Fachtagung der Deutschen
Bischofskonferenz in Mainz
„Zum Umgang mit geistlichem Missbrauch“
Erstmals hat sich eine
Fachtagung von drei bischöflichen Kommissionen der Deutschen
Bischofskonferenz mit dem Thema „Zum Umgang mit geistlichem Missbrauch“
auseinandergesetzt. Bei der internen Zusammenkunft in Mainz berieten sich
heute (31. Oktober 2018)
die Pastoralkommission,
die Kommission für Geistliche Berufe und Kirchliche
Dienste und
die Jugendkommission der Deutschen Bischofskonferenz.
Weitere Teilnehmer
kamen aus dem Bereich der Orden
und der „Konferenz der bischöflich Beauftragten für die Kirchlichen
Bewegungen und neuen Geistlichen Gemeinschaften“.
Bischof Dr. Felix Genn (Münster), Vorsitzender der
Kommission für Geistliche Berufe und Kirchliche
Dienste, hob in seinem Beitrag hervor, dass im Zusammenhang mit den
Diskussionen um den sexuellen Missbrauch in der Kirche Bischöfe und die
Arbeitsgruppe „Kirchliche Bewegungen und neue geistliche Gemeinschaften“ auf
das Phänomen des geistlichen Missbrauchs aufmerksam geworden seien.
„Allzu oft, so die
Befürchtung, geht psychischer und geistlicher Missbrauch dem sexuellen
Missbrauch voraus. Opfer sexuellen Missbrauchs werden durch eine falsche
geistliche Begleitung in Abhängigkeiten vom Begleiter gebracht und gefügig
gemacht“, so Bischof Genn.
Mit der Fachtagung
werde ein Schritt zur Beschreibung der Problematik und der theologisch-spirituellen
Beurteilung des Phänomens gemacht, von dem zunehmend mehr Betroffene
berichteten.
„Indem
wir Bischöfe das Phänomen des geistlichen Missbrauchs aufgreifen,
signalisieren wir unsere Bereitschaft, unser seelsorgliches Handeln jederzeit
neu an der Norm des Handelns Jesu Christi auszurichten.
Seelsorge und geistliche Begleitung, die nicht zur
Freiheit und zum Selbstbewusstsein der Kinder Gottes beitragen, können kein
Handeln im Geiste Jesu sein.“
Ihm sei es wichtig darauf hinzuweisen,
dass
es geistlichen Missbrauch in der Form gebe,
„dem
anderen meine Entscheidung, die ich bei ihm für richtig halte, aufzuzwingen,
statt ihm die Freiheit zu lassen.
Eine Neuorientierung vor allem der Seelsorge, in der es ums Ganze
geht, nämlich um das Verhältnis von Menschen zu Gott, muss auch bedeuten, mit
Formen des Missbrauchs umzugehen und Maßnahmen zu ergreifen, sie möglichst zu
beseitigen – auch wenn es schmerzliche Eingriffe erforderlich macht“,
so Bischof Genn.
Äbtissin M. Petra Articus OCist (Landshut) brachte
aus ihren Erfahrungen die Opferperspektive ins Gespräch.
Die Grundsätze von Gemeinschaften böten auch Gefahren, wenn
Macht-, Prestige- und Karriere-Denken in der Gemeinschaft herrschten oder der
Obere davon beseelt sei, Vollkommenheit bei den einzelnen Mitgliedern zu
erreichen.
„Hat der oder die Obere bewusst oder unbewusst ein falsches Gottesbild,
großen Ehrgeiz, ein starkes Machtbedürfnis, den Wunsch, alles unter Kontrolle
zu haben, will er/sie eine vorbildliche, erfolgreiche, Vorzeige-Gemeinschaft
oder ist das Streben nach einem höheren Amt vorhanden, nach absoluter
Anerkennung ohne hinterfragt oder kritisiert zu werden, tut das keiner
Gemeinschaft gut, aber starke Persönlichkeiten können sich in ihr trotzdem
behaupten.
Außer der Druck, Zwang, die Dominanz oder Kontrolle der Autorität werden zu
groß“, so Äbtissin Articus. „Treffen aber so eine Autoritätsperson und ein
Ordensmitglied mit dem Streben gottgefällig zu leben, in allem dem Willen
Gottes gerecht zu werden, sich von jemand Höheren führen zu lassen, oder nach
Anerkennung strebend, sich leicht in Abhängigkeit begebend, mit überzogenen
Idealen, und sich und seine Kräfte selbst nicht einschätzen könnend, dabei
unsicher, kontakt oder konfliktscheu, einfach noch unreif zusammen, kann
geistlicher Missbrauch vorprogrammiert sein.“
Die
Vorsitzende der Deutschen Ordensobernkonferenz, Sr. Katharina Kluitmann OSF (Bonn), erläuterte die
Gefahr geistlichen Missbrauchs aus psychologischer Sicht.
Sie skizzierte mögliche Schritte aus der Abhängigkeit heraus.
Dabei gehe es um das aufmerksame Wahrnehmen und Reden, aber auch den Mut,
sich bei Missbrauch an kirchliche Autoritäten zu wenden. „Wir brauchen eine
Kultur, die Menschen hilft, einen behutsamen Neuanfang zu wagen. Dazu muss –
psychologisch gesprochen – eine Spannung reifen lernen, die sich gegen die
Überbewertung des Ideals ausspricht auf Kosten menschlicher Realitäten und
Bedürfnisse“,
so Sr. Katharina.
P. Klaus Mertes SJ, Rektor des Kollegs von St. Blasien, zeigte in
seinen ethischen und theologischen Bewertungen auf, dass geistlicher
Missbrauch die Kirche zu einer theologischen Unterscheidung der Geister
herausfordere.
Der geistliche Missbrauch bestünde im Kern darin, dass sich
Personen und Gemeinschaften anmaßen, den Willen Gottes für andere Menschen
erkennen zu können.
Um die pseudo-theologischen Strategien zu verstehen und die Wirkungen solcher
Ansprüche auf Menschen zu begreifen, sei es unumgänglich, die Opfer
geistlichen Missbrauchs anzuhören.
Der Leiter des Exerzitienwerks im
Bistum Speyer, Dr. Peter Hundertmark, betonte, dass Maßnahmen der Prävention
Hand in Hand mit Aufarbeitung und Qualitätsanstrengungen gehen müssten. Dabei
seien Maßnahmen, die kurzfristige Verbesserungen schafften – Ansprechpersonen
benennen und Beschwerdewege definieren –, von dauerhaften Anstrengungen wie
der Verbesserung der Ausbildung der Priester, pastoralen Mitarbeiterinnen und
Mitarbeiter und insbesondere der Ausbilder in Orden, Bewegungen und Diözesen
zu unterscheiden.
(Formatierung
durch Manfred Hanglberger – www.hanglberger-manfred.de
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