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Aus: Lorenz Zellner, „Gottestherapie – Befreiung von dunklen Gottesbildern“:

 

»Es ist nicht gut, dass der Mensch allein bleibt (Genesis 2,18)

 

Ein Liebesgedicht von G. Kiefel trägt die Überschrift »Begegnung«.
Ich zitiere es wegen seiner Schönheit, Stimmigkeit und Lebensfreude:

Ich freue mich, dass du da bist
mit deinem glänzenden Haar,
mit deinen leuchtenden Augen,
mit deinem lachenden Mund.

Ich freue mich, dass du da bist.

Du bist anders als ich:
Wie du gehst,
wie du mir zuwinkst
und mich anlachst.

Ich freue mich, dass du da bist.

Wenn ich dich treffe,
wird all das andere unwichtig:
Elternhaus, Schule, die Arbeit.
Wenn ich dich sehe,
ist die Welt viel schöner als sonst,
und ich bin froh, dass ich lebe.

In diesem Text spürt man den Geist einer Geschichte aus dem Buch Genesis des Alten Testaments (Genesis 2,18-25), in der es um die Erschaffung der Frau geht. Genesis 2,18-25, dieses fröhliche »Blitzlicht« unter den zahlreichen finsteren Geschichten des Alten Testamentes, atmet den Geist einer jubelnden und problemlosen Liebe zwischen Mann und Frau und den Geist eines Gottes, der ein Herz für den Menschen hat.
Kurz zum Inhalt: Gott hat das Paradies und den Menschen geschaffen. Aber er ist mit seinem Werk noch »unzufrieden«. Er findet es nicht gut, dass der Mensch allein bleibt. So bemüht sich Gott um ein dem Menschen entsprechendes »Gegenüber«. Tiere sind ungeeignete Gefährten. So schafft Gott liebevoll die Frau und führt sie dem Mann zu. Adam reagiert jubelnd: »Das endlich ist Bein von meinem Bein und Fleisch von meinem Fleisch«. Und Mann und Frau leben zufrieden und problemlos vor Gott und im Paradies. Soweit der rote Faden der Geschichte.
Genesis 2,18-25 tut wohl in einem Klima, in dem die Beziehungen von Mann und Frau allzu schnell des Bösen verdächtigt werden. Und der Text wirkt anregend in einer Zeit, in der viele Menschen einsam und beziehungslos sind.
Wenn ich diese Geschichte als schön und in sich stimmig bezeichne, dann verschließe ich die Augen nicht vor einigen Details, die wie Schönheitsfehler wirken können. Die Geschichte stammt ja aus einer am Mann orientierten Gesellschaft. Die Frau scheint wieder einmal nachrangig zu sein und über den Mann bestimmt und definiert zu werden. Außerdem zeigt uns der Text einen groß ausgreifenden Gott und einen doch recht passiv wirkenden Menschen. Doch diese Details sollen die Gesamtlinie des Textes nicht wesentlich beeinträchtigen. Die Geschichte bleibt genauso schön, wenn man Eva als erste jubeln lässt. Und auch die Passivität des Mannes wird sich durch das neue »Gegenüber« bald ändern.
Doch gehen wir näher an den Text und den roten Faden heran: Unsere Geschichte ist nicht von der gängigen theologischen Konvention geprägt. Gottes Gesicht hebt sich hier so wohltuend ab von anderen »Gottes«-Gesichtern, hinter denen nur zu oft ein eifersüchtiger und liebesneidiger Götze steckt. Nein, der »heilige« Gott ist hier so menschlich, so menschenorientiert dargestellt. Er sieht ein, dass es nicht gut ist, dass der Mensch allein bleibt. Der Mensch in der Einzahl, der einsame und sich selbst genügende Mensch ist nicht der, den Gott für »gut« findet. In unserem Text sieht es so aus, als ob sich Gott in den Seelenzustand des Alleinseins hineinversetzen, etwas merken und sich selbst korrigieren würde. Gottes liebevolles Denken ist hier köstlich eingefangen.
Und vor allem: Gott ist ein sehr aufmerksamer Gott hier wie auch in vorausgehenden Texten!

 

 

Gott »merkt«, dass der Mensch allein sich selber nicht genügt. Es ist schlimm, wenn der Mensch allein im Raum steht, ohne einen Himmel über seinem Kopf, ohne Boden unter den Füßen, ohne ein Gegenüber.

 

Und Gott »merkt« auch, dass er allein dem Menschen nicht genügt. Jedem kritischen Geist muss es ja auffallen, wieso Gott sagen kann, dass es nicht gut sei, dass der Mensch allein bleibt, wenn doch er (Gott selbst) auch noch da ist. Der Gott von Genesis 2,18-25 sieht sich anscheinend nie und niemals als »Ersatz« für eine menschliche Partnerschaft. Ebenso wenig will er ausschließende »Konkurrenz« zum Menschen sein. Durch einen menschlichen Partner sieht sich Gott niemals aus dem Spiel gebracht. Er hält auch keine Bräutigam- oder Braut-Stelle in dem Sinn inne, dass er einen menschlichen Bräutigam oder eine menschliche Braut ersetzt. Wer Gott zum Partner-Ersatz macht, der entwickelt ein spirituelles Fehlprogramm.

 

Gott »merkt« auch, dass der Garten, die Erde allein, dem Menschen nicht genügt. Dabei hatte Gott den Menschen so gut versorgt: Er darf auf einem Areal der Fülle und der Wonne leben. Aber das alles genügte nicht. Das Geschenk des Gartens schien nur ein Vorspiel zum Geschenk des Partners zu sein. Jetzt versorgt Gott den Menschen mit seinesgleichen. Trotz aller schönen Naturmystik, die es gibt, spürt der Mensch, dass er nicht mit dem Garten, mit der Erde, und auch nicht mit der Arbeit verschmelzen darf. Er ist nicht primär zum Gartenpfleger und Arbeitnehmer bestimmt, sondern er findet nur im menschlichen Gegenüber die ihm entsprechende Erfüllung.

 

Gott »merkt« auch, dass die Tiere ungeeignete Gefährten sind. Sie sind kein Gegenüber, kein Spiegel, keine Hilfe zur Überwindung des Alleinseins. Trotz vieler Ähnlichkeiten aufgrund der gemeinsamen biologischen Seiten gibt es keine »menschliche Beziehung«.

 

Gott »merkt« oder besser er markiert es, dass allein der Mensch dem Menschen adäquater Partner und ihm entsprechendes Gegenüber ist. Im Tiefschlaf schafft er aus »Adam« die »Eva«. Aus menschlichem »Material« baut er die Frau, konkret und greifbar steht sie da, als Erfüllung einer durch und durch guten Sehnsucht wird sie geschenkt, als Wohltäterin des Mannes und umgekehrt. Die Frau soll nicht »letzter Dreck« sein, sie soll für den Mann nicht »Luft« sein (das ist gegen Paulus gesagt, der in seiner apokalyptischen Verirrung schreibt: »In Zukunft möge, wer eine Frau hat, so sein, als habe er keine« 1 Korinther 7,29); sie ist auch nicht Versuchung, Falle, Gefahr für den Mann (auch wenn wiederum Paulus unterstellt: »Der Unverheiratete sorgt sich um die Sache des Herrn, wie er dem Herrn gefalle. Der Verheiratete sorgt sich um die Dinge der Welt, wie er der Frau gefalle. So ist er geteilt« 1 Korinther 7,33.34), noch ist sie ihm im Bösen überlegen (Jesus Sirach 25,13 ff.).

 

Der Text sagt vielmehr aus, dass der Mensch im Partner das gefunden hat, was sein Herz begehrt. Die neutestamentlichen Gleichnisse vom Schatz im Acker und von der kostbaren Perle drängen sich hier auf. Es gibt im Leben überwältigende Entdeckungen. In der jubelnden Reaktion des Adam ist etwas eingefangen von der Genugtuung und der Freude über die unerwartete Entdeckung seines »Schatzes«. Darum hat auch Martin Buber diese Stelle ganz treffend so übersetzt: »Diesmal ist sie's«, was sowohl ein Stück Ungeduld und ein Stück freudiges Erstaunen und Aufatmen einschließt. Adam ist jetzt nicht mehr nur auf Gott und auf die Erde verwiesen, er spürt, wie er auf den menschlichen Partner ausgerichtet ist, wie ein tiefes Verlangen nach diesem da ist, wie er erst so richtig wach und lebendig wird, als er der Frau begegnet.
So ist in dieser Geschichte eigentlich alles rundherum stimmig. Nichts stört die Klarheit und Eindeutigkeit des Inhaltes. Das war noch einige Verse vorher, bei der Gabe des Gartens für den Menschen, anders. Die Gabe des Gartens wird nämlich an eine Bedingung geknüpft, an das Verbot, vom »Baum der Erkenntnis von Gut und Böse« zu essen (Genesis 2,17). In Genesis 2,18-25 jedoch vertraut Gott dem Adam seine Partnerin ohne Bedingungen und Einschränkungen an.
Unsere Geschichte ist zugespitzt auf die Wichtigkeit des menschlichen Partners für den Menschen. Obwohl Adam Boden unter den Füßen hat, obwohl es die Erde gibt, obwohl er einen Himmel über sich spürt, obwohl Gott sein guter und treuer Fürsorger ist, kann er zur Frau sagen, wie es in dem eingangs zitierten Text von G. Kiefel heißt: »Wenn ich dich sehe, ist die Welt viel schöner als sonst.« Und kein Gott ist neidisch und keine Erde entzieht den Boden.
Im Gegenteil: Gottes Güte kommt in dieser Geschichte ganz groß heraus. Irgendwie hat sich mit der Erschaffung und Zuführung der Frau ein Kreis geschlossen: Gott gönnt dem Menschen sich selbst, Gott gönnt dem Menschen die Erde und den Garten, Gott gönnt dem Mann die Frau und der Frau den Mann. Jetzt ist das »Haus« fertig, in dem der Mensch wohnen darf. Jetzt stimmt sein »Ökosystem«. Jetzt ist der Mensch optimal »vernetzt«.

Im Anschluss an Genesis 2,18-25 kann man sehr gut den Psalm 23 meditieren. Mit Ausnahme von Vers 5 ist dieses Lied von einem guten Geist durchweht, es ist ein wahres Heilsgedicht. Neben der Liebe eines Partners darf der Mensch die Nestwärme dieser Welt genießen. Man wird an die Paradieserzählung erinnert, an das »Glück des Anfangs«: Der Mensch soll alles haben, was seine Zufriedenheit ausmacht. Gott »lässt« es ihm: die Freuden und Objekte unserer Sinne, die Fülle der Farben, Formen und Klänge, Essen und Trinken, die Werke unseres Geistes und unserer Hände.
In diesem Lied spürt der Mensch ebenfalls Gottes unbedingt positive und warme und liebevolle Zuwendung, seine freundliche Aufmerksamkeit, sein Verständnis für die menschlichen Bedürfnisse, seinen weiten Horizont, seine Überlegenheit über so viel menschliche Enge, sein Vertrauen, dass sich niemand endgültig verläuft. Der Gott dieses Psalms wirkt so klar und eindeutig, so überlegt und berechenbar, so sicher und undramatisch wie einer, der gerne Gutes tut.

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