Eine
Stellungnahme zu Hiob-Buch im AT
von Lorenz Zellner (www.lo-zellner.de) in seinem Buch "Gottestherapie":
Meditation 5:
»Das eigentliche Problem ... ist ... nicht Hiob, sondern Gott.« (H. Wolff)
»Gott« kommt auch in einem … Buch nicht gut weg, das zu den
Hauptwerken der Weltliteratur gehört und nach der zentralen Gestalt des
Buches benannt ist. Es handelt sich um das Buch Hiob (Hiob). Das Thema dieses
Buches ist »Gott und der leidende Mensch«. H. Wolff sagt über die Ausführung
des Themas: »Das eigentliche Problem ... ist ... nicht Hiob, sondern Gott«.
Und man kann ihr Recht geben. Denn dieser »Gott« im Buch Hiob ist eine Symbolfigur
für alle Menschen, die sich allmächtig und größenwahnsinnig fühlen, die mit
ihren Untergebenen ein böses Spiel treiben, die ihrer Allmacht Menschen
opfern. Und dieser Hiob ist noch weitgehend die Symbolfigur für die Menschen,
die zu Gemeinheiten dann doch wieder gehorsam Ja sagen, für die die Schonung
höherer Autoritäten dann doch wieder das oberste Gebot darstellt. Die
Geschichte ist schnell erzählt: Der brave Hiob gerät zwischen die Mühlsteine
eines aufgeblasenen »Gottes« und eines selbstbewussten Satans. Im Grunde
handelt es sich um zwei satanische Figuren. Es ist unglaublich, aber »Gott«
gibt seinen treuen Diener dem Satan preis: »Gut, all sein Besitz ist in
deiner Hand« (1,12) und »Gut, er ist in deiner Hand« (2,6). Es ist reine
Willkür, reines Spiel, das »Gott« hier veranstaltet.
Die Verse 1,6-2,10 zeigen dann konkret, was mit Hiob geschieht, wie er zum
Prüfling, zur Testfigur wird, wie mit ihm Menschenversuche veranstaltet
werden.
Hiob wird hier im wahrsten Sinn geopfert, und zwar nicht nur sein Reichtum
und seine Kinder, er selbst wird »mit bösartigem Geschwür von der Fußsohle
bis zum Scheitel« (1,7) geschlagen. Und in 40,2 verlangt »Gott« dann auch
noch das Opfer seines Verstandes und seiner Kritik: »Mit dem Allmächtigen
will der Tadler rechten?«
So sagt Hiob am Ende doch wieder Ja zu diesem »Gott« und unterdrückt seine
Fragen und Zweifel: »Der Herr hat gegeben, der Herr hat genommen; gelobt sei
der Name des Herrn« (1,21). Und weiter: »Nehmen wir das Gute an von Gott,
sollen wir dann nicht auch das Böse annehmen?«
(2,9). Hiob willigt ganz in den Willen »Gottes« ein: »Siehe, ich bin zu
gering. Was kann ich dir erwidern? Ich lege meine Hand auf meinen Mund.
Einmal habe ich geredet, ich tue es nicht wieder; ein zweites Mal, doch nun
nicht mehr« (40,4.5). Er entschuldigt sich förmlich: »So habe ich im
Unverstand geredet über Dinge, die zu wunderbar für mich und unbegreiflich
sind« (42,3).
Hiob reagiert »Gott« gegenüber genauso ergeben wie die Müllerstochter
in Grimms Märchen »Das Mädchen ohne Hände«, der der Vater im Auftrag des
Teufels die Hände abschlagen soll. Sie fügt sich mit den Worten: »Lieber
Vater, macht mit mir, was ihr wollt, ich bin euer Kind.«
So werden letztlich auch die Ansätze nicht aufgegriffen und zu Ende geführt,
die das Buch Hiob im Vergleich mit anderen Gottesgeschichten enthält: Hiob
stellt zwar bereits Fragen an Gott, er lässt sich aber zu schnell durch
billige Gegenfragen und triumphalistische Antworten
eines über alle Fragen erhabenen »Gottes« abwimmeln (38,1-40,2). Und er durchbricht
bereits das »theologische« Denken von einem inneren Zusammenhang zwischen
seinem Unglück und vorangegangenen Sünden. Hiob ist sich als ein von dieser
Theologie Betroffener längst nicht mehr so sicher wie seine »theologischen«
Berater und Gesprächspartner, die aus ihrer theoretischen Position heraus
fast unbeschwert und unberührt sagen können:
»Bedenk doch! Wer geht ohne Schuld zugrunde?
Wo werden Redliche im Stich gelassen?
Wohin ich schaue: Wer Unrecht pflügt,
wer Unheil sät, der erntet es auch.
Durch Gottes Atem gehen sie zugrunde,
sie schwinden hin im Hauch seines Zornes ...
Ja, das haben wir erforscht, so ist es.
Wir haben es gehört. Nimm auch du es an!«
(4,7-9; 5,27)
Um der Wahrheit seines Lebens willen setzt sich Hiob zur Wehr. Er findet
keine Schuld, die eine solche Strafe, wie er sie erleiden muss, verdient
hätte. Ja, er wagt es sogar, diesen »Gott« als seinen Feind anzuklagen und
ihm Vorwürfe zu machen:
»Schuldlos wie schuldig bringt er um.
Wenn die Geisel plötzlich tötet,
spottet er über der Schuldlosen Angst.« (9,22-23)
Aber sein Protest verhallt im Entsetzen seiner Freunde bzw. geht in der
Arroganz, in der Ironie und dem verbalen Machtgetöse »Gottes« unter.
Im Gegensatz zu diesem Gottesbild des Hiob steht der Gott Jesu. Jesus weiß
jeden Menschen in den Händen des Vaters und nicht an teuflische Mächte
verkauft. Der Gott Jesu schlägt auch nicht den Menschen mit Geschwüren, er
heilt vielmehr den »Aussatz« des Menschen. Der Gott Jesu muss sich auch nicht
so triumphalistisch präsentieren wie der Gott Hiobs
im Abschnitt 38,1-40,2.
Aber auch der Gott Jesu wurde vom Gott Hiobs wieder eingeholt. Er wurde
wieder zweideutig, vieldeutig, mehrdeutig. Und auch Jesus selbst bekam ein
doppeltes Gesicht. Er wurde einerseits ein Herrscher, ein König, ein Souverän
wie der Gott Hiobs, und andererseits ein Opferlamm wie Hiob selbst.
Und wie war es im Verlauf der Kirchengeschichte, wie ist es in unserer vom
Christentum geprägten Kultur? A. Miller schreibt dazu: »Es sind immer die
Isaaks, deren Aufopferung Gott von den Abrahams verlangt und nie umgekehrt.
Es ist die Tochter Eva, die dafür bestraft wird, dass sie der Versuchung
nicht widersteht und ihre Neugier nicht dem Gehorsam unterwirft. Es ist der
fromme und treue Sohn Hiob, dem Gott Vater immer noch misstraut, solange er
nicht unter größten Qualen seine Treue und Unterwürfigkeit bewiesen hat. Es
ist Jesus, der für die Gültigkeit der väterlichen Worte am Kreuze stirbt.«17
Könnten diese Opfer
nicht Anlass zum Umdenken sein?
Link zum Teilen: https://hanglberger-manfred.de/zellner-hiob.htm
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