Schuldzuweisungen gegenüber den Eltern verschlimmern die Konflikte |
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Das Problem traditioneller
Therapie: Traditionelle Therapie sucht gewöhnlich
nach traumatischen Belastungen in der Kindheit: Dann sind immer die Eltern
die Schuldigen, weil die Kinder von den Eltern total abhängig waren und von
ihnen geprägt und beeinflusst wurden! Manche verstärken deswegen ihre
Schuldzuweisungen und dadurch auch ihre Kraftlosigkeit und
Handlungsunfähigkeit. Man wird blind für die eigene Verantwortung und für den
eigenen Anteil am Problem: Solche Schuldzuweisungsmuster haben in
Familien nicht selten eine Tradition, die sich durch mehrere Generationen
durchzieht. Nicht zuletzt deshalb, weil Schuldzuweisungen eines Erwachsenen
gegenüber einem Elternteil oft dazu führen, dass man unbewusst diesem
abgewerteten Elternteil immer ähnlicher wird. Viele Familientherapeuten glauben, dass
dies dadurch geschieht, weil unser Unbewusstes die Eltern lieben und achten
will. Wenn jemand dies durch sein Sprechen und Verhalten verweigert, beginnt
sein Unbewusstes durch Nachahmung und Schicksalswiederholung die
Verbundenheit zu den Eltern zu pflegen. Wer Vater oder Mutter langfristig
beschuldigt oder abwertet, drängt unbewusst ein eigenes Kind in die
Solidarität mit der Oma (bzw. dem Opa) und öffnet dadurch diesen die Tür für
Einmischungsversuche. Denn Kinder versuchen immer die
Verwandtschaft zusammenzuhalten und solidarisieren sich (oft unbewusst durch
Gefühlsübernahmen) mit den Ausgegrenzten in der Verwandtschaft und verhalten sich
dann wie Stellvertreter von Oma bzw. Opa gegenüber ihren eigenen Eltern und
werden dadurch unerziehbar. Enkelkinder können auch deshalb Oma oder
Opa mehr gehorchen als den Eltern und ihnen besonders zugetan sein, wenn
diese Großeltern seelische Schmerzen und Enttäuschungen in sich tragen.
Solche Belastungen können von Enkelkindern wahrgenommen werden, die sich dann
als Tröster und Helfer zur Verfügung stellen. Dies besonders, wenn Großeltern
die Enkelkinder verwöhnen und regen Kontakt mit ihnen pflegen, um diese als
Tröster an sich zu binden. Wenn aber Eltern versuchen, ihre Kinder dem
Einfluss der Großeltern zu entziehen, indem sie die Großeltern abwerten,
entsteht oft bei einem Enkelkind eine unbewusste Solidarität mit Oma oder
Opa. Dies kann dazu führen, dass dieses Kind mit dem Leben schwer zurechtkommt,
weil es unbewusst von den Gefühlen der Großeltern belastet ist. Diese fremden
Gefühle empfindet das Kind oft sehr verwirrend, weil es sie nicht versteht.
Solche Kinder machen den eigenen Eltern oft große Schwierigkeiten – manchmal
wirken sie für die Eltern als unerziehbar. Viele ADHS-Kinder sind nach meiner
Erfahrung von dieser Konfliktstruktur belastet. Familientherapie: Wie sucht die Familientherapie
Schuldzuweisungen zu vermeiden? 1. Drei Generationen
anschauen 2. Vorrangig die Fakten
bedenken statt Verhaltensweisen und Charaktere Die Familientherapie bedenkt vorrangig die persönlichen
und gesellschaftlichen historischen Fakten der beteiligten Personen.
D.h. sie fragt zuerst nach den schicksalhaften Belastungen und Überforderungen
der Vorfahren und bedenkt, wie diese sich auf deren Verhalten und
Lebenseinstellungen (Wertesysteme) ausgewirkt haben. Oft führten die
damaligen Zwänge zu Verhaltensweisen, die für damals als Problemlösungen
gedacht waren, aber wieder neue Verletzungen und Probleme verursacht haben. Wer die Schicksalsschläge und seelischen
Verletzungen eines Menschen kennt, wird mehr Verständnis für seine
problematischen Verhaltensweisen aufbringen – und er erkennt: es gilt, sich
besser abzugrenzen und sich zu schützen vor dessen negativen
Verhaltensweisen. Wer sich zu schützen weiß und seine Verletzungen aus der
Kindheit bearbeitet, kann auf Schuldzuweisungen verzichten und konsequent
Verantwortung für seine Probleme selbst übernehmen. 3. Symbiotische Beziehungen
erkennen und auflösen Hinter Schuldzuweisungen stehen oft die
vergeblichen und enttäuschten Bemühungen, als Kind einem Elternteil seelisch
beizustehen. Kinder, die auf solche Weise ihre eigene Kindheit ein Stück
geopfert hatten, haben oft Probleme damit, später für sich selbst gut zu
sorgen. Sie haben gelernt, andere Menschen wahrzunehmen und ihnen
beizustehen, aber nicht so sehr, sich selbst zu spüren und die eigenen
Interessen zu vertreten. Manche Eltern sehen später diese Probleme
und versuchen, dem (erwachsenen) Kind beizustehen und mischen sich dann stark
in dessen Leben ein, manchmal auch in dessen Kindererziehung. Solche
erwachsenen Kinder sind mit ihren Eltern in einer Mischung von starkem
Mitgefühl und Hilfsbereitschaft einerseits und Zorn und Hilflosigkeit
gegenüber deren Einmischung andererseits verbunden. Die liebevolle Zuwendung
und Hilfsbereitschaft ihrer Eltern ist oft mit viel (meist unbewusster)
Verachtung vermischt, die sich in ihrem Verhalten äußert und sehr verletzen
kann. Diese Verachtung entsteht bei den Eltern z.B., weil sie sehen, dass ihr
erwachsener Sohn (bzw. ihre erwachsene Tochter) zu wenig die eigenen
Interessen vertreten kann oder - wegen zu geringer Selbstwahrnehmung – sich
schwer tut, gute Entscheidungen für sich selbst zu treffen. Solche Verachtung kann u.U. auch dadurch
entstehen, weil die Kinder die Prestige-Erwartungen der Eltern z.B. in Form
von Karriere im Beruf, in der Politik, in der Kunst, im Sport usw. nicht
erfüllt haben. D.h. sie haben die Minderwertigkeitsgefühle der Eltern nicht
in der von diesen erwarteten Weise kompensiert. Aber durch Schuldzuweisungen gegenüber den
Eltern wird die symbiotische Beziehung noch verstärkt statt abgebaut, weil
der Sohn (bzw. die Tochter) durch Schuldzuweisungen die eigene Verantwortung
in der Gegenwart zu wenig erkennt und übernimmt. Dadurch verschlechtert man
die eigene Situation, was die Hilfsbereitschaft und damit die
Einmischungsversuche der Eltern meist verstärkt. Hilfen
für den Abbau symbiotischer Beziehungen und für den Abbau von
Schuldzuweisungen: >> Arbeit mit dem inneren Kind
(Körperlich: die Hände auf den Bauch legen): - Das Kind, das man gewesen ist, in der
Bauchregion in sich als noch gegenwärtig wahrnehmen. - Das „innere Kind“ schützen:
Die Hände auf dem Bauch strahlen Zuwendung und Schutz aus. - Die Gefühle des inneren Kindes wahrnehmen und in
sich Raum geben (meist Wut und Tränen). - Diese Gefühle zulassen und
in bewusster Solidarität ausdrücken. - Dann wieder das eigene
Erwachsensein körperlich und geistig wahrnehmen – ohne die Solidarität mit
dem inneren Kind zu verlieren. - Es gilt, die eigene
Kindheit zu betrauern, statt zu versuchen, sie nachzuholen, indem man andere
in eine Ersatz-Elternrolle drängt oder den Eltern oder anderen, von denen man
das Erhoffte nicht erhält, ständig Vorwürfe macht. >>>
Arbeit mit dem inneren Kind >> Symbiose mit den
Eltern abbauen: - Wirtschaftliche und
organisatorische Abhängigkeiten abbauen. - Möglichst wenig oder
nichts von eigenen Problemen und Konflikten erzählen, um hilfsbereite
Einmischungen zu verhindern und um die emotionalen Energien der Eltern, die
vielleicht auf der Flucht vor sich selbst und vor dem Partner sind, nicht auf
sich zu lenken. - Bei Hilfsangeboten der
Eltern sehr darauf achten, dass diese nicht mit Einmischungsversuchen
gekoppelt sind, ansonsten die Hilfe ablehnen. - Bei einer
Hilfsbedürftigkeit der Eltern nicht zu oft selbst helfen, sondern deren
Hilfsbedürftigkeit kritisch prüfen und wenn möglich Hilfe organisieren, statt
selbst zu helfen (um sich von der eigenen überaktiven Helferrolle zu
verabschieden). - Die Eltern in ihrem
Anderssein achten, die Unterschiede bewusst wahrnehmen; ebenso das eigene
Anderssein bewusst wahrnehmen und den Unterschied (das
Nicht-verstanden-werden) respektieren. - Als Hilfe dazu:
Biographie von Vater und Mutter aufschreiben: >>> - Mitgefühl für deren
Schmerzen aufbringen, - ihr Wertesystem bewusst
wahrnehmen, - den Unterschied zum
eigenen Wertesystem bedenken und achten (den „seelischen Abgrund des
Nicht-verstanden-werdens“ wahrnehmen, achten und aushalten), - das eigene Leben bewusst
von den Eltern annehmen (sich als Empfangender und die Eltern als Gebende
wahrnehmen und achten – möglichst auch durch körperliche Gesten), - die Existenz der Eltern im
eigenen Körper und in der eigenen Psyche wahrnehmen und akzeptieren. Dort den
Eltern in sich einen angemessenen Platz zuweisen (weder Herrschaftssitz noch
Rumpelkammer). >> Wie die Kinder
schützen? -
Eltern schreiben Lebensläufe der Großeltern
und machen Foto-Zusammenstellungen über sie, um den Kindern deren
Lebensschicksal näher zu bringen. Das bewusste gemeinsame Mitgefühl und die
Achtung vor dem Schicksal der Großeltern verhindern eine selbstzerstörerische
unbewusste Solidarisierung der Enkelkinder mit ihnen und eine Koalition der
Großeltern mit den Enkelkindern gegen die Eltern. -
Ritus (Ein Beispiel): „Der Tränen-See“
>>> -
Bei getrennten Eltern hilft der eine Elternteil den Kindern, das
Leben vom anderen Elternteil bewusst anzunehmen (ihn als Mittler der Natur
für das eigene Dasein zu achten), um zu verhindern, dass Großeltern zu stark
eine Vater- (bzw. Mutter-) Ersatzrolle übernehmen und sich dann sehr stark in
die Familie einmischen. Wie Indianer das Problem sehen und angehen:
|
Zusammenstellung von Manfred Hanglberger (www.hanglberger-manfred.de) |
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Hintergrund-Infos in: >>> Geschwisterstreit –
Streit in der Verwandtschaft >>>
Partnerschaftskonflikte (Psychodynamische Hintergründe und Lösungsvorschläge) >>>
Gebet für Kinder von getrennten Eltern >>> „Die
Geburt des ICH - Wie die Seele zur Welt kommt“ (Buch-Info) >>> „Wenn
Liebe Leiden schafft“ (Buch-Info) >>> „Der
sinnvolle Umgang mit Schuldgefühlen“ (Buch-Info) >>>
Ehe- und Familien-Pastoral |