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Das traditionelle christliche Glaubensverständnis

(wie es sich weitgehend im Bewusstsein der Gläubigen der Katholischen

Kirche bis in unsere Zeit durchgesetzt hat)

 

Das alte Bild von Natur und Welt einerseits und gesellschaft-liche Erfahrungen von Autorität und Herrschaft andererseits prägten die Vorstellungen von Gott und von seinem Wirken in der Welt:

 

l Weltvorstellung:

Man glaubte, die Welt sei vor rund 6.000 bis 8.000 Jahren von Gott so erschaffen worden, wie sie jetzt vorfindbar ist.

   = statisches Weltbild

Problem: Warum gibt es Naturkatastrophen, Krankheiten, Leid und Schmerz und den Tod, wenn der Schöpfer und Herrscher der Welt ein weiser und liebender Gott ist?

Die alte Antwort:

     Das muss alles Strafe sein – aber für welches Vergehen?

Die alte Antwort:

Das schlimmste und grundsätzliche Vergehen von Untertanen war immer Ungehorsam, Widerspenstigkeit, Aufsässigkeit, Rebellentum, Paktieren mit den Feinden des Herrschers.

Also müssen bei so viel erlebter aktueller „Strafe“ die

Menschen von Anfang an Gott, den Herrscher und Lenker der

Welt, mit solchen Sünden schwer beleidigt und erzürnt haben.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

l Vorstellung von Gott:

Gott sei ein allmächtiger Lenker und Steuerer aller Naturkräfte und Naturereignisse, nichts in der Natur geschehe ohne seinen Willen. 

Gott sei ein Herrscher, der ähnlich weltlichen Herrschern

Zeichen der Unterwürfigkeit, der Treue und Hörigkeit der Menschen will,

der Opfer und Abgaben der Menschen beansprucht, der sich verehren, lobpreisen und anbeten lassen will,

der will, dass die Menschen ihm dienen, sich vorbehaltlos

ihm ausliefern und bedingungslos gehorchen,

der eifersüchtig die Treue seiner Untertanen auf die Probe

stellt,

der hart die Untreue der Menschen bestraft und unter

Umständen lange Zeit erzürnt und beleidigt sein kann.

 

l Das Menschenbild:

Der Mensch sei der Untertan und Diener Gottes, zu Gehorsam, Treue und Dienstbereitschaft verpflichtet.

    Die Versuchung der Untertanen:

Auch Herrscher sein zu wollen, wenigstens über andere

Menschen oder Geschöpfe herrschen zu können und damit Gott ähnlicher zu werden oder selbst wie Gott zu sein, denn offensichtlich ist Herrschaft das wahrhaft Göttliche und letztlich Sinnvolle.

Die Untertanen-Rolle abzulehnen bedeutet, ein verstecktes Rebellentum in sich zu tragen.

So gibt es einen grundsätzlichen Neid der Menschen gegenüber Gott und die Menschen vermuten den "Neid der Götter" gegenüber erfolgreichen und glücklichen Menschen.

Wer aber demütig, gehorsam und unterwürfig seine Unter-tanenrolle spielt, werde später von diesem Herrschergott großmütig belohnt werden.

Wenn Gott dem Menschen den Weg zur Herrschaft ver­sperrt, versucht der Mensch unter Umständen sich mit gott­feindlichen Mächten zu verbünden, um ans Ziel zu gelangen.

Man glaubte, der Mensch sei in Gefahr, auf Versprechungen von Gottes Widersacher hereinzufallen.

Genau dieses Verhalten wird als die schlimme Ursünde des

Menschen vermutet, die als Ursache gesehen wurde für die vielfältige Bestrafung des Menschen durch Gott, die man in allem Leidvollen in der Welt zu erkennen glaubte.

  

l Das Hauptproblem des Menschen

Er ist ein Sünder! Seine schlimmste Sünde:

Er ist ungehorsam und widerspenstig gegenüber Gott, er möchte sein wie Gott und nicht dienen, sondern herrschen.

Er paktiert mit dem Widersacher Gottes, dem Satan; damit hat er Gott, seinen Schöpfer und Herrn schlimm beleidigt.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

l Die Reaktion Gottes

Er vertreibt die Menschen aus seinem Gottes-Reich, dem Paradies und verschließt beleidigt seine göttliche Welt für Jahrtausende und ist für den Menschen nicht mehr zugänglich.

Als Strafe müssen die Menschen mit schwerer, mühevoller Arbeit (Disteln und Dornen) ihren Lebensunterhalt verdienen.

Die Frau wird mit Wehen die Kinder gebären und bei der Feldarbeit von Schlangen bedroht sein.

Auch der leibliche Tod sei grundsätzlich eine Strafe Gottes für die menschliche Ur-Sünde.

Die Sünde der Menschen war mächtiger als die Liebe Gottes, sie konnte Gottes Liebe aus der Welt verdrängen und dem Satan das Tor zur Welt öffnen, so dass dieser seitdem die Welt beherrscht.

Nur wo die Kirche seit dem Tod Jesu am Kreuz mit ihren Sakramenten wirkt, gibt es wieder Heilsräume göttlichen Wirkens in der Welt.

 

l Die Welt als Bestrafungs- und Prüfungsfeld Gottes

Weiterhin sind Naturkatastrophen und alles Leidvolle in der Welt entweder Strafaktionen Gottes für den anfänglichen, wie auch für den immer neuen Ungehorsam der Menschen (Sintflutgeschichte, Turmbau von Babel, Ägyptische Plagen, usw.) oder sie sind Prüfungen für Glauben, Gehorsam und Unterwürfigkeit des Menschen.

 

 

 

 

 

 

 

l Altes Erlösungsverständnis

Nach Jahrtausenden schickt Gott seinen Sohn, der in vorbildlicher Weise, stellvertretend für den Menschen, Gott gegen-über gehorsam ist, sich vorbehaltlos seinem Willen unterwirft und sich in einem grausamen Opfer am Kreuz dem Vater als Sühnopfer darbringt, um seinen Zorn gegenüber den Menschen zu versöhnen.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

l Die Aufgabe des Menschen

Der Mensch soll demütig und gehorsam alles glauben und

     befolgen, was die Kirchenleitung im Auftrag Gottes zu glauben

     und zu tun befiehlt.

Er soll sich mit guten Werken den Himmel verdienen.

Mit Opferbereitschaft und durch Einhaltung der Gebote soll er

    Gott gnädig stimmen.

Durch Werke der Buße soll er sich mit Gott versöhnen.

 

 

 

 

 

 

 

 

Zusammenfassung

 

è Der Mensch ist ein Prüfling

è Die Welt ist ein Testgelände

è Gott ist ein Menschentester

è Das Leben des Menschen ist eine Bewährungszeit

 

 

 

 

Ein zeitgemäßes christliches Glaubensverständnis

(das die Erkenntnisse von Naturwissenschaft, Psychologie und Gesellschaftswissenschaften des 20. Jahrhunderts mit bedenkt)

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

l Weltvorstellung

(Naturwissenschaftliche Daten und religiöse Deutungen)

Die kosmische Welt sei vor 13,8 Mrd. Jahren im Geheimnis des Urknalls entstanden,

- die Erde vor rund 4,6 Mrd. Jahren

- das Leben vor rund 3,5 Mrd. Jahren

- der Mensch vor rund 2 – 3 Mill. Jahren aus der Tierwelt

= dynamisches, evolutives Weltbild

 

Naturkatastrophen sind die Auswirkungen z.T. gewaltiger Naturkräfte, die in ihrer Eigenständigkeit von niemand bewußt gesteuert sind und somit keine Absichten und keinen "Sinn" verfolgen (keine Strafe oder Prüfung durch Gott).

Der Mensch, der solchen Naturkatastrophen ausgeliefert ist, hat Sinne und Verstand, um zu lernen, wie er sich vor widrigen Naturkräften schützen kann.

Die Natur ist für den Menschen "Mutter", Lebensspenderin, Nährerin

- aber auch eine bedrohliche, todbringende Lebensverschlin­gerin.

Es gibt in der Natur und ihrem langen Entwicklungsweg eine (göttliche) "innere Tendenz" zum Leben, zum Bewusstsein (zum Menschsein), zu umfassender Liebe und Verantwortungsbereit-schaft.

Freilich kann der Mensch auch durch Verantwortungslosig­keit und Unwissenheit sich und andere schädigen - dies ist aber nicht als Strafe Gottes zu verstehen.

"Gott straft nie" (Zitat aus einem Vortrag von A.Keller im Radio Vatikan)

 

l Vorstellung von Gott

Gott lenkt die Welt nicht (allmächtig) äußerlich, sondern wirkt als Seele in allen Dingen, als gewaltlose, innere Tendenz zum Positiven.

Er ist zwar in vielen Situationen ohnmächtig, aber langfristig wird sich sein Geist umfassender Lebensbejahung und Liebe in den Herzen der Menschen und in der Welt durchsetzen.

Jesus verkündet Gott als liebenden, mütterlichen Vater, der will, dass seine Kinder sich freuen zu leben und gut miteinan­der und mit der Schöpfung umgehen lernen.

Gott ist die Quelle der Lebensbejahung und aller positiven Kräfte, die der Mensch entdecken und in sich aufnehmen soll.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

l Das Menschenbild

Der Mensch versteht sich als unbedingt geliebtes Kind Gottes. Gott gönnt ihm von Herzen das Leben und die Welt.

Gott will, dass der Mensch seine Sinne, seinen Verstand und sein Gewissen gebraucht, um das Leben und die Natur immer besser zu verstehen und liebevoll, verantwortungsvoll und selbstbewusst leben zu lernen.

Gott will, dass der Mensch zu einem gesunden Selbstver­trauen findet, sich und seine Talente erkennen lernt, mündig und eigenver-antwortlich handelt und Mitgefühl und Sorge für die Mitmenschen und die ganze Schöpfung entwickelt.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

l Das Hauptproblem des Menschen

Er ist für sich selbst ein unbegreifliches Wesen,

er versteht sich oft selbst nicht,

hat Angst, nur vergänglich, unwichtig zu sein, nicht beachtet und geachtet, nicht liebenswert zu sein;

er ist oft unsicher, schwach, unwissend und verletzend.

Durch sein Geborensein und Heranwachsen erkennt der Mensch nicht automatisch den Wert und Sinn seines Daseins sondern muss ihn erst durch mühsames inneres Ringen und    Suchen ("Inneres Hören") entdecken.

Dieses Suchen ist oft von Angst und Fehlverhalten begleitet. Diese Bewusstwerdung ist für den einzelnen Menschen und für menschliche Kulturen ein oft langwieriger seelischer Reifungs- und Entwicklungsprozess (Aufwach-Vorgang, Prozess der Bewusstwerdung, der seelischen Blinden-Heilung).

Die Hauptursache für seine Sündigkeit liegt nicht im Ungehorsam, sondern in seiner Angst, nichts wert zu sein und in seiner seelischen Blindheit und Unsicherheit.

Außerdem erlebt sich der Mensch oft hilflos und ohnmächtig gegenüber widrigen Naturkräften, Krankheiten und inneren Gefühls-zuständen und ausgeliefert den Aggressionen von Mitmenschen und ungerechten gesellschaftlichen Verhältnissen. Auch dies raubt viel Kraft der Liebe und der Lebensbejahung und verleitet zur Anpassung an das übliche gefühllose und lieblose Verhalten.

 

 

 

 

 

 

l Die Reaktion Gottes

Gott wollte durch Jesus Christus den Menschen ihren Wert, ihre einzigartige Würde und ihre Fähigkeit, einander ernst zu nehmen, einander anzunehmen, einander Mitgefühl und Hilfsbereitschaft zu zeigen, bewusst machen ("offenbaren"),

Er zeigt sich in Jesus mit den Menschen mitfühlend und solida-risch, er liefert sich selbst der Eigendynamik seiner Schöpfung aus und steht an der Seite des Menschen seiner Schöpfung gegenüber.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

l Die Welt

Die Welt ist dem Menschen anvertraut als Lebens- und Ent­faltungsraum. Er soll sich eins wissen mit der Welt und in liebender und verantwortungsvoller Weltgestaltung hinein­wachsen in den Lebenszusammenhang der ganzen Schöpfung, in der Gott verborgen gegenwärtig ist und sich dem Menschen mitteilt.

In Jesus Christus wird die Hinwendung und Einswerdung Gottes mit der Welt offenbar; diese Hinwendung zur Schöpfung soll der Mensch in seiner Lebensgestaltung nach-vollziehen.

Ziel der kosmischen Weltgeschichte ist die Vollendung der Schöpfung, nicht die Flucht aus der Welt in den "Himmel".

Das "Jenseits" ist die seelische Tiefendimension der Schöpfung.

 

 

 

l Erlösungsverständnis

Durch die Liebe Gottes, die durch Jesus dem Menschen erfahrbar wurde (und noch heute werden kann), wird der Mensch erlöst aus der Angst, nichts wert zu sein, und aus der Hilflosigkeit, sich und den Wert seines Daseins zu begreifen.

Dieses Geliebt-sein gilt es aber, bewusst anzunehmen (zu glauben) und die eigene Berufung, den eigenen Lebenssinn, den Wert des eigenen Daseins gilt es, in einem oft langen Weg der Selbsterkenntnis zu finden.

Im Sterben Jesu am Kreuz wird sichtbar, dass der Mensch in Leid und Tod von Gott gehalten und über den Tod hinaus in Gott bewahrt bleibt.

Das Kreuz offenbart, dass die Liebe, mit der Gott den Menschen erfüllt, wenn er sich ihm anvertraut, mächtiger ist als der Hass, das Unrecht, die Sünde, die Verachtung und die Angstmachereien der Menschen.

 

l Die Aufgabe des Menschen

Bemühen um Selbst-Erkenntnis.

Bemühen um Welt-Verständnis.

Das Leben vom Ursprung her, von Gott her annehmen und

     bejahen.

Die Quelle der lebensbejahenden Kräfte (Gott) entdecken und offen werden, um diese Kräfte in sich zur Wirkung kommen zu lassen.

Liebevoll und verantwortungsvoll mit der Schöpfung umgehen. 

Für ein gerechtes, friedvolles, tolerantes, kreatives Zusammen-

    leben der Menschen eintreten.

Unrecht, Entwürdigungen, Abwertungen, Unterdrückung aufdecken und beseitigen.

Die Wege wahrer Menschlichkeit aufzeigen: Personalität, Subsidiarität, Solidarität, Gewaltlosigkeit) 

 

 

Zusammenfassung:

 

èDer Mensch ist "Kind Gottes" und sein „Ebenbild“.

èEr ist berufen zum "Erben Gottes" und zum "Erben des Alls".

èEr soll seelisch reifen und erwachsen werden - auch vor Gott.

èSeelische Reifung weckt das Bewusstsein der eigenen Würde (einer absoluten, „göttlichen“ Werthaftigkeit), der eigenen Freiheit, der eigenen Einzigartigkeit und Eigenverantwortung.

 

èSeelische Reifung weckt ein tiefes Verbundenheitsgefühl mit anderen Menschen und ein umfassendes Dazugehörigkeitsgefühl zum Ganzen der Lebens- und Schicksalsgemeinschaft der Schöpfung.

 

 èSeelische Reifung weckt ein universales Mitgefühl und eine

     universale Verantwortungsbereitschaft.

 

Manfred Hanglberger (www.hanglberger-manfred.de)



Natürliche Angsterfahrungen auf dem Weg der Ich-Entwicklung können durch entmündigende und einschüchternde Glaubensvorstellungen übermächtig werden und seelische Reifungsprozesse blockieren. Eine Lösung solcher Blockaden erfordert eine Verabschiedung veralteter Glaubensmuster. Gute Verabschiedungen gelingen aber nur, wenn dadurch kein weltanschauliches Vakuum oder ein religiöser "Scherbenhaufen" zurück bleibt, sondern seelisch tragfähige und zeitgemäße Alternativen anstelle der alten Vorstellungen entwickelt werden können.

Solche Verabschiedungsprozesse sind übrigens für viele seelische und gesellschaftliche Reifungsvorgänge notwendig. Dabei ist es wichtig, das Alte nicht einfach wegzuschneiden, abzuwerten oder zu verdrängen, sondern es gilt, auch die positiven Wirkungen des Bisherigen anzuerkennen, das bleibend Gültige zu bewahren und in das jeweilige Heute hinein neu zu formulieren.

Die oben stehende Gegenüberstellung von "traditionellem" und "zeitgemäßem" Glaubensverständnis soll für einen Verab­schiedungsprozess im religiösen Bereich eine Hilfe sein. Der Verfasser ist sich der sehr plakativen und vereinfachenden Darstellungsweise der hier aufgeführten Glaubensmuster bewusst. Aber in therapeutischen Prozessen ist eine solche krasse Gegenüberstellung oft notwendig, um einen Verabschiedungsprozess in Gang zu bringen. Und andererseits finden wir ähnlich plakative antithetische Darstellungen auch in einigen Gleichnissen Jesu, wie sie in den Evangelien berichtet werden. Auch dort geht es jeweils um die Verabschiedung veralteter Glaubens- und Moralvorstellungen.

 

Manfred Hanglberger

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