Kirche und
Demokratie Überlegungen von
Manfred Hanglberger (www.hanglberger-manfred.de) Link zum Teilen: https://hanglberger-manfred.de/kirche-und-demokratie.htm 1.
Eine gute Demokratie muss eine Gesellschaftsordnung sein, in der
Entscheidungen nicht nur mit Mehrheits-Abstimmungen gefunden werden. 2.
Eine Demokratie braucht eine Werte-Ausrichtung auf die Würde und auf
die Menschenrechte jeder Person, auf das Ganze der Gesellschaft und auf das
Ganze der Netzwerke, in die das eigene Gesellschaftssystem eingebettet ist: 3.
Eine Werte-Ausrichtung ist eine Art von „Glauben“, da Werte nicht
wissenschaftlich beweisbar sind, sondern eine geistig-seelische Wirklichkeit
darstellen, die der Anerkennung und Zustimmung der Mitglieder einer
Werte-Gemeinschaft bedarf: 4.
Werteformulierungen wie z.B. „Die Würde des Menschen ist unantastbar“
im deutschen Grundgesetz stellen deshalb ein „Glaubensbekenntnis“ dar. 5.
Die Qualität der Werte in einer Gesellschaft zeigt sich in drei
Aspekten: 6. In den Auseinandersetzungen zwischen den Interessensgruppen in einer Gesellschaft ist deshalb darauf zu achten, dass die Werte, d.h. die Würde des Einzelnen und das „Gemeinwohl“ (das „große Ganze“) nicht aus den Augen verloren wird. 7.
Dafür braucht es nicht nur die allgemeine Gesetzgebung, die die Rechte
des Einzelnen und der Gruppen schützt, sondern es braucht auch eine
Institution, die die „Glaubensgrundlagen“, also die Werte dieser Gesellschaft
schützt – auch gegenüber den mächtigsten Organen der Gesellschaft: 8.
Damit das Bundesverfassungsgericht diese Aufgabe effektiv wahrnehmen
kann, müssen seine Mitglieder, die Verfassungsrichter, unabhängig von
politischen und wirtschaftlichen Machtgruppen der Gesellschaft sein. 9. Der Eid auf die Verfassung durch Regierungsmitglieder, durch die Verfassungsrichter, aber auch durch die Beamten als Diener des Staates ist als ein echtes vollzogenes „Glaubensbekenntnis“ zu sehen. 10. Es gilt auch für eine Demokratie, diesen Glauben bewusst zu halten, ihn bei wichtigen staatlichen Anlässen immer wieder zu proklamieren und seine Inhalte in aktuellen Auseinandersetzungen und Gefährdungssituationen ins Gespräch zu bringen. Denn Glaube braucht Bewusstsein bei den Mitgliedern der Gesellschaft, er braucht zeitgemäße, allgemein verständliche Formulierungen und Überzeugungskraft, damit er Wirkung und Bestand haben kann – und so die Seele eines Volkes schützt und nährt. 11. In
einer Demokratie ist bekannt, dass über die „Glaubenswahrheiten“, über die
Werte eines Volkes, nicht durch Mehrheitsentscheidungen jener Gremien, in
denen Interessensgruppen ihre Interessen vertreten, abgestimmt werden kann. 12. Im politischen Bereich sind deshalb die Entscheidungsorgane zum Schutz der wesentlichen Werte weiter entwickelt als in der Kath. Kirche, wo es nicht einmal eine Gewaltenteilung gibt. 13. Aus den angeführten Strukturordnungen einer guten Demokratie wird deutlich, dass die Argumentation der Kirchenleitung, dass Demokratie in der Kirche nicht möglich sei, weil man über Wahrheit nicht mit Mehrheitsentscheidungen abstimmen kann, nicht mitvollziehbar ist. Leider handelt es sich dabei um eine Vertuschung der Defizite ihrer Strukturen und um das Festklammern der aktuellen kirchlichen Autoritäten an überkommenen Machtpositionen. 14. Auch bei dieser Argumentation wird leider unter „Demokratie“ eine „Diktatur der Mehrheit“ verstanden. Aus Angst vor einer „Diktatur der Mehrheit“ hält die Kirchenleitung deshalb krampfhaft an einem monarchistisch-autoritären System fest, dessen strukturelle Werteordnung in vieler Hinsicht der Botschaft der Evangelien widerspricht.; denn die dort formulierten Werte haben mit Eigenverantwortung, Gewissensfreiheit und Subsidiarität zu tun. 15. Wie in einer Demokratie die Grundwerte der
Verfassung nicht beliebigen Mehrheitsentscheidungen ausgeliefert werden,
ebenso wenig dürfen die Glaubensgrundsätze der Kirche (die Glaubenswahrheiten, die
Lebenssinn-Werte, Gemeinschaftswerte, Schöpfungswerte und Personen-Werte
beinhalten) Mehrheitsentscheidungen ausgeliefert werden. Aber es
gibt auch in einer religiösen Gemeinschaft ständig viele praktische
Entscheidungen, die durchaus langfristig am besten durch
Mehrheitsentscheidungen getroffen werden. 16. Die Kirche müsste in unserer Zeit zeigen, dass
echte Demokratie eine „Glaubenssache“ darstellt - und dass es dabei immer um
universelle Werte gehen muss, die niemanden ausschließen, die also eine
ähnliche Struktur haben müssen, wie das „Katholische“ (das „Allumfassende“)
des christlichen Glaubens. Da echte Demokratie eine "Werte-Gemeinschaft" ist und deshalb eine Art Glaubensgemeinschaft darstellt, scheint es für nicht wenige Zeitgenossen, dass wesentliche Werte des christlichen Glaubens in einer guten demokratischen Gesellschaftsordnung besser verwirklicht sind als in der aktuellen Form der katholischen Kirche: Zum Beispiel: - Kontrolle von Macht - Klarheit und Durchschaubarkeit von Rechtsprechung - Verstehbarkeit formulierter Werte - Dialog-Kultur, Kritik- und Streit-Kultur - Umgang mit Andersdenkenden und mit Meinungsverschiedenheiten - Durchschaubarkeit von Entscheidungsprozessen Dem gegenüber erscheint die Kath. Kirche für viele nicht
auf der Höhe der Zeit. Ihre Strukturen und ihr Autoritätsverständnis wirken
heute auf immer mehr Menschen bevormundend, gängelnd und wenig hilfreich für
die Probleme und Fragen der Menschen unserer Zeit. Wesentliche
Sinngehalte und Aufgaben der Kirche in der modernen Gesellschaft: - Alle Formen von Lebensangst ertragen helfen und – soweit möglich – überwinden helfen. - Umfassende Lebensbejahung und inneren Frieden des
Einzelnen fördern: - Wege der Versöhnung im privaten Beziehungsbereich anbieten. - Sensibilisieren für Berufungserfahrung und Motivation für gelebte Verantwortung für das Gemeinwohl. - Mitmenschliche und weltweite Solidarität fördern und pflegen. - Prophetische Aufgabe gegenüber ungerechten Verhältnissen (Aufdeckung und Hilfsangebote). - Lebensbejahung stärken in Leid, Schicksalsschlägen, Behinderung, Todesgefahr. - Annahme der Vergänglichkeit und des eigenen Todes. - Trauer und Abschied nehmen bei Verlust von Angehörigen. - Wege der Versöhnung und eine Kultur der Verbundenheit mit den Verstorbenen anbieten. - Sinndeutung des eigenen Lebens, der Menschheitsgeschichte und des Kosmos. - Unterstützung einer guten Staatsordnung und ihres Wertesystems. - Spirituelle Versöhnungsimpulse nach Kriegen und mitmenschlichen verletzenden Konflikten (Gesellschaftspolitische Symbolhandlungen und therapeutische Riten). - Sinngebende und heilende Riten für wichtige Lebenswenden entwickeln und anbieten. - Eine Kultur der Wahrnehmung von Werten anbieten und pflegen (Gewissensbildung). - Eintreten für die Menschenrechte in allen gesellschaftlichen Bereichen und weltweit. - Besondere Sorge für Ausgegrenzte, Benachteiligte, Behinderte, Arme, Kranke, Sterbende! |
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„Ganzheitlichkeit“: ein anderes Wort für „katholisch“ |