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Trauerblockaden
wegen problematischer Auferstehungshoffnung

 

Es gibt gläubige Christen, die wegen ihres Glaubens an eine Auferstehung meinen nicht trauern zu müssen. Heftige und lang anhaltende Trauer ist für manche dieser Menschen ein Zeichen von zu wenig Glauben. Tatsächlich erlebte Trauerschmerzen sind für sie dann sehr verwirrend und manche wollen sie deshalb einfach nicht wahrhaben und versuchen sie zu verdrängen. So kann der religiöse Glaube an die Auferstehung der Toten dazu verleiten, sich das rechte Abschiednehmen zu ersparen und in einer Sehnsuchtshaltung mit der Hoffnung auf das Wiedersehen nach dem Tod zu verharren. Aber diese Form der Hoffnung verwandelt sich leicht in eine problematische Todessehnsucht, die die Verwandlung der Beziehung und das Zurückfinden zur eigenen Lebensenergie blockieren kann. Man verharrt in einer kindlichen Liebe, durch die man nicht erwachsen werden kann.

Nicht jeder Glaube an Auferstehung ist segensreich, ist hilfreich und wahr. Dies mag das folgende Beispiel verdeutlichen: Ein Mann kam zu mir und erzählte, dass er große Probleme habe seine verstorbene Mutter loszulassen. Ich empfahl ihm, einen Abschiedsbrief für sie zu schreiben und diesen vor einem Bild der Mutter und einer brennenden Kerze vorzulesen; zuvor aber sollte er mir den Brief zu lesen geben. In einer sehr intensiven Weise hat er darin beschrieben, was er alles von seiner Mutter erhalten hat, was alles wichtig und wertvoll für ihn war, aber auch wo er verletzt oder alleingelassen oder enttäuscht wurde. Am Ende des Briefes an seine Mutter schrieb er: “Ich weiß, dass wir uns wieder sehen und uns dann ganz fest in die Arme schließen werden. Darauf freue ich mich heute schon sehr und kann es kaum erwarten, dich in die Arme zu nehmen.“

Als ich das gelesen hatte, bin ich ein wenig erschrocken und spürte, dass diese Form von Glauben an die Auferstehung problematisch ist. Da wird die Auferstehung und die Verbundenheit mit dem verstorbenen Menschen nur in die Zukunft verlegt. Wenn das Wiedersehen in unserer Vorstellung das wichtigste ist, dann werden wir blind für die Gegenwärtigkeit der Verstorbenen in unserem Leben.

Das war schon vor 2000 Jahren in der Beziehung zwischen den Aposteln und Jesus nach dessen Tod problematisch. Die nur in die Zukunft verlegte Wiederkunft Jesu ist eine Gefahr dafür, dass man dann das Leben, das man jetzt noch lebt auf dieser Welt, nur als eine Art Wartestellung, eine Wartezimmersituation versteht oder als eine Verpflichtung, in der Zwischenzeit hier gute Werke zu vollbringen, für die man später im Himmel belohnt werde. Doch das Entscheidende ist, dass man durch die Beziehung zu den Verstorbenen und durch die Beziehung zur Realität des Todes und damit zu unserer eigenen Vergänglichkeit ein Gespür für die Bedeutung unseres gegenwärtigen Lebens entwickelt: was heute das Wertvolle, das Notwendige, das menschlich Sinnvolle ist. Dafür feiert die Kirche die Sakramente, in denen es um eine Vergegenwärtigung des Geistes Jesu geht. Der Verstorbene (Jesus Christus) wird im sakramentalen Brot gegenwärtig als der, der die jetzt Lebenden seelisch nährt. Ähnliches ist grundsätzlich auch für unsere Beziehung zu unseren persönlichen Verstorbenen möglich, wenn wir sie in rechter Weise verabschieden, ehren und sie um ihren Segen bitten. Dafür müssen diese keine Heiligen sein, denn wir können sie auch dadurch ehren und Segen von ihnen erfahren, dass wir bereit sind, auch von ihren Fehlern und von ihrem vielleicht schweren Schicksal zu lernen.

Ich sagte zu dem Mann im oben genannten Beispiel: “Es ist wichtig, dass Sie entdecken: Ihre Mutter ist gegenwärtig. Einerseits ist sie gegenwärtig in Ihnen selber, andererseits schaut sie mit Wohlwollen von außen auf Sie und auf Ihr Leben.” Ich empfahl ihm, am Schluss seines Briefes sinngemäß zu schreiben: “Mutter, segne mich, hilf, dass ich alles Liebe und Gute, das ich in meinem Leben von dir bekommen habe, heute umsetze in ein Leben, das wertvoll, sinnvoll und liebenswert ist.“ Die Toten helfen den Lebenden, dass diese hier eigenständig, empfindsam und verantwortungsvoll ihre Aufgaben in dieser Welt erkennen und bewältigen, nicht, dass sie eine Todessehnsucht entwickeln und möglichst schnell von der Welt Abschied nehmen wollen. Wenn man die Eltern loslassen kann, dann sind sie in einer anderen Weise da, segnend und seelisch nährend, sodass man dadurch eigenverantwortlich, mündig und selbstständig wird.

Um diesen Unterschied noch einmal zu verdeutlichen: In einer „Sehnsuchtsbeziehung“ habe ich in einer kindlichen Rolle die Eltern vor mir, ich möchte dann auf sie zugehen. Die Eltern sind das Ziel. Aber in einem solchen Zugehen auf sie kehre ich zurück in meine Kindersituation und drücke ein Nachholbedürfnis aus.

Im anderen Fall habe ich die Eltern hinter mir. Sie segnen mich und ermutigen mich, meinen Weg nach vorne zu gehen, sie loszulassen, aber ihnen in meinem Herzen einen guten und bleibenden Platz zu geben auf meinem Weg, meine Aufgaben in der Welt zu finden, zur größeren Welt dazuzugehören, ein umfassendes Dazugehörigkeitsgefühl, eine umfassende Liebe und Lebensbejahung gegenüber dem Ganzen der Welt zu entwickeln, die beseelt ist von der alles verbindenden geistigen Wirklichkeit Gottes. Der Glaube an die Auferstehung ist der Glaube an die Gegenwärtigkeit der Toten, an das segnende Wirken unserer Verstorbenen für uns Lebende und an den Beginn der Auferstehung schon vor dem Tod.

Aber der Glaube allein, dass die Verstorbenen bei Gott sind und das ewige Heil erlangt haben, kann den eigenen Schmerz um den Verlust dieser Menschen nicht auflösen. Deshalb ist die – in unserer Zeit manchmal vorkommende – Praxis auch problematisch, im Trauergottesdienst vor allem Auferstehungslieder zu singen und auf Trauerkleidung und liturgische Trauerfarbe zu verzichten, weil doch der Verstorbene in die Herrlichkeit Gottes eingegangen sei und dies kein Grund für Trauer sei. Aber wir betrauern ja nicht nur den Schmerz des Verstorbenen wegen der Beendigung seines Lebens und der damit eventuell verbundenen Beraubung weiterer Lebensmöglichkeiten, sondern wir betrauern vor allem auch unseren eigenen Schmerz, weil wir diesen Menschen verloren haben, und dieser Schmerz braucht auch eine Würdigung und eine Ausdruckshilfe in den Liedern, Gebeten und in der äußeren Gestaltung des Trauergottesdienstes.

 

Manfred Hanglberger

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