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Leseprobe aus „Sinnvoll leben“ (Manfred Hanglberger):
Wer begonnen hat, die wesentlichen Fragen (nach dem Sinn des Lebens) zuzulassen, der wird entdecken, dass die entscheidenden Antworten auf diese Fragen in keinem Lehrbuch und in keinem Lexikon zu finden sind. Denn die Antworten auf die wesentlichen Fragen müssen aus der eigenen Lebensgeschichte heraus gefunden werden. Sie erfordern ein aufmerksames Bedenken und Wahrnehmen des eigenen Weges, den man bisher zurückgelegt hat, sie erfordern ein Bei-sich-Sein und das Bemühen, sich selbst umfassend zu bejahen und das eigene Wesen tiefer zu verstehen. Die Antwort, die man auf die Sinnfrage des eigenen Lebens findet, hat keinen abschließenden, sondern einen prozesshaften Charakter, einen Weg-Charakter. Deshalb ist die Antwort nicht in erster Linie ein theoretischer Satz, sondern ein praktischer Lebensvollzug. Denn wenn es beim Lebenssinn um Werte geht, dann kann eine Antwort auf die Frage nach dem Lebenssinn nur in der Werteverwirklichung bestehen. Da uns aber Werte überzeugend nur in Form von Werteerfahrungen zugänglich sind, geht es darum, solchen Erfahrungen auf der Spur zu bleiben. Da Werte nicht von uns erfunden, sondern als vorhandene Sinndimension der Wirklichkeit unseres Lebens und der Realität, die uns umgibt, wahrgenommen werden können, erfahren wir sie als den „Schatz im Acker“, als etwas, auf das man plötzlich stößt, aber das es sich auch anzueignen und zu verwirklichen gilt. Aufgrund seines Weg-Charakters ist der Lebenssinn und ist der Sinn aller wesentlichen Werte sowohl das Ziel, auf das wir zugehen, und gleichzeitig immer in der Gegenwart des jetzigen Weges enthalten. Jesus hat es so formuliert: „Das Reich Gottes ist nahe.“
Eine Frau, die sich auf die wesentlichen Fragen des Lebens eingelassen hatte, erzählte mir: „Durch Ihre Vorträge, Familienaufstellungen und Bücher haben Sie bei mir eine Kugel angestoßen. Und diese Kugel hat begonnen zu rollen und sie rollt und rollt und rollt immer weiter. Immer wieder neue Gedanken, die mir weiterhelfen, tauchen in mir auf, immer neue Erfahrungen, die ich nun sehr aufmerksam bedenke, weiten meinen Horizont.“ Die eigene Antwort auf die Sinnfrage besitzt zwar einen gewissen absoluten Charakter, ist aber gleichzeitig immer auch etwas Vorläufiges, das einer weitergehenden Verwirklichung und noch umfassenderen Wahrnehmung bedarf. Wer die Antwort auf die Sinnfrage für sich gefunden hat, entwickelt eine geistig-seelische Wachheit, wie sie ein Wanderer in einem unbekannten Gebiet besitzt. Er achtet sehr darauf, wohin dieser augenblickliche Wegabschnitt führt, nimmt aber gleichzeitig die Schönheit der Landschaft wie auch ihre Beschwerlichkeiten und Hindernisse wahr und reagiert wohlüberlegt auf sie. Auf dem Weg begegnen einem auch Menschen, manche kreuzen den Weg nur mit einem kurzen Gruß, andere werden Wegbegleiter für einen gewissen Abschnitt der Wegstrecke. Manche sind vertraut mit dieser Wegstrecke und können einem manches Hilfreiche erklären, manche brauchen selbst ein gutes Wort oder eine Unterstützung für die Last, die sie gerade schleppen. Andere werden aufmerksam für die Weite der Landschaft, auf die man sie hinweist und die man selbst dankbar genießt. Manche Wegstrecken sind dicht bevölkert mit Menschen und Transportfahrzeugen, sind erfüllt von Lärm und Getriebe. Viele Wegbegleiter haben nur sehr kurzfristige Ziele und interessieren sich nicht für den Ursprung des Weges, auf dem sie sich befinden, und auch nicht dafür, wohin der Weg eigentlich führt. … Manchmal entdecken wir, dass wir in unserem Bemühen um ein werteorientiertes Leben auf Unverständnis, auf Kopfschütteln, vielleicht auch auf spöttisches Lächeln von Mitmenschen stoßen. Wer sich um die wesentlichen Fragen des Lebens bemüht, kann sich plötzlich isoliert und einsam vorkommen. Vielleicht erscheint man anderen als Sonderling, der sich ständig mit Fragen beschäftigt, die anderen lästig und mühsam sind, vor allem, weil sie sich sonst in den Grundmustern ihrer Lebensgestaltung in Frage gestellt fühlen würden, und die deshalb lieber den bequemeren Weg gehen und diese Fragen verdrängen. Aber auch umgekehrt erleben Menschen, die sehr bewusst leben, dass sie die banale Oberflächlichkeit der Gesprächsthemen in gesellschaftlichen Kreisen, in denen sie bisher verkehrten, anödet. Sie spüren genau, dass diese Gespräche sie geistig-seelisch nicht weiterbringen. Sie empfinden schmerzhaft die verlorene Zeit, die sie in solchen Kreisen verbringen. Besonders junge Menschen, die dies das erste Mal erleben, leiden oft sehr darunter. Wie formulierte es eine Jugendliche: „Ich fühle mich wie von einem anderen Planeten. Irgendwie gehöre ich hier nicht dazu. Ich habe den Eindruck, was mich bewegt und intensiv beschäftigt, das interessiert keinen oder es versteht keiner. Und das, worüber die anderen stundenlang reden, sich mit Blödeleien witzig machen, das ödet mich an, das bringt mir überhaupt nichts. Ich kann mit diesen Leuten nichts mehr anfangen.“ Aber viele, die sich selbst mit ihrer Sensibilität und seelischen Anspruchshaltung nicht untreu geworden sind, treffen nach einiger Zeit immer wieder Menschen, bei denen sie eine gemeinsame Ebene des Suchens und Fragens entdecken und mit denen sie einen faszinierenden Gedanken- und Erfahrungsaustausch pflegen können. Es ist oft sehr bewegend und schafft eine starke seelische Verbundenheit, wenn man einen Menschen findet, dem man sehr persönliche Erfahrungen mit den Grenzfragen des Lebens mitteilen kann. Da spürt man, was es bedeutet, einander in das seelische Haus hineinschauen zu lassen, ohne Arroganz und Angeberei, ohne Angst vor bewertenden Blicken und Gedanken, ohne Angst vor den Unterschieden, ohne Angst vor vereinnahmenden Verhaltensweisen und besserwisserischen Kommentaren.
Das Leben hat so viele Dimensionen und die sinngebenden Werte sind mit so vielen Bereichen des Lebens vernetzt, dass es mutlos machen kann, wenn man meint, man müsse von heute auf morgen den umfassenden Sinn des Lebens erkennen und verwirklichen. Deshalb ist es wichtig, an dem Punkt anzufangen, den einem das Lebensschicksal – oder das eigene Unbewusste – überraschend anbietet. Jemandem läuft eine Katze zu, die offensichtlich Futter braucht, und diese Katze erzieht ihn langsam aber konsequent zu einem großen Tierschützer. Wer wach geworden ist, sieht manchmal eine solche Vielfalt von Problemen, für deren Lösung man sich engagieren könnte, dass er in Stress gerät oder Verzweiflungsgefühle entwickelt, weil man als Einzelner so wenig auszurichten vermag. Es ist wichtig, mit großer Aufmerksamkeit und Liebe sich auf ein „Thema“ zu konzentrieren. Später können auch noch andere Themen dazukommen. Aber es ist wichtig, immer wieder in das eigene Haus der Seele zurückzukehren und zu schauen, ob man noch in rechter Weise mit Gelassenheit und Liebe in sich selbst wohnt. Nicht, dass es uns geht, wie Mitarbeiter der Telefonseelsorge von Daueranrufern berichten, die in ihren Problemformulierungen ständig von Thema zu Thema springen und einer intensiven Auseinandersetzung mit einem einzigen Thema ausweichen, die also zeigen, dass sie auf der Flucht vor sich selbst sind. …
Das
menschliche Leben ist auf Ganzheitlichkeit angelegt … Geografische Ganzheitlichkeit Personale Ganzheitlichkeit Biografische Ganzheitlichkeit Systemische Ganzheitlichkeit Innerpsychische Ganzheitlichkeit Ökologische Ganzheitlichkeit Geschichtliche Ganzheitlichkeit
Ähnlich ist es mit dem Phänomen der Originalität des eigenen Lebens. Diese Originalität immer besser wahrzunehmen, zu verstehen und zum Ausdruck zu bringen, ist ein Suchen und bewusstes Hineinwachsen in die vielfältigen Dimensionen unseres eigenen Wesens, in die Abgründe unserer Gefühlswelten, in die Möglichkeiten unserer Kreativität. Deshalb ist das Leben grundsätzlich eine geistig-seelische Suchbewegung, in dem es um geistig-seelisches Wachstum geht. |
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