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Maria – eine Einladung, „weiblich zu glauben“?

 

Maria: Barmherzigkeitsersatz wegen Angst machendem Gottesbild

 

Viele Jahrhunderte lang glaubte man bei Gott selbst kaum eine Chance zu haben, in den Himmel zu kommen. Aber Maria, als Mutter des göttlichen Sohnes, könne Gott „gnädig“ stimmen und uns den Weg zum Himmel öffnen. Deshalb galt bei vielen das Rosenkranzgebet als wertvoller als viele sonstige Gebete, denn im Ave Maria flehen wir Maria an: „Bitte für uns Sünder, jetzt und in der Stunde unseres Todes.“ Eine gute Beziehung zu Maria galt als beste Gewähr für die Erreichung des Ewigen Heils. Deshalb die Wichtigkeit der Marien-Frömmigkeit und der Sichtweise Mariens als Fürbitterin bei Gott in früheren Zeiten.

Genau dies jedoch lehnen die evangelischen Christen ab, da zur Zeit Luthers in der Katholischen Kirche ein arger Missbrauch mit Marien-Kulten betrieben wurde; denn diese war lukrativ sehr interessant.

Aber nicht nur weil Maria wirtschaftlich „missbraucht“ wurde, entstand eine kritische Haltung gegenüber der Marienfrömmigkeit, sondern auch weil diese Form der Gläubigkeit verbunden war mit einem extrem strengen und Angst machenden Gottesbild.

Heute ist für viele Christen Maria nicht als Fürbitterin wichtig, sondern als Vorbild im Glauben, als Grundtyp der weiblichen Gläubigkeit, einer weiblichen Sicht der Welt und des Lebens, aber auch einer weiblichen Sicht Gottes, für manche vielleicht sogar als Projektionsfläche für die weibliche Seite Gottes.

 

Maria, die nachdenkliche, die „seelisch arbeitende“ Frau

 

Maria, aber dachte über diese Ereignisse nach“ oder „Maria bewahrte diese Worte in ihrem Herzen“ - so heißt es immer wieder in den Evangelien, wenn von Maria und den Ereignissen in ihrer Lebensgeschichte berichtet wird. Maria ist also nicht als die gehorsame und unterwürfige Frau dargestellt, die „funktioniert“, ohne selbst Ansprüche zu stellen oder ihre Meinung zu sagen, wie es das damalige gesellschaftliche Idealbild von der Frau war, sondern als die Nachdenkliche, die versucht, die Erfahrungen in ihrem Leben zu verstehen und zu verarbeiten. Sie muss mit überraschenden und zum Teil schmerzhaften Ereignissen „fertig“ werden. So wird Maria sichtbar als eine seelisch wache und lebendige Frau, in der „es innerlich arbeitet“.

 

Maria, die mitfühlende, hilfsbereite, die tatkräftige und handelnde Frau

 

Nicht nur seelische Lebendigkeit erscheint in den Marienberichten der Evangelien, sondern auch praktische Hilfsbereitschaft. Sie macht sich auf einen weiten Weg, um ihrer Cousine Elisabeth, die vor der Geburt ihres Sohnes steht, im Haushalt zu helfen. Nicht nur grübeln und beten, nicht nur theologisieren und fromme Gespräche führen, sondern menschliche Sorgen und Hilfsbedürftigkeit wahrnehmen und entsprechend mitfühlend zu handeln, gehört zum Lebensverständnis Mariens. Theorie und Praxis, Glauben und Leben gehören bei ihr ebenso zusammen, wie Kopf, Herz und Hände.

 

Maria, die gesellschaftspolitisch mitdenkende, die prophetische Frau

 

Die Frauen hatten zur Zeit Mariens kein Rederecht und keine Mitsprachemöglichkeit in Politik, Religion und Gesellschaft. Nicht einmal als Zeuginnen in einer Gerichtsverhandlung hatte ihr Wort Bedeutung. Sie waren in jeder Hinsicht entmündigt. „Weibergeschwätz“ heißt es einmal im Evangelium von Seite der Männer.

 

Umso bedeutungsvoller ist es deshalb, wenn im „Magnifikat“ im Lukas-Evangelium Maria als gesellschaftspolitisch mitdenkende und kritische Frau dargestellt wird, die den Hochmut der Mächtigen und der Reichen beim Namen nennt und die in prophetischer Vision ankündigt, dass es Ziel des Handelns Gottes sei, „die Mächtigen vom Thron zu stürzen“ und „die Niedrigen zu erhöhen“.

Seelische Lebendigkeit, liebevolles, solidarisches Handeln und gesellschaftspolitische Visionen verkünden und lebendig halten, werden als drei Grunddimensionen des Lebens einer Frau dargestellt, die sich im Glauben mit Gott verbunden weiß.

 

Maria – ein Vorbild weiblicher Gläubigkeit

 

Die moderne Psychologie und Hirnforschung weiß um die fundamental unterschiedlichen Aspekte der Weltwahrnehmung und der Weltverbundenheit von Mann und Frau. Selbstwahrnehmung und Weltwahrnehmung prägen aber entscheidend die Beziehung des Menschen zu Gott und damit auch das Gottesbild. Andererseits hat die Kirche mit der Bezeichnung Marias als „Gottesmutter“ sie in einen fast göttlichen Rang erhoben.

 

So ist Maria einerseits für Frauen eine Einladung eine Beziehung zu Gott zu entdecken, wie es für eine liebevoll sorgende Mutter angemessen ist, die die seelische Mikrostruktur des Lebens beim Heranwachsen eines Kindes ernst zu nehmen weiß, aber auch als selbstbewusste und gesellschaftskritische Frau sich selbst ernst genommen erlebt.

Andererseits ist Maria für Gläubige, deren Gottesbild durch Angst machende Glaubenserziehung oder durch eine demütigende Vaterbeziehung belastet ist, eine Tür zur weiblichen, mütterlichen Seite Gottes, die die Angst besetzten Glaubensvorstellungen in den Hintergrund zu drängen oder aufzulösen vermag.

 

Manfred Hanglberger (www.hanglberger-manfred.de)

 

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