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Todesstrafe: Schuld und das Bedürfnis nach Sühne
Leben Menschen in einer Gemeinschaft, in der man gegeneinander schuldig wird, entsteht ein seelisches Gefälle, in dem das Opfer eine gewisse Macht über den Schuldigen bekommt: Er ist „im Recht“ gegenüber dem, der ihm Unrecht getan hat. Deshalb gibt es natürlich die Angst des Schuldig-Gewordenen vor der Sühneforderung des anderen, die ja sehr schmerzhaft sein kann. In ähnlicher Weise gibt es ein eigenartiges Schuldgefühl, wenn das Schicksal ein krasses „Ungleichgewicht“ verursacht. Beispielsweise bekamen einzelne Soldaten im Krieg Schuldgefühle, wenn in der Menge der Granatsplitter alle ihre Kameraden um sie herum den Tod fanden und sie allein überlebten. Dieselbe Erfahrung berichten manche Überlebende der Tsunami-Katastrophe in Südasien, die inmitten so vieler Toter am Leben blieben. Diese Schuldgefühle können ein ganzes Leben lang belasten, wenn sie nicht durch therapeutisch-spirituelle Hilfe aufgelöst werden. Dies geschieht dadurch, dass man sein Leben wie ein neues Geschenk noch einmal von Gott bewusst annimmt und dieses Leben auch als Aufgabe für das Wohl der Gemeinschaft versteht. Dabei muss Selbstliebe und Nächstenliebe in einem angemessenen Verhältnis gelebt werden. Aber es gilt auch, die Verstorbenen, deren Tod die eigenen Schuldgefühle verursacht hat, zu ehren – sich vor ihnen zu verneigen, sie mit ihrem Schicksal zu achten und sie um ihren Segen zu bitten für die Lebenden. Bekannter als das eigene Bedürfnis des Schuldigen nach Sühne ist das Sühnebedürfnis der Opfer eines schuldhaften Tuns. Typisch dafür ist (in einigen Staaten der USA) das Recht der Angehörigen eines Ermordeten, an der Hinrichtung des Mörders anwesend zu sein. Auch wenn es inzwischen eine große Zahl von Nationen geschafft hat, die Todesstrafe abzuschaffen, ist die seelische Dynamik der amerikanischen Praxis bedenkenswert. Schwere Schuld verursacht nicht nur ein starkes Ungleichgewicht von Lebensqualität und Lebensfreude, sondern bewirkt bei den Opfern einen Schmerz und einen menschlichen Verlust, der eine abgründige Intensität besitzt. Im Bedürfnis nach Sühne, das dem Wunsch nach Rache sehr verwandt ist, geht es psychodynamisch darum, dass die Seele mit ihrem Schmerz „zur Welt kommen“ kann. „Inkarnation“, die wir gemein hin als „Menschwerdung Gottes“ verstehen, ist ein Urgesetz seelischen Lebens: „die Seele will zur Welt kommen“. Alle starken Gefühle drängen an die Oberfläche der Wirklichkeit, möchten sich sinnlich wahrnehmbar machen. So will auch ein heftiger Schmerz sich zum Ausdruck bringen oder sich im Ausdruck eines anderen Menschen wieder finden. Ein intensiver Schmerz, den niemand wahrnimmt, außer der Leidende in seiner Seele, ist viel schrecklicher, als ein Schmerz, den andere Menschen wahrnehmen und ein Stück mitempfinden und dies zum Ausdruck bringen. Das ehrliche Mitleid der anderen ist eine Würdigung und damit eine Linderung des eigenen Schmerzes. Menschen, die in der Kindheit schreckliche Ängste, Demütigungen und Verletzungen erlebten, schaffen es als Erwachsene oft nicht, diese Schmerzen auszudrücken und haben oft keine Chance Anteilnahme zu erhalten. Sie stehen in der Gefahr, später diese Schmerzen anderen in ähnlicher Weise zuzufügen – dies in unbewusster Weise, um die eigenen seelischen Schmerzen zur Welt kommen zu lassen. Die Lebensbiografie schlimmer Diktatoren und Tyrannen von Adolf Hitler bis Milosevic sind dafür typische Beispiele. Aber auch das Lebensschicksal mancher Verbrecher unserer Tage ist von dieser Psychodynamik gezeichnet.
Der seelische Fortschritt in der menschlichen Gesellschaft wird sichtbar, wenn es gelingt, die Opfer von schwerer Schuld ihren Schmerz in einer anteilnehmenden und wertschätzenden Gemeinschaft zum Ausdruck bringen zu lassen. Wenn zudem gesellschaftlich ein hoher Schutz vor denen gewährleistet wird, die mit ihren Schmerzen und Aggressionen nicht angemessen umgehen können und wenn sich die seelische Erkenntnis durchsetzt, dass der seelische Schmerz, den etwa die Ermordung eines Familienmitglieds auslöst, auch durch die Tötung des Mörders nicht wirklich gestillt werden kann, umso besser – auch wenn die Angehörigen des Opfers eine solche Sanktion erhoffen und vielleicht sogar dabei eine gewisse Befriedigung empfinden. Aber die Entrüstung über „das Böse“ und über „die Bösen“ löst kein menschliches Problem. Leben Menschen in einer Gemeinschaft, in der man gegeneinander schuldig wird, entsteht ein seelisches Gefälle, in dem das Opfer eine gewisse Macht über den Schuldigen bekommt: Er ist „im Recht“ gegenüber dem, der ihm Unrecht getan hat. Dieses Ungleichgewicht verursacht beim Schuldigen das Bedürfnis nach Sühne, um das Gleichgewicht wieder herzustellen. Gleichzeitig gibt es natürlich die Angst des Schuldig-Gewordenen vor der Sühneforderung des anderen, die ja sehr schmerzhaft sein kann. In ähnlicher Weise gibt es ein eigenartiges Schuldgefühl, wenn das Schicksal ein krasses „Ungleichgewicht“ verursacht. Beispielsweise bekamen einzelne Soldaten im Krieg Schuldgefühle, wenn in der Menge der Granatsplitter alle ihre Kameraden um sie herum den Tod fanden und sie allein überlebten. Dieselbe Erfahrung berichten manche Überlebende der Tsunami-Katastrophe in Südasien, die inmitten so vieler Toter am Leben blieben. Diese Schuldgefühle können ein ganzes Leben lang belasten, wenn sie nicht durch therapeutisch-spirituelle Hilfe aufgelöst werden. Dies geschieht dadurch, dass man sein Leben wie ein neues Geschenk noch einmal von Gott bewusst annimmt und dieses Leben auch als Aufgabe für das Wohl der Gemeinschaft versteht. Dabei muss Selbstliebe und Nächstenliebe in einem angemessenen Verhältnis gelebt werden. Aber es gilt auch, die Verstorbenen, deren Tod die eigenen Schuldgefühle verursacht hat, zu ehren – sich vor ihnen zu verneigen, sie mit ihrem Schicksal zu achten und sie um ihren Segen zu bitten für die Lebenden. Bekannter als das eigene Bedürfnis des Schuldigen nach Sühne ist das Sühnebedürfnis der Opfer eines schuldhaften Tuns. Typisch dafür ist (in einigen Staaten der USA) das Recht der Angehörigen eines Ermordeten, an der Hinrichtung des Mörders anwesend zu sein. Auch wenn es inzwischen eine große Zahl von Nationen geschafft hat, die Todesstrafe abzuschaffen, ist die seelische Dynamik der amerikanischen Praxis bedenkenswert. Schwere Schuld verursacht nicht nur ein starkes Ungleichgewicht von Lebensqualität und Lebensfreude, sondern bewirkt bei den Opfern einen Schmerz und einen menschlichen Verlust, der eine abgründige Intensität besitzt. Im Bedürfnis nach Sühne, das dem Wunsch nach Rache sehr verwandt ist, geht es psychodynamisch darum, dass die Seele mit ihrem Schmerz „zur Welt kommen“ kann. „Inkarnation“, die wir gemein hin als „Menschwerdung Gottes“ verstehen, ist ein Urgesetz seelischen Lebens: „die Seele will zur Welt kommen“. Alle starken Gefühle drängen an die Oberfläche der Wirklichkeit, möchten sich sinnlich wahrnehmbar machen. So will auch ein heftiger Schmerz sich zum Ausdruck bringen oder sich im Ausdruck eines anderen Menschen wieder finden. Ein intensiver Schmerz, den niemand wahrnimmt, außer der Leidende in seiner Seele, ist viel schrecklicher, als ein Schmerz, den andere Menschen wahrnehmen und ein Stück mitempfinden und dies zum Ausdruck bringen. Das ehrliche Mitleid der anderen ist eine Würdigung und damit eine Linderung des eigenen Schmerzes. Menschen, die in der Kindheit schreckliche Ängste, Demütigungen und Verletzungen erlebten, schaffen es als Erwachsene oft nicht, diese Schmerzen auszudrücken und haben oft keine Chance Anteilnahme zu erhalten. Sie stehen in der Gefahr, später diese Schmerzen anderen in ähnlicher Weise zuzufügen – dies in unbewusster Weise, um die eigenen seelischen Schmerzen zur Welt kommen zu lassen. Die Lebensbiografie schlimmer Diktatoren und Tyrannen von Adolf Hitler bis Milosevic sind dafür typische Beispiele. Aber auch das Lebensschicksal mancher Verbrecher unserer Tage ist von dieser Psychodynamik gezeichnet.
Der seelische Fortschritt in der menschlichen Gesellschaft wird sichtbar, wenn es gelingt, die Opfer von schwerer Schuld ihren Schmerz in einer anteilnehmenden und wertschätzenden Gemeinschaft zum Ausdruck bringen zu lassen. Wenn zudem gesellschaftlich ein hoher Schutz vor denen gewährleistet wird, die mit ihren Schmerzen und Aggressionen nicht angemessen umgehen können und wenn sich die seelische Erkenntnis durchsetzt, dass der seelische Schmerz, den etwa die Ermordung eines Familienmitglieds auslöst, auch durch die Tötung des Mörders nicht wirklich gestillt werden kann, umso besser – auch wenn die Angehörigen des Opfers eine solche Sanktion erhoffen und vielleicht sogar dabei eine gewisse Befriedigung empfinden. Aber die Entrüstung über „das Böse“ und über „die Bösen“ löst kein menschliches Problem.
Es ist bedauerlich und
erschreckend, wenn die Kirchenleitung keine zeitgemäße Glaubenslehre zum
Zusammenhang von gesellschaftlichen psychischen Problemen und der
christlichen Glaubensbotschaft hat. Z.B. gibt es keine zeitgemäße und
überzeugende Erklärung über die Ursachen von Aggressivität und Gewalttätigkeit
von Menschen.
Manfred Hanglberger
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