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Ehe, Jungfräulichkeit und Zölibat

In „Amoris Laetitia“ Kap 158 - 162

 

158. » Viele Menschen, die ehelos leben, widmen sich nicht nur ihrer Ursprungsfamilie, sondern leisten in ihrem Freundeskreis, in der kirchlichen Gemeinschaft und im Berufsleben große Dienste […] Viele stellen ihre Begabungen auch durch den Einsatz in der Caritas und durch ehrenamtliche Tätigkeit in den Dienst der christlichen Gemeinschaft. Dann gibt es diejenigen, die nicht heiraten, weil sie ihr Leben aus Liebe zu Christus und zum Nächsten Gott weihen. Durch ihre Hingabe wird die Familie in Kirche und Gesellschaft wesentlich bereichert. «[165]

159. Die Jungfräulichkeit ist eine Form des Liebens. Als Zeichen erinnert sie uns an die vorrangige Bedeutsamkeit des Gottesreiches, an die Dringlichkeit, sich vorbehaltlos dem Dienst der Verkündigung zu widmen (vgl. 1 Kor 7,32). Zugleich ist sie ein Abglanz der Fülle des Himmels, wo » die Menschen nicht mehr heiraten [werden] « (Mt 22,30). Der heilige Paulus empfahl sie, weil er die baldige Wiederkunft Jesu Christi erwartete und wollte, dass alle sich nur auf die Verkündigung des Evangeliums konzentrierten: » Die Zeit ist kurz « (1 Kor 7,29). Trotzdem stellte er klar, dass es eine persönliche Wahl oder sein eigener Wunsch war (vgl. 1 Kor 7,6-8) und nicht ein Gebot Christi: » Was die Frage der Ehelosigkeit angeht, so habe ich kein Gebot vom Herrn « (1 Kor 7,25). Zugleich erkannte er den Wert der verschiedenen Berufungen an: » Jeder hat seine Gnadengabe von Gott, der eine so, der andere so « (1 Kor 7,7). In diesem Sinn sagte der heilige Johannes Paul II. in Bezug auf die sexuelle Enthaltsamkeit, dass die biblischen Texte » weder einen Grund dafür [liefern], die „Minderwertigkeit“ der Ehe zu behaupten, noch dafür, die „Überlegenheit“ der Jungfräulichkeit bzw. des Zölibats zu vertreten «[166]. Anstatt von der Überlegenheit der Jungfräulichkeit in jeder Hinsicht zu sprechen, scheint es vielmehr angebracht, zu zeigen, dass die verschiedenen Lebensstände sich ergänzen, so dass einer in einer Hinsicht und ein anderer unter einem anderen Gesichtspunkt vollkommener sein kann. Alexander von Hales sagte zum Beispiel, dass in einer Hinsicht die Ehe als den anderen Sakramenten überlegen angesehen werden kann, weil sie etwas so Großes symbolisiert wie » die Vereinigung Christi mit der Kirche oder die Vereinigung der göttlichen mit der menschlichen Natur «.[167]

160. Es geht also » nicht darum, den Wert der Ehe zugunsten der Ehelosigkeit herabzusetzen «,[168] und es gibt » keinerlei Grundlage für einen möglichen Gegensatz […] Wenn man, entsprechend einer gewissen theologischen Tradition, vom Stand der Vollkommenheit (status perfectionis) spricht, dann tut man das nicht wegen der Enthaltsamkeit an sich, sondern im Hinblick auf die Gesamtheit eines Lebens nach den evangelischen Räten. «[169] Doch ein Verheirateter kann die Nächstenliebe in einem sehr hohen Grade leben. Er gelangt also » durch die Treue zum Geist dieser Räte zu jener Vollkommenheit, die der Liebe entspringt. Diese Vollkommenheit ist für jeden Menschen […] möglich und erreichbar. «[170]

161. Die Jungfräulichkeit hat den symbolischen Wert einer Liebe, die es nicht nötig hat, den anderen zu besitzen, und spiegelt so die Freiheit des Himmelreiches wider. Sie ist eine Einladung an die Eheleute, ihre eheliche Liebe im Hinblick auf die endgültige Liebe zu Christus zu leben, als einen gemeinsamen Weg zur Fülle des Gottesreiches.
Die Liebe der Ehegatten hat ihrerseits andere symbolische Werte: Auf der einen Seite ist sie ein besonderer Abglanz der Dreifaltigkeit.
Denn die Dreifaltigkeit ist eine vollkommene Einheit, in der jedoch auch die Unterscheidung existiert.

Außerdem ist die Familie ein christologisches Zeichen, weil sie die Nähe Gottes offenbart, der das Leben des Menschen teilt, indem er sich in der Menschwerdung, im Kreuz und in der Auferstehung mit ihm vereint: Jeder Ehepartner wird » ein Fleisch « mit dem anderen und gibt sich selbst hin, um bis zum Ende alles mit ihm zu teilen. Während die Jungfräulichkeit ein „eschatologisches“ Zeichen des auferstandenen Christus ist, ist die Ehe ein „historisches“ Zeichen für uns, die wir auf der Erde unterwegs sind, ein Zeichen des irdischen Christus, der sich darauf einließ, sich mit uns zu vereinen, und sich hingab bis zum Vergießen seines Blutes. Die Jungfräulichkeit und die Ehe sind verschiedene Formen, zu lieben, und müssen es sein, denn » der Mensch kann nicht ohne Liebe leben. Er bleibt für sich selbst ein unbegreifliches Wesen; sein Leben ist ohne Sinn, wenn ihm nicht die Liebe geoffenbart wird «.[171]

162. Der Zölibat läuft Gefahr, eine bequeme Einsamkeit zu sein, welche die Freiheit gewährt, sich selbstbestimmt zu bewegen, Orte, Aufgaben und Entscheidungen zu ändern, über das eigene Geld zu verfügen, je nach der Attraktion des Momentes Kontakte mit verschiedenen Menschen zu pflegen. Hier glänzt das Zeugnis der Verheirateten. Wer zur Jungfräulichkeit berufen ist, kann in manchen Ehen ein deutliches Zeichen der großherzigen und unerschütterlichen Treue Gottes zu seinem Bund finden, das sein Herz zu einer konkreteren und hingebungsvolleren Verfügbarkeit anspornt. Denn es gibt Verheiratete, die ihre Treue bewahren, wenn der Partner oder die Partnerin physisch unangenehm geworden ist oder die eigenen Bedürfnisse nicht befriedigt, und das, obwohl viele Angebote zur Untreue einladen oder dazu, den bzw. die andere zu verlassen. Eine Frau kann ihren kranken Ehegatten pflegen und dort, unter dem Kreuz, erneut das Jawort ihrer Liebe bis zum Tod sprechen. In dieser Liebe erstrahlt in beeindruckender Weise die Würde des liebenden Menschen – Würde als Abglanz der schenkenden Liebe (caritas) –, denn dieser Liebe geht es mehr darum zu lieben, als selbst geliebt zu werden.[172] In vielen Familien können wir auch eine Fähigkeit zu hingebungsvollem und zärtlichem Dienst gegenüber schwierigen und sogar undankbaren Kindern bemerken. Das macht diese Eltern zu einem Zeichen der freien und selbstlosen Liebe Jesu. All das wird zu einer Einladung an die zölibatär lebenden Personen, ihre Hingabe an das Reich Gottes mit mehr Großherzigkeit und größerer Verfügbarkeit zu leben. Heute hat die Säkularisierung den Wert einer Vereinigung für das ganze Leben verschwimmen lassen und den Sinn für den Reichtum der ehelichen Hingabe geschwächt. Darum » empfiehlt es sich, die positiven Aspekte der ehelichen Liebe zu vertiefen «.[173]

202. …

In den Antworten auf die in alle Welt verschickten Befragungen wurde betont,
dass es den geweihten Amtsträgern gewöhnlich an einer geeigneten Ausbildung fehlt, um mit den vielschichtigen aktuellen Problemen der Familien umzugehen.
In diesem Sinn kann auch die Erfahrung der langen östlichen Tradition
 der verheirateten Priester nützlich sein.

 

 

Zusammenfassende Thesen zum Wert des zölibatären Lebens im Vergleich zum Eheleben
(„Amoris Laetitia“; Kap 158-162)

 

  1. Nicht nur die aus Glaubensgründen ehelos lebenden Menschen sind zu würdigen, sondern auch andere ehelos lebenden Personen, die ihre Kräfte für ihre Mitmenschen und Gemeinschaften einsetzen!
  2. Auch ein eheloses Leben ist berufen, ein Leben der Liebe zu sein.
  3. Paulus betont, dass seine ehelose Lebensform seine persönliche Entscheidung war und nicht begründet durch ein Glaubensgebot:
    „Was die Frage der Ehelosigkeit angeht, so habe ich kein Gebot vom Herrn“ (1 Kor 7,25).
  4. Paulus anerkennt den Wert der verschiedenen Berufungen:
    Jeder hat seine Gnadengabe von Gott, der eine so, der andere so“ (1 Kor 7,7).
  5. Die biblischen Texte liefern weder einen Grund dafür, die „Minderwertigkeit“ der Ehe zu behaupten, noch dafür, die „Überlegenheit“ der Jungfräulichkeit bzw. des Zölibats zu vertreten“
  6. Die verschiedenen Lebensstände ergänzen sich, so dass einer in einer Hinsicht und ein anderer unter einem anderen Gesichtspunkt vollkommener sein kann.
  7. Alexander von Hales sagte, dass in einer Hinsicht die Ehe als den anderen Sakramenten überlegen angesehen werden kann, weil sie etwas so Großes symbolisiert wie die Vereinigung Christi mit der Kirche oder die Vereinigung der göttlichen mit der menschlichen Natur.
  8. Zum „Stand der Vollkommenheit“ der Menschen, die als Ordensangehörige nach den „evangelischen Räten“ leben:
    Ein Verheirateter kann die Nächstenliebe in einem sehr hohen Grade leben. Er gelangt also »durch die Treue zum Geist der evangelischen Räte zu jener Vollkommenheit, die der Liebe entspringt. Diese Vollkommenheit ist für jeden Menschen möglich und erreichbar
  9. Die Liebe der Ehegatten hat andere symbolische Werte als das ehelose Leben: Auf der einen Seite ist sie ein besonderer Abglanz der Dreifaltigkeit.

Denn die Dreifaltigkeit ist eine vollkommene Einheit,
in der jedoch auch die Unterscheidung existiert.

Außerdem ist die Familie ein christologisches Zeichen, weil sie die Nähe Gottes offenbart, der das Leben der Menschen teilt.

  1. Die Jungfräulichkeit und die Ehe sind verschiedene Formen, zu lieben.
  2. Der Zölibat läuft Gefahr, eine bequeme Einsamkeit zu sein, welche die Freiheit gewährt, sich selbstbestimmt zu bewegen, Orte, Aufgaben und Entscheidungen zu ändern, über das eigene Geld zu verfügen, je nach der Attraktion des Momentes Kontakte mit verschiedenen Menschen zu pflegen.
  3. Die Verheirateten, die die vielfältigen Sorgen, die es in einer Ehe und Familie geben kann, mit Liebe, Treue und ausdauernder Hingabe bewältigen, sind eine Einladung an die zölibatär lebenden Personen, ihre Hingabe an das Reich Gottes mit mehr Großherzigkeit und größerer Verfügbarkeit zu leben.
  4. Auf die „Nützlichkeit verheirateter Priester“ (Erfahrung der Ostkirchen) für die Familienpastoral wird hingewiesen. (Kap 202)

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Aus „Amoris Laetitia – Die Liebe in der Familie“ von Papst Franziskus

 

 

Formatierung durch Manfred Hanglberger (www.hanglberger-manfred.de )

 

 

 

 

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