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Lorenz Zellner

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Numeri 12,1-16: Die Auflehnung Mirjams und Aarons gegen Mose

 

1. Die Erarbeitung des Textes
Der Text ist kaum bekannt. Ich teile Arbeitsblätter zum stillen Lesen aus. Alle sitzen noch ruhig auf ihren Plätzen. Dies wird sich bald ändern. Ich versuche, folgende Rollen an den Mann bzw. an die Frau zu bringen: Mose, die Kuschiterin, Mirjam, Aaron, Gott und das Volk (der Rest der Gruppe).
Der Text wird in acht Szenen zerlegt, die von den einschlägigen Spielern in recht kurzer Zeit erarbeitet werden:

Szene 1:

zeigt den Mose, der mit der Kuschiterin schäkert.

Szene 2:

bringt die harte Kritik des Aaron und der Mirjam, die sich auch an Dtn 7,1-5 orientiert (Heiratsverbot mit den Heiden).

Szene 3

enthält das Gericht Gottes über Mirjam und Aaron (eventuell weißes Tuch als Symbol für Aussatz vorbereiten).

Szene 4

Aaron spricht mit Mose

Szene 5

Mose interveniert bei Gott.

Szene 6

Gott antwortet Mose

Szene 7

Mose eröffnet dem Volk das neue Urteil Gottes und fordert das Volk auf, Mirjam aus dem Lager zu werfen. Mirjam weiß um die Gefahren außerhalb des Lagers: Sie ist wehrlos, mißbrauchbar, den Feinden und den wilden Tieren ausgeliefert.

Szene 8

Der Hinauswurf (wird nicht vorbereitet).

 

Nun beginnt das Spiel, das sich eng an den Text hält, diesen aber recht kreativ ausschmückt. Gott sitzt in einer Ecke auf einem Stuhl, ihm gegenüber ist der Platz des Volkes. Rechts von Gott aus gesehen, in einer weiteren Ecke, sitzen Mose und die Kuschiterin, links Mirjam und Aaron. Das Spiel läuft wie vorgesehen, in der dritten Szene wird Mirjam mit einem Tuch verhüllt, in der siebten Szene schreit sie herzzerreißend, als sie aus dem Lager geworfen werden soll. Sie schildert die Gefahren, doch Mose besteht auf der Einhaltung des Willens Gottes. Das Volk sitzt geschockt in der Ecke und da die Szene nicht vorbereitet wurde, sind erst nach wiederholten Aufforderungen einige Israeliten bereit, die schreiende und sich mit Händen und Füßen wehrende Mirjam aus dem Raum zu werfen. Die anderen bleiben wie gelähmt sitzen.

2. Der Dialog mit dem Text
Wie die Darsteller den Text erleben, zeigt das nachfolgende Gespräch über die Gefühle und Gedanken, die sich einstellen. Die Kuschiterin äußert sich so, sie habe jetzt ein ganz schlechtes Gewissen und Schuldgefühle der Mirjam gegenüber. Mose fühlt sein Tun durch Gott gedeckt. Aaron findet das Urteil Gottes ungerecht, es treffe ja nur die Mirjam und zwar ganz brutal. Mirjam ist voller Wut und Zorn und schimpft über diesen grausamen Sexismus. Das Volk ist schockiert, ein Teil ist sitzengeblieben und hat keine Hand gerührt, der andere Teil bedauert jetzt, am Hinauswurf mitgewirkt zu haben. Gott hält sich ruhig.

3. Die Beurteilung der Rolle Gottes innerhalb des Textes
Die Rolle Gottes bei der Erprobung Abrahams rief bei weitem nicht die Empörung hervor wie die Rolle Gottes in dieser Geschichte. Eine Teilnehmerin schrieb mir Tage später diesbezüglich noch in einem Brief: »Ich glaube, ich werde es nie vergessen, wie die Mirjam vor Verzweiflung und Angst geschrien hat, als wir sie aus dem Lager rauswerfen sollten. Solche Eindrücke und Erfahrungen, denke ich, prägen sich tief in mein Bewusstsein.«
Bedrückend wurde empfunden, wie Gott seine Auserwählten sichert, wie Meuterei gegen heilige Männer im Namen Gottes unterbunden wird, wie frauenfeindlich und sexistisch dieser Gott ist, wie schnell er zu Sanktionen bereit ist und wie grausam diese sein können. Vom Standpunkt Jesu aus sei dies eine »gotteslästerliche Geschichte«.

4. Die Konsequenzen aus der Arbeit mit dem Text
Die Arbeit machte neugierig, wo und unter welchen Umständen in der Bibel Menschen »rausgeworfen« werden. Es ist überraschend, wie viele Ablehnungstexte sich sowohl im Alten wie auch im Neuen Testament finden lassen. Der Text führte dann weiter zur Frage nach den »Göttern« der Gegenwart und ihrem Umgang mit den Menschen.

 

Aus: Lorenz Zellner: „Gottestherapie“

 

 

 

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