen Menschen und im Hören auf unseren eigenen Herzschlag Hermeneuten (=Deutern) und Mäjeuten (= Geburtshelfer) des göttlichen Lebens für sie und mit ihnen sein. Wir wollen mit ihnen und von ihnen unterscheiden lernen, wo die guten Kräfte am Werk sind und wo die, die Angst machen oder die, die einschließen und destruktiv sind. 5. Gottes Geist
ist verheißend und macht keine Angst
Wir glauben, dass Gott immer in die größere Freiheit, in die größere Freude und Liebe führen will – und dass sein Geist wohl manchmal beunruhigen kann, aber nie einfach Angst macht oder in die Ausweglosigkeit führt, sondern immer neu verheißend ist und den nächsten Schritt zeigt in ein größeres Leben. Wir glauben, dass Gott aus unvordenklicher Liebe für jeden von uns groß denkt. Wir glauben, dass er wie ein liebevoller Künstler an der Gestalt jedes Herzens so arbeitet, dass er selbst darin immer mehr Wohnung nehmen kann, auf dass jeder Mensch zu einem unverwechselbaren, unvertauschbaren und unersetzbaren Original seiner schenkenden Liebe heranreifen kann. Damit der Berufene dann seinerseits immer besser daran mitwirken kann, sein Zeuge zu sein und so immer neu am Aufbau einer besseren Welt und einer authentischeren Kirche mitwirken kann. 6. Die Berufung
und ihre innere Unterscheidung
a. Unser Gespräch über die Frage nach der Berufung ergibt Folgendes – und wir würden auch vorschlagen, das gesamte Kapitel in dieser Hinsicht zu ordnen. Jeder Mensch ist als einzigartiges, unvertauschbares und nicht wiederholbares Geschöpf Gottes ins Leben gerufen. Das Gespür für diese Einzigartigkeit führt auch viele Nichtgläubige zur Erfahrung, dass sie auch auf einen Lebensweg gerufen sind, den nur sie selbst unvertretbar gehen können. Auch Menschen ohne Gottesglauben sprechen dann nicht selten von ihrem Leben und ihrem Beruf als Berufungsweg im Sinne einer Antwort, die sie auf die Herausforderungen ihres Lebens geben und die sie nicht selten in großer Hingabe an Menschen oder an eine bestimmte Aufgabe vollziehen. b. Einig ist sich die Gruppe darin, dass die Sakramente der Initiation als Zugehörigkeit zu Christus tiefer und ausdrücklicher in die Berufung zum Christsein und zum Volk Gottes führt. Gott hat in Christus ein menschliches Antlitz bekommen und durch Tod und Auferstehung eine neue Dimension von Leben, von Sinn und vom Reich Gottes eröffnet. Viele Christen erfahren sich daher in die Nachfolge Christi oder in dieses neue Leben berufen. Sie lassen sich von Ihm im Glauben inspirieren, sie versuchen ihr Leben an seinem auszurichten – und sie tun dies in den verschiedenen Lebensformen: als Eheleute, als Single und in unterschiedlichen Berufen und Lebensweisen in Welt und Gesellschaft und bei einigen auch in einem spezifischen Dienst in der Kirche. c. In einem engeren Sinn erfahren einige Menschen den Anruf Christi als Hineingezogensein in seine Lebensform, die sich in der Ehelosigkeit und den anderen evangelischen Räten ausdrückt. Sie spüren, dass sie von Christus persönlich bewegt und im biblischen Sinne erwählt werden, alles auf eine Karte zu setzen und sich Ihm als Person ganz zur Verfügung zu stellen zum Dienst am Volk Gottes. Aus dieser Verfügbarkeit und Entschiedenheit erwächst dann die konkrete Gestalt eines geweihten Lebens oder des priesterlichen Dienstes im Geist der evangelischen Räte. 7. Berufung ist
ein analoger Begriff
In diesem Sinne verstehen wir Berufung als „analogen Begriff“. Wichtig ist uns auch die Einsicht, dass „Berufung“ nicht ein einmaliges und dann abgeschlossenes Ereignis ist, sondern sich durch einen ganzen Lebensweg hindurch entfaltet, nicht wie ein genau fixierter Plan Gottes, sondern wie ein Weg in die je größere Freiheit und Hingabe – freilich auch durch Höhen und Tiefen hindurch. Wir glauben auch, dass der Sinn für die Berufung in einem Menschen wachsen und sich vertiefen kann durch das je konkrete Sich-einlassen auf die Wirklichkeit, durch die Übernahme von Verantwortung, durch die Begegnung mit den Mitmenschen, durch die konkrete Begegnung mit Christus, im Gebet, in seinem Wort, in den Sakramenten und in der Gemeinschaftserfahrung der Kirche. 8. Das Fehlen der
Erfahrung: Ich bin bedingungslos geliebt
Freilich spüren wir, dass die konkrete Erfahrung der Menschen, wirklich unbedingt und zuerst geliebt zu sein von Christus oft nicht sehr verbreitet oder nicht besonders tief in den Herzen der Menschen angekommen ist. Allzu häufig glauben wir, dass wir zuerst Leistung in welcher Form auch immer bringen müssten, damit Gott uns sieht und annimmt. Eine der wichtigsten und grundlegendsten Aufgaben von allen Gliedern der Kirche ist es daher, jungen Menschen zu zeigen, dass sie einfach deshalb geliebt sind, weil es sie gibt, weil sie da sind und weil sie sie selbst sind – und nicht, weil sie schon brav oder angepasst oder leistungsfähig sind oder sich durch bestimmte Eigenschaften auszeichnen oder einem Gruppendruck folgen. Das tiefe Bewusstsein für eine christliche Berufung kann im Grunde nicht erwachen, wenn solche Erfahrungen des unbedingten Geliebt-seins fehlen. 9. Begleitung
analog und die Gefahr des geistlichen Missbrauchs
Wir verstehen ebenso „Begleitung“ als analogen Begriff: Weit verstanden meint er die Verantwortung aller Menschen füreinander, besonders als Gemeinschaft der Kirche. Junge Menschen werden durch viele Menschen begleitet, insbesondere auch in der Familie, durch ihre eigenen Freunde oder durch ältere Jugendliche; weiterhin durch alle erfahreneren Menschen, die ihnen wohlgesonnen sind, etwa in Schule, Ausbildung, in Sportvereinen oder anderen Gemeinschaftsformen. Im engeren Sinn ist Begleitung dann die spezifische Lebensbegleitung mit dem Ziel, Gottes Wirken im Leben eines jungen Menschen zu erkennen oder sie bei anstehenden Entscheidungen zu unterstützen. Wir legen Wert darauf, dass psychologische oder psychotherapeutische Hilfen dabei sehr hilfreich sein können, dass sie aber unterschieden sind von geistlicher Begleitung und dass sie zudem fachliche Professionalität brauchen. Freilich ist auch ein gesunder Menschenverstand unerlässlich. Besonders wichtig ist es für uns, auch auf die Gefahr des Missbrauchs in der Begleitung hinzuweisen: dem Missbrauch der Macht, dem Missbrauch des Vertrauens, dem Missbrauch, der in der Schaffung eines unfreien Abhängigkeitsverhältnisses besteht oder in sexueller Gewalt. Unsere deutliche Empfehlung ist daher, dass der Begleiter sich selbst einer Begleitung unterzieht und eine Form der Supervision wählt.
Synode: Für eine offene statt verurteilende Kirche:
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Mein Kommentar zu Punkt 8: Das Fehlen der Erfahrung: Ich bin bedingungslos
geliebt Das
Fehlen der Erfahrung des bedingungslosen Geliebtseins
ist für sehr viele Jugendliche ihre normale Lebenssituation. Dies ist vor
allem auch durch ein stark von kapitalistischen Tendenzen geprägtes Wirtschaftssystem
verursacht, das sich immer mächtiger rund um den Erdball ausbreitet und den
Menschen das Bewusstsein vermittelt, nur so viel wert zu sein, was man
leisten kann oder wie sehr man sich gegen andere behaupten und durchsetzen
kann. Auch viele Eltern sind von diesen Wertvorstellungen geprägt und sind
dann oft nicht in der Lage ihren Kindern das Wichtigste zu vermitteln,
nämlich bedingungslos geliebt zu sein. Dies
ist einer der wesentlichen Aspekte der Unerlöstheit
der Menschen und der Welt. (Vgl. das Erlösungsverständnis in der Enzyklika Redemptor Hominis >>>) Gerade
das wäre eine fundamentale Berufung von Eltern: Sich in besonderer Weise als
Mittler Gottes zu sehen, in dem sie Kindern das Leben schenken und ihnen die
von Gott her kommende Gnade des bedingungslosen Geliebtseins
vermitteln. Wie
kann die Kirche mit diesem Aspekt der Unerlöstheit
der Welt umgehen? Am
wenigsten hilft die Verkündigung von Geboten und Verboten! Auch
die schönen Worte von Gottes bedingungsloser Liebe helfen wenig, wenn solche
Liebe nicht in einer Gemeinschaft von Menschen erfahrbar ist. So müsste Kirche,
die wirklich Erlösung vermittelt, erfahrbar sein in Gestalt von Gemeinschaften,
in denen Menschen sich mit ihrem Denken und Fühlen zeigen können, wie sie
sind und wie es ihnen geht, und wo jeder ernst genommen und angenommen ist –
aber auch mit den Herausforderungen gemeinschaftlichen Lebens konfrontiert
wird. Solche
Gemeinschaften brauchen eine hohe Lernbereitschaft für offene und
achtungsvolle Kommunikation und für konstruktives Kritik- und
Streitverhalten. Wertvoll
für solche Gemeinschaften wäre es auch, Supervision in Anspruch zu nehmen,
wenn manche Konflikte die eigenen Fähigkeiten, damit umzugehen, die Gruppe
überfordern, weil vielleicht unbewusste Projektionen ablaufen. Vielleicht
aber gelingt es der Kirche mittelfristig, das heutige psychologische Wissen
über die wichtigsten unbewussten psychodynamischen Prozesse, die die menschlichen
Beziehungen und Gemeinschaften belasten, zur Allgemeinbildung werden zu
lassen. Bei
einer individuellen Begleitung von Jugendlichen ist zu bedenken, dass die negative
Erfahrung des bedingten-Geliebtseins bei jungen
Menschen immer wieder auf den Begleiter projiziert werden kann und deshalb
auch eine sehr wohlwollende Begleitung immer wieder in Frage gestellt und
angezweifelt werden kann. Mit solchem Misstrauen und den dabei möglichen
Abwertungen konfrontiert zu werden, sollten Begleiter von Jugendlichen
rechnen. Vor
allem sollten die kirchlichen Sakramente und Sakramentalien, die Gebete und
religiösen Lieder so gestaltet sein, dass sie eine Beziehung zwischen
Menschen und Gott ermöglichen, in der dieses bedingungslose Geliebtsein von Gott her immer wieder thematisiert und
rituell vollzogen wird. Manfred Hanglberger (www.hanglberger-manfred.de) |
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