LINK zum Teilen: https://www.hanglberger-manfred.de/neu-evangelisierung.htm

HOME

Neu-Evangelisierung

 

Da ich in mehreren Jahrzehnten missionarisch orientierter und intensiv reflektierter Seelsorgearbeit versuchte, die pastorale Situation bei uns zu analysieren und Wege zu entdecken, wie die Botschaft des christlichen Glaubens in unserer Zeit glaubwürdig und wirkungsvoll verkündet und gelebt werden kann, habe ich dafür Vorschläge in „zehn notwendigen Schritten“ formuliert (kein Anspruch auf Vollständigkeit!):

 

Zehn notwendige Schritte
für eine zeitgemäße Glaubens- und Kirchen-Reform

 

Vorbemerkung:
Was mir in den letzten Jahren immer stärker aufgefallen ist:

Die Problemsituation ist sehr vielschichtig und alle Bereiche kirchlichen Lebens bedürfen einer gründlichen Analyse, um sie der Botschaft Jesu und den Erfordernissen der Zeit sinnvoll anzupassen – und alles hängt miteinander zusammen: Gottesvorstellungen – Spiritualität – Liturgie – Moral – Kirchenstrukturen!

Deshalb erwecken viele Vorschläge, die man sonst hört, den Eindruck, dass es sich dabei nur um Symptome oder Einzelaspekte handelt, die langfristig keine wirkliche Verbesserung der Situation bringen dürften.

 

Bei dem Bündel an Aufgaben, die der Bearbeitung bedürfen, ist in meinen Augen für die Bearbeitung einiger der hier angeführten Punkte eine Rangordnung zu bedenken, da manche Probleme nur lösbar sind, wenn andere zuvor gelöst worden sind.

 

Konkret:

(Die folgenden zehn Punkte in Kurzfassung: >>>)

 

1. Autoritätsverständnis und Machtmissbrauch in der Katholischen Kirche
Finanz- und Missbrauchsskandale in der Katholischen Kirche machen erschreckend deutlich, welch krasse Gegensätze zwischen der Botschaft Jesu und der Praxis der Kirche zum Thema Autorität bestehen.

So sind vorrangig das Autoritätsverständnis und die Autoritätspraxis bei Jesus zu bedenken, um den Umgang mit Macht in der Kirche zu ändern und Machtmissbrauch möglichst zu verhindern.
Es geht dabei wesentlich um das Verständnis auch der Autorität Gottes und damit um die Gottesfrage ganz grundsätzlich für unsere Zeit.
Da das Thema Autorität sowohl die Kirche in allen ihren Lebensbereichen betrifft, wie auch die Lebenswirklichkeiten in den Familien bis hin zu den Staaten, sollte zu diesem Thema die Kirchenleitung ein umfassendes Lehrschreiben im Dialog mit den heutigen humanwissenschaftlichen Erkenntnissen veröffentlichen und dessen Umsetzung in den Strukturen und in der pastoralen Praxis der Kirche verwirklichen.

Die Durchführung der Bischofssynode im Dialog mit Jugendvertretern (Okt 2018) wäre dafür ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung. Aber der Dialog zwischen Kirchenbasis und Kirchenleitung müsste strukturell weiter entwickelt werden. Ebenso müsste die haarsträubende Ausgrenzung der Frauen auf allen Entscheidungsebenen der Kirche einer gleichberechtigten Beteiligung weichen.

Für das Thema „Autorität der Eltern“ könnten die positiven Erfahrungen einiger westlicher Länder, die das Schlagen von Kindern in der Erziehung verboten haben, wertvolle Impulse liefern, um das Verständnis christlich verstandener Gewaltlosigkeit, das in der Familie beginnt, weiter zu entwickeln.

Zum Thema Autorität wäre also eine umfassende Enzyklika dringend notwendig, die in allen Bereichen des kirchlichen Lebens zu verwirklichen wäre – vor allem auch in der Liturgie und in der christlichen Gebetskultur.

 

Einige Überlegungen dazu:
Zu Autorität und Machtmissbrauch >>>

Kinder brauchen (die Wahrnehmung von) Grenzen >>>

Wie sind christliche Gebote und Verbote grundsätzlich zu verstehen? >>>

Wichtige erste Schritte in diese Richtung durch Papst Franziskus >>>

 

2. Zeitgemäße Organisationsstrukturen der Kirche auf allen Ebenen

Alle Organisationsstrukturen der Kirche müssen sich am Autoritätsverständnis und an der Autoritätspraxis Jesu ausrichten. (Siehe Punkt 1)

Ebenso müssen sie den „Zentralen Zielen der Seelsorge“ (Punkt 8) dienen und müssen den zentralen Werten des christlichen Glaubens entsprechen. Dazu gehören wesentlich die Achtung und Förderung von Personwürde, Freiheit, Solidarität, Subsidiarität, Gerechtigkeit und Schöpfungsverantwortung – aber auch die Überwindung des „Klerikalismus“ und der Diskriminierung der Frauen.

Wenn es um das Thema „Subsidiarität“ geht, kommt natürlich die Frage nach demokratischen Entscheidungsprozessen in der Kirche auf. Werte-orientierte Demokratien sind aber keine „Diktatur von Mehrheiten“, sondern als „Werte-Gemeinschaften“ eine Art „Glaubensgemeinschaften“.
Davon könnte die Kirche lernen:

 

Überlegungen zu demokratischen Strukturen in der Kirche: >>>

Zeitgemäße und an der christlichen Frohbotschaft orientierte Gemeindestrukturen: >>>

Das „Lobinger Modell“ der „Pfarrerinitiative“ und von Prof. Zulehner >>> 

Kirchliche Weiheämter für Frauen? >>>

Vorschläge der Amazonas-Synode für die Rolle der Frauen in der Kirche >>>

 

3. Die Gottesfrage im Bereich der Natur und in der Psyche des Menschen ist zu klären:
Wie stellen wir uns in unserem Glauben das Wirken Gottes in der Welt und im menschlichen Leben vor – und dies auf dem Hintergrund des heutigen Wissens
- über die naturwissenschaftlich erforschte Welt (Evolution des Universums und des Lebens auf unserer Erde)

- und über die psychologisch erforschte Welt der menschlichen Gefühle und der psychischen Reifungsgesetze, der psychischen Blockaden und Heilungswege.

 

Es geht dabei um das grundsätzliche Problem, den Prozess der Säkularisierung, der ja wesentlich auch vom biblisch-christlichen Glauben angestoßen ist, besser zu verstehen und in christlichem Geist zu gestalten.

 

Denn die biblisch begründete „Autonomie der irdischen Wirklichkeiten“, die theologisch schon vor ca. 750 Jahren von Thomas von Aquin reflektiert und im Zweiten Vatikanischen Konzil (In „Gaudium et Spes“, Kap. 36) ausführlich thematisiert wurde, hat weder in der Gottesverkündigung der Kirche noch in der kirchlichen Gebetskultur sich ausgewirkt.

Aber die Erkenntnisse im naturwissenschaftlichen und psychologischen Bereich der vergangenen Jahrhunderte gehören für viele Menschen unserer Zeit zu den stärksten Infragestellungen vieler traditioneller Glaubensvorstellungen.

Es braucht eine Aktualisierung der christlichen Glaubenslehre, die im Dialog mit den modernen Wissenschaften entwickelt wird, also z.B. das Verständnis der Erlösungsbedürftigkeit des Menschen auf dem Hintergrund der Erkenntnisse der kosmischen und biologischen Evolution und auf dem Hintergrund der Erkenntnisse des menschlichen Unbewussten und seiner Projektionen.

Eine grundlegende kirchliche Glaubenslehre in diesen zwei Bereichen fehlt!

 

Dazu meine Überlegungen:

„Säkularisierung“ als christliche Gestaltungsaufgabe >>>

Naturwissenschaftliches Weltbild und der christliche Glaube >>>

Psychologie (die Welt der Gefühle) und der christliche Glaube >>>

Die langfristige Entwicklung der christlichen Glaubenskrise (graphische Darstellung) >>>

 

Da die entscheidenden Impulse für das moderne Welt- und Menschenbild und der dadurch angestoßene Säkularisierungsprozess von Europa ausgingen, haben die Christen Europas die Hauptverantwortung, diesen Prozess zu verstehen und aus christlichem Glauben zu gestalten.
Die Vielschichtigkeit und die notwendigen Folgerungen dieser Verantwortung sind so komplex und grundlegend, dass dafür dringend eine europäische Kontinentalsynode notwendig wäre, die sich mehrere Jahre mit diesen Aufgaben beschäftigen müsste.

 

4. Ein zeitgemäßes christliches Erlösungsverständnis

Viele Menschen haben Probleme mit einem christlichen Erlösungsverständnis, das sich nur auf Sünde und Tod des Menschen bezieht, wie es die meisten Texte der Eucharistiefeier zum Ausdruck bringen. Zu diesem Thema gibt es bereits eine zeitgemäße Glaubenslehre in der Enzyklika „Redemptor Hominis“ von 1979. Doch diese aktualisierte Glaubenslehre wurde weder in der Liturgie noch in der Gebetskultur der Kirche umgesetzt.

 

Der entscheidende theologische Abschnitt in Redemptor Hominis >>>

Meine Überlegungen zum Erlösungsverständnis: >>>

Überlegungen zur Ursache des Kreuzestodes Jesu: >>>

Erlösungsbedürftigkeit des Menschen angesichts der Erkenntnisse der Evolution  >>>

 

5. Ein zeitgemäßes christliches Bibelverständnis

Viele Texte der Bibel, vor allem des Alten Testaments, sind für die meisten Gläubigen missverständlich. Besonders die mythologischen Texte der Genesis verleiten zu Vorstellungen, die im Widerspruch zum Gottesbild der Evangelien stehen.

Die Problematik mancher Bibeltexte zeigt sich vor allem darin, dass fast alle Ungerechtigkeiten und Grausamkeiten, die in der Geschichte der Kirche mit Einwilligung der kirchlichen Obrigkeit begangen worden sind, mit Bibelzitaten begründet wurden.

 

Eine umfassende zeitgemäße fundamentaltheologische Erklärung der Kirchenleitung über die Entstehung von „Heiligen Schriften“ der Religionen allgemein und der Bibel im Besonderen wäre dringend notwendig.

 

Meine Überlegungen und Vorschläge zu einem zeitgemäßen Bibelverständnis: >>>

 

6. Eine zeitgemäße christliche Spiritualität und Gebetskultur

Aus den Ergebnissen der vorangegangenen Aufgaben wäre eine entsprechende Spiritualität zu gestalten, in der die schöpfungstheologischen Aspekte eine wesentliche Rolle spielen sollten; denn der Glaube an die Menschwerdung Gottes in Jesus Christus lädt uns ein, dass auch wir ein tiefes Dazugehörigkeitsbewusstsein und eine entsprechende Verantwortungsbereitschaft gegenüber der großen Lebensgemeinschaft der Natur pflegen, dass wir in unserem Körper gerne und verantwortungsvoll leben lernen und unser Menschsein und die ganze Schöpfung in Gott gehalten wissen.

 

 Ein wesentlicher Bereich christlicher Spiritualität ist die Theologie und Sprache der liturgischen und persönlichen Gebete. Auch sie müsste als Folge der hier bisher thematisierten Aufgaben überdacht und neu gestaltet werden. Denn viele unserer traditionellen Gebete entsprechen weder dem Gottesbild Jesu und einem zeitgemäßen Verständnis des Wirkens Gottes in unserem Leben, noch den seelischen Bedürfnissen der Menschen heute. Besonders das Verständnis von Subsidiarität in der Beziehung Gottes zur Welt und zu uns Menschen müsste in einer erneuerten Gebetskultur verwirklicht werden.

 

Christliche Spiritualität mit Integration der Schöpfungstheologie: >>>

Eine Gebetskultur auf der Grundlage der Erkenntnis der „Subsidiarität“ im Gottesbild: >>>

 

7. Eine zeitgemäße Gewissensbildung

Im Konzilsdokument „Gaudium et Spes“ des Zweiten Vatikanischen Konzils heißt es in Kap 17:

Die Würde des Menschen verlangt, dass er in bewusster und freier Wahl handle,
das heißt personal,  von innen her bewegt und geführt
und nicht unter blindem innerem Drang oder unter bloßem äußerem Zwang.

Und im nachsynodalen Schreiben „Amoris Laetitia“ heißt es im Kap 37:

Wir sind berufen, die Gewissen zu bilden, nicht aber dazu, den Anspruch zu erheben, sie zu ersetzen.

 

Dass die Christen „von innen her bewegt und geführt“ handeln und frei werden von „blindem innerem Drang“, ist eine äußerst anspruchsvolle Aufgabe, die keineswegs in der Kirche traditionell verwirklicht ist, obwohl sie der Botschaft Jesu entspricht.

Viele Fehlformen des Christentums wie auch anderer Religionen sind auf das Fehlen angemessener Gewissensbildung zurückzuführen.

 

Ausführlicher dazu: >>>

                                      

8. Die wichtigsten Ziele einer zeitgemäßen kirchlichen Seelsorge

Aus dem christlichen Glauben an die Menschwerdung Gottes in Jesus Christus und dem damit verbundenen Verständnis von der „Dreifaltigkeit Gottes“ ergeben sich die wichtigsten Ziele einer zeitgemäßen Seelsorge:

Die Verwirklichung des Personseins, die Verwirklichung liebevoller und achtungsvoller Gemeinschaft und eine tiefe Schöpfungsverbundenheit mit der daraus folgenden Verantwortung.

 

Ausführlicher dazu: >>>

 

9. Ein zeitgemäßes Verständnis und eine zeitgemäße Gestaltung der Sakramente

Aus den vorangegangenen Punkten zeigt sich, dass auch das Verständnis und die Gestaltung unserer Sakramente und der Sakramenten-Katechese einer Neugestaltung bedürfen. Die „Zentralen Ziele einer zeitgemäßen Seelsorge“ (Punkt 8) sind besonders in der Sakramenten-Katechese zu verwirklichen. Vor allem die schöpfungstheologischen Aspekte, die Jahrhunderte lang in der Katholischen Kirche vernachlässigt worden waren, sind zu integrieren. Aber auch das Gottesbild und ein zeitgemäßes Verständnis vom Wirken Gottes in der Welt und im Leben der Menschen erfordert für die Gestaltung der Sakramente eine Korrektur.

Besonders was die Eucharistiefeier betrifft, ist ihr „theologisches Herz“, nämlich die Feier des „Neuen Bundes“ noch keineswegs verwirklicht:

 

Die Eucharistiefeier als erfahrbares Erlösungsgeschehen >>>

Zur „Feier des Neuen Bundes“: >>>
Die Feier des „Neuen Bundes“ als Thema für einen Erstkommunion-Elternabend (PPT)
>>>
Zum Gottesbild der Hl. Messe: >>>

Die Hl. Messe als Inkarnationsgeschehen: >>>

Zum Verständnis der Hl. Taufe: >>>

Zum Verständnis der Ehe als Sakrament >>>

 

10. Umkehr und „Buße“ sind wichtige Schritte zur Erneuerung der Kirche

Die nicht aufgearbeiteten „Altlasten“ der Kirche aus ihrer geschichtlichen Vergangenheit sind für viele junge Menschen, die in unserer Zeit über die modernen Medien und Informationssysteme mit diesen geschichtlichen Tatsachen konfrontiert werden, abstoßend und glaubenszersetzend. Deshalb bedürfen diese dringend einer gründlichen Bearbeitung durch eine Art „Kirchentrauertage“:

 

Was ist mit „Kirchentrauertage“ gemeint? >>>

 

 

Noch einmal: Ohne eine europäische Kontinentalsynode ist es wohl nicht möglich,
diese hier aufgeführten Aufgaben sinnvoll anzugehen.

 

Manfred Hanglberger (https://hanglberger-manfred.de )

LINK zum Teilen: https://www.hanglberger-manfred.de/neu-evangelisierung.htm

 

 

Weitere Themen, die das Umfeld von Kirchen- und Glaubensreform betreffen:

Was heißt „zeitgemäß“ in Bezug auf den christlichen Glauben?

Autoritätserfahrung und Glaubensschwund (Beispiel ehemalige DDR)

Ein zeitgemäßes Glaubensverständnis

„Brücken bauen“ zu den von der Kirche verletzten Personen

Eine zeitgemäße Beziehungskultur zu den Verstorbenen
(Gleichzeitig ein wichtiges ökumenisches Anliegen )

Subsidiarität bei Gott

Warum es so schwierig ist, in der Kirche Reformen durchzuführen

Vernunft und Glaube auseinandergefallen!
Glaubenskrise – von der Kirche über Jahrhunderte verursacht

Kirchenkrise oder Gotteskrise? (Aus: „Gottestherapie“ von Lorenz Zellner)