Ein neuer Ritus für die indigenen Völker Amazoniens
Das letzte Kapitel (vor dem
Schlusswort) des Abschlussdokuments der Amazonas-Synode lautet: „Ein Ritus für die indigene Völker“.
Die Amazonas-Synode hat
einen Gottesdienst-Ritus für die indigenen Völker Amazoniens
angeregt, um die Inkulturation und die Lebendigkeit
des christlichen Glaubens in dieser Region zu unterstützen.
Für die Gestaltung eines
solchen Ritus könnten folgende zusätzliche Glaubensinhalte integriert werden:
1. Eucharistiefeier als Feier der Jesus-Freundschaft
Die eucharistische Mahlgemeinschaft, in der die Gegenwart Jesu gefeiert wird
und die Mitfeiernden seinem Geist sich zu öffnen bereit sind, hat im Sinne
des johanneischen Abendmahlsberichtes (Fußwaschung) mit dem Dienst
aneinander, mit gegenseitiger Hilfsbereitschaft und Solidarität zu tun. Dies
ist in den Texten und Riten der Feier zum Ausdruck zu bringen.
2. Integration
des Noah-Bundes
Die Jünger Jesu, die mit ihm das Letzte Abendmahl feierten, standen in der
gläubigen Tradition des Alten Testaments und damit auch in der Tradition des
ungekündigten Bundes Gottes mit allen Lebewesen, dem „Noah-Bund“:
„Siehe,
ich richte meinen Bund auf mit euch und mit euren Nachkommen nach euch und
mit allen Lebewesen bei euch, mit den Vögeln, dem Vieh und allen Wildtieren
der Erde bei euch“. (Gen 9,9f)
Das Bewusstsein für diese jüdische
Tradition der Schöpfungsverbundenheit, in der auch Jesus und seine Jünger
standen, ist in der Kirche weitgehend verloren gegangen. Angesichts der
gewaltigen ökologischen Gefährdung der Menschheit und der ganzen
Lebensgemeinschaft der Natur auf unserer Erde, wäre es dringend notwendig,
diese spirituelle Tradition in die Gebete, Lieder und Riten der
Eucharistiefeier zu integrieren.
3. Aussagen aus der Umwelt-Enzyklika „LAUDATO SI“
Leider haben die Aussagen der Enzyklika „Laudato
si“, die unsere Verbundenheit mit der Natur und unsere entsprechende
Verantwortung thematisieren, noch nicht den Zugang zu unseren
gottesdienstlichen Gebeten und zur eucharistischen Spiritualität gefunden.
In Zukunft müssten bei ähnlichen päpstlichen Aktualisierungen der
Glaubenslehre auch Gebete mitveröffentlicht werden, die für den Gottesdienst
verwendet werden können – bzw. es sollte die weltweite Kirchengemeinschaft
gebeten werden (Vor allem die Ordensgemeinschaften, kirchlichen Verbände und
liturgischen Institute), solche Gebete zu formulieren.
Gebetsvorschläge
für die „Schöpfungsverbundenheit“ – aus der Glaubenssicht von „Laudato si“ >>>
4. Die Feier
des „Neuen Bundes“
In jeder Eucharistiefeier feiern wir den „Neuen Bund“, den der Prophet Jeremia
ca. 600 Jahre vor Christus angekündigt, den Jesus in seinen Worten und Taten
verwirklicht und in seinem Abschiedsmahl mit seinen Jüngern gefeiert und als
sein Vermächtnis hinterlassen hat.
Aber die Inhalte des „Neuen Bundes“ kommen in den Texten und Riten der Hl.
Messe leider nicht vor.
Die Inhalte des „Neuen
Bundes“ (Jer 31,33-34):
33. Denn das wird der Bund sein, den ich
nach diesen Tagen mit dem Haus Israel schließe - Spruch des Herrn: Ich lege mein
Gesetz in sie hinein und schreibe es auf ihr Herz. Ich werde ihr Gott sein
und sie werden mein Volk sein.
34. Keiner wird mehr den andern belehren, man wird
nicht zueinander sagen: Erkennt den Herrn!, sondern
sie alle, Klein und Groß, werden mich erkennen - Spruch des Herrn. Denn ich
verzeihe ihnen die Schuld, an ihre Sünde denke ich nicht mehr.
Das
würde bedeuten, dass wir in der Eucharistiefeier vor allem folgende Inhalte
thematisieren sollten:
- Das Gewissen des Menschen und seine Gewissensbildung,
- die Würde des Menschen und eine dieser Würde entsprechende
Lebensgestaltung,
- die Fähigkeit der Gotteserkenntnis, die auch als Aufgabe zu
sehen ist,
und die Wege der Gotteserkenntnis,
- wie wir das Wirken des Geistes Gottes in uns selbst wahrnehmen
lernen,
- das Verständnis und die Praxis von Autorität, wie sie bei
Jesus sichtbar werden,
- die Überwindung aller Bevormundung, Gängelung, Entmündigung
und Unterdrückung.
5. Brot und Wein bei der Gabenbereitung: Schöpfung und
Inkarnation
Als Papst Benedikt noch als Professor Josef Ratzinger an der Universität in
Regensburg lehrte, hat er in seiner Vorlesung darauf hingewiesen, dass in der
Eucharistiefeier die Gaben Brot und Wein auf dem Altar bei der Gabenbereitung
die Schöpfung repräsentieren. Zu dieser Repräsentation der Schöpfung sagt
Jesus „Das ist mein Leib, das ist mein Blut“.
Durch diese Sicht von Ratzinger wird die ganze Schöpfung in das
Christusgeschehen hereingenommen und damit auch das Glaubensgeheimnis der
Inkarnation in der Eucharistiefeier vergegenwärtigt. (Ausführlicher dazu >>>
)
Schöpfungstheologische und inkarnationstheologische Elemente sollten in einen
neuen Ritus für Amazonien aufgenommen werden.
6. Verständnis von Erlösungsbedürftigkeit und Erlösung
Auch die Aktualisierung des Verständnisses der Erlösungsbedürftigkeit des
Menschen und das Verständnis von Erlösung in der Enzyklika „Redemptor hominis“ von Papst
Johannes Paul II. (1979) hat noch keinen Eingang in die Gestaltung der
Eucharistiefeier gefunden: (Original-Zitate: >>>
)
Erlösungsbedürftigkeit
in RH:
Der Mensch ist für sich selbst ein unbegreifliches Wesen.
Sein Leben erscheint sinnlos.
Er erlebt in sich Unruhe und Unsicherheit, Schwäche, Sündigkeit
und Tod.
Die Erfahrung
von Erlösung in RH:
Die Erfahrung und die Erkenntnis eines umfassenden Geliebtseins durch die Offenbarung Jesu Christi.
Dadurch erlebt der Mensch ein tiefes Staunen über den Wert und die Würde des
Menschen.
Weitere Überlegungen über
die Erlösungsbedürftigkeit des Menschen und über die Erfahrung von Erlösung
auf dem Hintergrund naturwissenschaftlicher (Evolution) und
humanwissenschaftlicher Erkenntnisse: >>>
Überlegungen von Manfred Hanglberger
(www.hanglberger-manfred.de)
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