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Der Dialog mit dem „Inneren Kind“

Link zum Teilen: http://hanglberger-manfred.de/inneres-kind-dialog.htm

 

Manchmal ist es seelisch heilsam, einen Dialog mit dem „Inneren Kind“ zu pflegen, d.h. einen Dialog zwischen unserem Gegenwarts-Ich und unserem Kindheits-Ich.
Dieser Dialog ist besonders wichtig, wenn man in der Kindheit wesentliche Erfahrungen
(z.B. schmerhafte Verlusterfahrungen, tiefgehende Enttäuschungen, körperliche oder seelische Verletzungen, Schicksalsschläge, …)
und die dadurch ausgelösten Gefühle verdrängt hat.

 

Die Gefühlsenergien solcher Verdrängungen können in der Gegenwart unkontrolliert hervorbrechen und können Aggressionen, Minderwertigkeitsgefühle und Depressionen auslösen; außerdem können sie unser Kommunikationsverhalten und damit unsere menschlichen Beziehungen sehr belasten.

 

Der Dialog mit dem „inneren Kind“ kann dazu führen, dass wir Gefühle und Gefühls­äußerungen, mit denen wir uns bisher schlecht identifizieren konnten und die wir als verwirrend und belastend empfanden, verstehen lernen und dass wir sie den verdrängten und vergessenen Ereignissen in unserer Kindheit oder Jugendzeit zuordnen können.

 

Wenn wir eine alte Trauer oder einen alten Zorn dabei spüren und deren Entstehungs­ursachen verstehen, werden wir diese Gefühle zulassen können – und so unsere Vergangenheit in unser gegenwärtiges Bewusstsein integrieren. Dadurch beruhigen sich diese Gefühle in uns, brechen nicht mehr unkontrolliert hervor und wir finden den Frieden mit unserer Vergangenheit und damit Frieden in uns selbst.

Dadurch können wir dann die positiven Energien aus unserer Kindheit entdecken und diese entfalten.

 

 

Wie geschieht nun dieser „Dialog mit dem inneren Kind“?

 

Wir suchen uns eine bequeme Sitzgelegenheit, wo wir uns entspannt mit dem Rücken anlehnen können und legen beide Hände auf den Bauch; denn dort ist unsere Kindheit emotional gespeichert.

Wir atmen entspannt aus und warten geduldig, bis sich unser Brustkorb wieder neuen Atem holt. Mit jedem Ausatmen lassen wir unseren Körper schwerer und entspannter werden. Alle Muskeln in den Armen und Beinen und im ganzen Körper dürfen sich lockern und entspannen.

 

Die Hände auf dem Bauch schaffen einen Schutzraum, in dem wir versuchen unser dort gespeichertes Kindheits-Ich wahrzunehmen. Unsere schützenden Hände sind eine Einladung an das „innere Kind“ in uns, sich zu öffnen, es zu wagen, da zu sein und sich zu zeigen. Die beiden Hände strahlen Mitgefühl, Liebe und Achtung zum „inneren Kind“ hin aus.

 

Dann sprechen wir mit folgenden oder ähnlichen Worten mit unserem „inneren Kind“ wie mit einer Person, die in unserem Körper wohnt:

 

„Kleine(r) N. (der eigene Vorname!), du darfst in mir da sein. Ich versuche dich in mir zu spüren und deine Gefühle wahrzunehmen.“
Zeit lassen, um das „innere Kind“ zu spüren, d.h. die Gefühle wahrzunehmen, die wir als Kinder verdrängten, aber die in unserem Körper – d.h. in unserem Unbewussten - gespeichert sind.

„Kleine(r) N., du darfst dich mit deinen Gefühlen in meinem ganzen Körper ausbreiten.
Ich fühle mit dir, ob es Trauer oder Angst ist, Sehnsucht oder Verzweiflung, Zorn oder Schuldgefühle, ….
Wenn es Tränen sind, will ich deine ungeweinten Tränen nun zur Welt kommen lassen. Ich fühle mit dir; ich bin ganz mit dir verbunden und gebe allen deinen Gefühlen Raum in meinem Körper – auch wenn sie mich vielleicht völlig überfluten.

Ich will sehen, was du vielleicht an Opferbereitschaft, an manchmal unbeachteter oder vergeblicher Liebe gegeben hast, was du an Einsamkeit, an überfordernden Erwartungs­haltungen (seitens der Eltern?), an Trauer, an Schmerz, an Verzweiflung, … erlebt hast.
Mein Körper soll das Medium sein, durch das deine verdrängte Gefühlswelt nun endlich zur Welt kommen darf.“

Nach einiger Zeit:
„Kleine(r) N., schau, ich bin ein erwachsener Mann/ eine erwachsene Frau geworden und habe schon viel in meinem Leben geschafft: …“
(Erzählen von Berufsausbildung und Berufsausübung, evtl. von Familiengründung und Sorge für Kinder, ehrenamtliches Engagement, …)

„Nun will ich auch dafür sorgen, dass es dir in mir gut geht.

Deshalb werde ich in nächster Zeit immer wieder mit dir in Kontakt treten und an deinen Gefühlen Anteil nehmen.
Und dann werde ich als erwachsene Person mit meinen liebevollen Händen dich in mir schützen und trösten.
Du gehörst für immer zu mir. Ich nehme dich an als bleibenden Teil meines Lebens.

Und nun wollen wir gemeinsam im Heute leben, die Probleme und das Schöne unserer Zeit sehen und die heutige Gegenwart mutig und liebevoll meistern.“

 

Nach einiger Zeit streckt man die Arme und Beine, spürt aufmerksam den eigenen Atem, spürt den Sessel, auf dem man sitzt, und die Erdkugel, auf dem das Haus steht, spürt den Himmel und das Universum über sich, steht auf und spürt die Größe und Festigkeit des eigenen Körpers und erinnert sich, welches Datum wir heute haben und was man heute noch zu tun gedenkt.

 

 

Bei welchen Problemen ist der „Dialog mit dem inneren Kind“ besonders wichtig?

 

- Wenn man in der Kindheit ein Elternteil oder eine andere wichtige Bezugsperson verloren hatte.

- Wenn man in der Kindheit oft allein gelassen oder nicht wahrgenommen wurde.

- Wenn man als Kind gedemütigt, geschlagen oder sexuell missbraucht wurde.

- Wenn man als Kind unter dem ständigen Streit oder einem Suchtverhalten eines Elternteils litt.

- Wenn man einem leidenden Elternteil immer helfen wollte und dabei die eigene Kindheit opferte.

- Wenn man immer gehorchen musste und der eigene Wille und das eigene Denken extrem unterdrückt wurden.

 

Der „Dialog mit unserem inneren Kind“ löst nicht alle unsere psychischen Probleme:


Z.B. Probleme, die durch „systemische Belastungen“ verursacht sind, brauchen eine andere Behandlung.

Was sind „systemische Belastungen“?

Es handelt sich um Belastungen, die wir durch unsere seelische Verbundenheit mit dem „System unserer Vorfahren“, vor allem mit einem leidvollen Schicksal unserer Eltern und Großeltern (seltener auch mit anderen Vorfahren) abbekommen haben.

Durch diese seelische Verbundenheit mit den Vorfahren können wir verdrängte Gefühle von Personen aus der Verwandtschaft unbewusst übernehmen. Da wir diese Gefühle keinen Ereignissen in unserer eigenen Biographie zuordnen können, sind sie sehr verwirrend und belastend.

 

Dazu aus meinem Buch „Geburt des Ich“
im Kapitel V.1.c)
Von der Identifikation zum Mitgefühl“:

 

Um sich selbst von (solchen) seelischen Belastungen zu befreien, ist es notwendig, sich von den Eltern bzw. von einem nahen Verwandten, mit dem man durch unbewusste Liebe in eine Identifikation geraten ist, zu unterscheiden. Dies gelingt einerseits durch verschiedene Methoden der Selbstwahrnehmung körperlicher und seelischer Art, wie zum Beispiel autogenes Training und ähnlichem und andererseits durch „aufmerksames Hinschauen“ auf das Leben dessen, mit dem man identifiziert ist. Dieses Hinschauen kann zum Beispiel heißen, sich mit dessen Lebensgeschichte zu beschäftigen, Erkundigungen einzuholen über seine Kindheit, über seine Jugendzeit, über gesundheitliche, gesellschaftliche und wirtschaftliche Umstände und Schicksalsschläge seines Lebensweges. Aber nicht nur die äußeren Daten sind wichtig, sondern auch die Gefühle, die auf diesen Lebensstationen wohl lebendig gewesen sein dürften.

Das bewusste Mitgefühl mit diesem Menschen löst die Identifikation, schafft die Ich-Du-Unterscheidung, verhindert die unbewusste oder auch bewusste Versuchung, das ungelebte Leben des anderen nachholen zu wollen, seine ungelösten Lebenskonflikte stellvertretend für ihn lösen zu wollen.

Aber nicht die Unterscheidung von den Vorfahren allein führt zur Geburt des eigenen Ichs. Die zweite fundamentale Voraussetzung dafür ist, die Person, mit der man identifiziert ist, dazugehören zu lassen: zur Welt, zum Verwandtschaftssystem und innerlich zu sich selbst, d.h. sie in ihrem Dasein und Dazugehören zu achten. Dies geschieht, indem man ihr in sich selbst einen angemessen guten Raum gewährt, keinen Ort der Verachtung oder des Vergessens, aber auch keinen Ort der Herrschaft über meine Gefühle und meinen Willen.“

 

Weitere Hintergründe dazu in Kap III.7.:
„Die Seele des Kindes ist der Zufluchtsort für die seelischen Verdrängungen der Eltern“

 

Manfred Hanglberger (www.hanglberger-manfred.de)

Link zum Teilen: http://hanglberger-manfred.de/inneres-kind-dialog.htm

>>> Weitere wichtige therapeutische Übungen

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