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„Katholisch“ glauben Wenn wir „katholisch“ hören, denkt wohl jeder an die
„Katholische Kirche“ und versteht unter „katholisch glauben“ entsprechend der
Glaubenslehre dieser größten der christlichen Konfessionen gläubig zu sein.
Aber wenn wir die Kirchengeschichte bedenken, ist es keineswegs so, dass die
Katholische Kirche auch tatsächlich immer „katholisch“ geglaubt hat. Denn was ist mit „katholisch“ im wortwörtlichen Sinne
gemeint? Das Wort kommt aus der altgriechischen Sprache und
ist zusammengesetzt aus „kata“ und „holos“ und bedeutet exakt „betreffend
das Ganze“. Wenn wir zudem bedenken, dass „gläubig sein“ im
Sinne Jesu nicht ein „für wahr halten“ von Glaubenssätzen meint, sondern ein
tiefes Vertrauen darauf, dass Gott uns liebt, uns achtet und uns helfen will,
das Leben sinnvoll und liebevoll zu gestalten, dass wir eigenständig, aber
auch verantwortungsvoll mit unserem Leben und mit der ganzen Schöpfung
umgehen lernen, dass wir zudem durch unser Vertrauen in Gott zu einer
helfenden und heilenden Haltung gegenüber Mitmenschen und Mitgeschöpfen
finden, dann
ist Glaube vor allem eine umfassende Lebensbejahung. Genau
diese umfassende Lebensbejahung ist mit „katholisch“ ausgedrückt. Da das
Leben viele verschiedene Dimensionen besitzt, ist es lohnend, das Wort von
der „umfassenden Lebensbejahung“ entsprechend aufzuschlüsseln: Das „Ganze betreffend“ – können wir im Leben Jesu auf
das „Ganze
der Volksgemeinschaft“ beziehen. Denn verachtete und
diskriminierte Randgruppen und Minderheiten in der Gesellschaft waren Jesus
und auch den Evangelisten ein besonders Anliegen. Ob die Hirten oder die
Steuereintreiber, ob öffentliche Sünderinnen oder Kranke, die als von Gott
Bestrafte betrachtet wurden, – Jesus ging auf solche Menschen zu und holte
sie wieder zurück in die Gemeinschaft der Menschen. Er zeigte: die Liebe
Gottes bzw. die Verantwortung der Menschen bezieht sich immer „auf das
Ganze“. Auch
in seiner Jüngerschar hat Jesus die Gegensätze der
Gesellschaft zusammengeführt: Da
gab es den Zöllner Matthäus, ein Kollaborateur mit den Römern; aber es gab
auch Anhänger und Sympathisanten der jüdischen Freiheitskämpfer, die
versuchten, die verhassten Römer aus dem Land zu jagen. Jesu „katholisches Verhalten“ bezog sich nicht nur
auf das Ganze des Volkes, sondern auch auf das Ganze der Völker, Kulturen und Religionen.
Jesus betrachtete auch einen syrischen General mit Namen Naaman
als einen gläubigen Menschen, ebenso eine syrophönizische
Frau, die sich voll Hoffnung mit der Bitte um Heilung ihrer kranken Tochter
an ihn wandte. Auch das Vertrauen eines römischen Hauptmanns, der Jesus um
Hilfe bittet für seinen kranken Diener, wird von Jesus als Vorbild des
Glaubens den Juden gegenüber gestellt. Die provozierende Gegenüberstellung
der Hilfsbereitschaft eines von den Juden verachteten Samariters mit einem
Priester und einem Priestergehilfen, die an einem Not leidenden Menschen
vorüber gehen, macht deutlich, dass Jesus nicht einteilt, in Juden und
Heiden, in Gläubige und Ungläubige im religiösen Sinn, sondern zeigt, dass
Gott in allen Völkern und Religionen Menschen zum Guten bewegt, dass sich
menschliche Werte wie Vertrauen, Wertschätzung und Hilfsbereitschaft auf die
ganze Menschheit beziehen müssen, also „das Ganze“ betreffend. Katholisch, das „Ganze betreffend“ bezieht sich auch auf die
Gemeinschaft der Menschen mit der übrigen Schöpfung. Die
zahlreichen Bildworte und Gleichnisse Jesu aus der Welt der Pflanzen, Tiere
und Naturelemente lässt uns etwas von seiner Wachheit gegenüber der Schöpfung
spüren, von seinem Bewusstsein der innigen Dazugehörigkeit zur großen
Gemeinschaft allen Lebens der Erde und etwas von der Spiegelung unserer
menschlichen Seele in den Lebensprozessen der Natur. Wenn Jesus von der
Verkündigung der Frohbotschaft an alle Geschöpfe (Mk
16) und von der Vollendung der ganzen Schöpfung (Mt
28) spricht, sehen wir, dass seine lebensbejahende Kraft, seine Liebe, Sorge
und Wertschätzung „dem Ganzen der Schöpfung“ gilt. Das „Ganze“ meint bei Jesus nicht nur die Außenwelt,
sondern auch die
seelische Innenwelt, die in
manchen traditionellen Glaubensvorstellungen von Bewertungen, Ausgrenzungen
und Verdrängungen belastet ist. Bei Jesus wird der Mensch auch mit seinen
Schuldgefühlen und seiner Angst, mit seiner Trauer und seiner Sehnsucht ernst
genommen. Er selbst verheimlicht nicht seine Tränen um seinen verstorbenen
Freund, auch nicht seinen Zorn über entmündigendes, arrogantes Verhalten der
religiösen Führer. Und die Evangelien berichten von seiner heftigen
Todesangst am Ölberg. Was in der therapeutischen Arbeit unserer Zeit so
grundlegend ist, sehen wir bei Jesus schon im alltäglichen Verhalten
praktiziert: Kein Gefühl verteufeln, abwerten und unterdrücken, sondern die Vielfalt der
Gefühle als Ausdruck und Botschaften der Seele verstehen und so
damit umgehen, dass sie weder für uns, noch für andere verletzende Wirkungen
haben, sondern helfen, das Leben tiefer zu verstehen und umfassend
anzunehmen. So
betrachtet liebt uns Gott in „katholischer“ Weise: Er liebt uns als Ganzes,
als Einheit mit unseren Licht- und Schattenseiten. Manfred Hanglberger (www.hanglberger-manfred.de) LINK zum Teilen: https://hanglberger-manfred.de/pb-maerz-2004-kath.htm |
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=> Siehe
auch „Ganzheitlichkeit“ (Ein
anderes Wort für „katholisch“) |
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=> Glaube ist … |