Kompensation von Minderwertigkeitsgefühlen
durch „Herrschaft“ und „Kontrolle“
Aus Buch: „Bin ich
denn nichts wert?“ >>>
Menschen mit solchen
Kompensationsformen misstrauen dem Leben, weil sie den Gefühlen misstrauen,
die sie nur bedrohlich erleben. Deshalb können sie nicht in sich ruhen, nicht
ihren Intuitionen folgen, sondern meinen, das Leben unbedingt in den Griff
bekommen zu müssen, es total kontrollieren zu müssen. Das wirkt sich u.U.
dann so aus, dass sie ihre Mitmenschen, ihren Lebenspartner, Dinge, eine
Organisation oder einen Betrieb oder auf der geistigen Ebene Informationen
und Daten zu beherrschen versuchen. Manchmal handelt es sich geradezu um eine
Art „Einverleibung“, weil alles außerhalb von ihnen als fremd und
unberechenbar erscheint und sie sich andererseits innerlich leer fühlen, da
ihnen die „Fülle des seelischen Lebens“ durch die Abwertung ihrer Gefühle abhanden gekommen ist. Neben diesem Kontroll-Bedürfnis
geht es aber bei diesen Verhaltensweisen auch hier um das „besser sein als
andere“, um sich und anderen zu demonstrieren, dass man etwas wert ist, weil
man besser, weil man mächtiger ist als sie. Letztlich geht es diesen Menschen
nicht so sehr darum, etwas wert zu sein, als vielmehr etwas wert zu scheinen.
Manche glauben aber, dass der Schein der Realität entspricht. Wenn sie ihre
Möglichkeiten zur Beherrschung und Einverleibung verlieren, sind sie sehr
unsicher, weil sie plötzlich mit sich selbst konfrontiert sind. In folgenden
kompensatorischen Verhaltensweisen kann sich das ausdrücken:
Herrschsucht
Menschen in den Griff
bekommen zu wollen, bezeichnen wir als Herrschsucht. Wir kennen das vor allem
aus dem politischen Bereich. Da kann es sich um Herrscher,
Machthaber und Tyrannen aus der gesamten Menschheitsgeschichte handeln, die
ihre Untertanen unterdrückten, schikanierten oder terrorisierten, oder um
politisch oder wirtschaftlich Mächtige in unserer Zeit, die ihre Positionen
und ihre Machtmittel dafür einsetzen, ihre Karriereleiter hochzusteigen,
andere auszubooten und es schaffen, immer mehr Menschen zu zeigen, dass sie
das Sagen haben, dass die Dinge nach ihrem Willen zu laufen haben. Bei
einigen extremen diktatorischen Persönlichkeiten aus dem vergangenen
Jahrhundert wurde die Biografie recherchiert (z.B. Alice Miller, „Am Anfang
war Erziehung“). Bei Adolf Hitler, bei Stalin oder bei Milosevic z.B., sind
entweder Misshandlungen und Demütigungen oder schwere Schicksalsschläge im
Kindesalter bekannt. Solche Erfahrungen können ein tiefes
Minderwertigkeitsgefühl entstehen lassen, das dann
später in tyrannischen Formen politischer Machtausübung kompensiert wird. In
der Fähigkeit, anderen den eigenen Willen aufzuzwingen, sie für eigene Ziele
zu funktionalisieren oder sie zu demütigen oder gar zu vernichten, sehen sich
solche Menschen über den anderen stehend, erleben sich mächtig und halten
sich deshalb für bedeutend. Nicht nur Diktatoren in der politischen Welt sind
in solchen psychischen Mustern gefangen, es gibt dieselben seelischen
Strukturen auch bei manchen Vorgesetzten in der Wirtschaft, in der Verwaltung
und in anderen gesellschaftlichen Organisationen unserer Zeit; nur sind die
Wirkungen in einer demokratischen Gesellschaft verglichen mit einem
autoritärem Staatswesen abgeschwächt.
Manfred Hanglberger (www.hanglberger-manfred.de)
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