Texte von Manfred Hanglberger zum Zweiten Vatikanischen Konzil: >>> Zur „Revolution“ des Zweiten Vatikanischen Konzils >>>
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von Papst (Offizieller lateinischer Text: ASS XI [1878] 369-376) (Quelle: Die katholische Sozialdoktrin in ihrer geschichtlichen Entfaltung, Hsgr. Arthur Fridolin Utz + Birgitta Gräfin von Galen, I 120-131, Scientia humana Institut Aachen 1976, Imprimatur Friburgi Helv., die 2. decembris 1975 Th. Perroud, V.G. Überschriften aus denen die Inhaltsübersicht erstellt wurde sind entnommen aus: Leo XIII. - Lumen De Caelo. Erweiterte Ausgabe des „Leo XIII. der Lehrer der Welt". Praktische Ausgabe der wichtigsten Rundschreiben Leo XIII. und Pius XI., Herausgegeben von Carl Ulitzka, Päpstlicher Hausprälat, Ratibor 1934, S. 233-241; Mit kirchlicher Druckerlaubnis. Die Nummerierung folgt der englischen Fassung; ; auch in: Emil Marmy (Hrsg.), Mensch und Gemeinschaft in christlicher Schau, Dokumente, Paulus Verlag Freiburg/Schweiz 1945, S. 118-30; Imprimatur Friburgi Helv., die 21. Augusti 1945 L. Clerc, censor; Sämtliche Rundschreiben Leo XIII., Lateinischer und deutscher [Fraktur] Text, Herder´sche Verlagsbuchhandlung Freiburg im Breisgau 1904, Erste Sammlung, S. 27-51; oder in: Leo XIII., Lumen de coelo I, - Bezeugt in seinen Allocutionen, Rundschreiben, Constitutionen, öffentlichen Briefen und Akten, Buch und Verlag Rudolf Brzezowsky & Söhne Wien 1889, S. 93-103, die letzten zwei in Fraktur abgedruckt).
Ehrwürdige Brüder, Gruß und apostolischen Segen Einleitung: Der Sozialismus rüttelt an den Fundamenten des Staates1 Wie Unser Apostolisches Amt es von Uns forderte, haben Wir gleich zu Beginn Unseres Pontifikates es nicht unterlassen, durch ein an Euch, Ehrwürdige Brüder, gerichtetes Rundschreiben, hinzuweisen auf die todbringende Seuche, die die innersten Organe der menschlichen Gesellschaft befällt und in höchste Gefahr bringt; zugleich haben Wir auch auf die höchst wirksamen Heilmittel hingewiesen, durch welche sie Rettung finden und den so großen Gefahren, die ihr drohen, entfliehen kann. Aber die Übel, welche Wir damals beklagten, sind neuerdings derartig gewachsen, dass Wir Uns wiederum genötigt sehen, an Euch Unsere Worte zu richten, da der Prophet Uns gewissermaßen in die Ohren ruft: „Rufe, höre nicht auf, wie eine Posaune erhebe deine Stimme".[1] Ihr seht aber leicht ein, Ehrwürdige Brüder, dass Wir von der Gruppe jener Menschen sprechen, die mit verschiedenen und fast barbarischen Namen Sozialisten, Kommunisten oder Nihilisten genannt werden. Sie sind über die ganze Erde verbreitet und, durch ein verwerfliches Bündnis aufs engste miteinander verbunden, suchen sie sich nicht länger mehr durch das Dunkel verborgener Zusammenkünfte zu schützen; sie treten vielmehr voller Selbstvertrauen hervor, um ihren seit langem gehegten Plan, die Fundamente jedweder bürgerlichen Gesellschaft zu untergraben, zur Ausführung zu bringen. Es sind jene, welche, wie das Wort Gottes sagt, „das Fleisch beflecken, die Obrigkeit verachten und lästern die überirdischen Mächte".[2] Nichts von allem, was nach göttlichem und menschlichem Recht zur Erhaltung und Verbesserung des Lebens weise geordnet ist, lassen sie unangetastet noch unverletzt. Den höheren Gewalten, denen nach der Lehre des Apostels jede Seele untertan sein soll und denen Gott das Recht zu gebieten verliehen hat, verweigern sie den Gehorsam und verkünden eine vollständige Gleichheit aller Menschenrechte und -pflichten. - Die auf der Natur beruhende Einheit von Mann und Frau, selbst barbarischen Völkern heilig, entwürdigen sie, und das Eheband, auf dem die häusliche Gemeinschaft vor allem ruht, lockern sie oder geben es sogar der Wollust preis. - Fortgerissen endlich von der Gier nach den gegenwärtigen Gütern, „welche die Wurzel aller übel ist; einige, die sich ihr ergaben, sind vom Glauben abgefallen“,[3] bekämpfen sie das durch das Naturgesetz begründete Eigentumsrecht, und indem sie den Bedürfnissen aller Menschen zu dienen und ihren Wünschen zu entsprechen scheinen, suchen sie durch ungeheuren Frevel zu rauben und als Gemeingut zu erklären, was auf Grund rechtmäßiger Erbschaft oder durch geistige und körperliche Arbeit oder durch Sparsamkeit erworben worden ist. Und diese Ungeheuerlichkeiten verkünden sie in ihren Versammlungen, verbreiten sie durch Bücher, werfen sie durch eine Flut von Zeitschriften unter die Menge. Hierdurch erregten sie unter dem aufrührerischen Volke einen solchen Hass gegen die ehrwürdige Majestät und Gewalt der Könige, dass ruchlose Verräter jede Zurückhaltung aufgaben und in kurzer Zeit mehr als einmal in gottloser Verwegenheit gegen das Staatsoberhaupt selbst die Waffen ergriffen. Der geschichtliche Gang des Sozialismus2 Diese Verwegenheit gewissenloser Menschen, die die bürgerliche Gesellschaft mit täglich größerem Verderben bedroht und alle Gemüter mit Furcht und Angst erfüllt, hat aber ihren Grund und Ursprung in jenen vergifteten Lehren, welche vordem, einem schlechten Samen gleich, unter die Völker ausgestreut wurden und nun zu ihrer Zeit solche todbringenden Früchte getragen haben. Der erste Anfang liegt in den Irrtümern des 16. JahrhundertsDenn Ihr wisst wohl, Ehrwürdige Brüder, dass der erbitterte Kampf, der zu Beginn des sechzehnten Jahrhunderts von den Neuerern gegen den katholischen Glauben begonnen wurde und der bis zum heutigen Tag immer heftiger wurde, darauf abzielt, jede Offenbarung abzuweisen und jede übernatürliche Ordnung zu zerstören, um allein den Erfindungen der Vernunft oder vielmehr ihren Verirrungen Eingang zu verschaffen. Dieser Irrtum, der mit Unrecht seinen Namen von der Vernunft herleitet, hat wie von selbst nicht nur die Gemüter sehr vieler Menschen, sondern auch die bürgerliche Gesellschaft weithin durchdrungen, da er dem natürlichen Geltungstrieb der Menschen schmeichelt und den Begierden jeder Art die Zügel schießen lässt. Daher wurden mit einer neuen und selbst für Heiden unerhörten Gottlosigkeit neue Staatswesen gegründet ohne jede Rücksicht auf Gott und die von ihm gesetzte Ordnung; die öffentliche Autorität, so wird unaufhörlich erklärt, habe weder ihren Ursprung noch ihre Majestät noch ihre Befehlsgewalt von Gott, sondern von der Volksmenge, welche, da sie sich jeder göttlichen Satzung ledig wähnte, nur jenen Gesetzen zu unterstehen sich herbeiließ, die sie selbst nach Gutdünken gegeben hatte. - Nachdem man die übernatürlichen Glaubenswahrheiten als vernunftwidrig bekämpft und verworfen hat, versucht man den Urheber und Erlöser des Menschengeschlechts selbst allmählich aus den Universitäten, Lyzeen, Gymnasien und aus dem öffentlichen Leben zu verbannen. - Da man endlich die Belohnungen und Strafen des ewigen Lebens vergessen hat, so beschränkt sich das glühende Verlangen nach Glück auf den Bereich dieses irdischen Lebens. - Da nun diese Lehre überallhin verbreitet wurde und allenthalben diese so große Zügellosigkeit im Denken und Handeln ins Leben eindrang, ist es nicht zu verwundern, dass Leute aus dem niedersten Stande, ihrer ärmlichen Wohnung oder Werkstätte überdrüssig, über die Paläste und Güter der Reichen herzufallen verlangen; ebenso ist es nicht zu verwundern, dass im öffentlichen und privaten Leben keine Sicherheit mehr besteht und das Menschengeschlecht bereits fast am äußersten Verderben angelangt ist. Die römischen Päpste haben die Geheimbünde von Anfang an verurteilt3 Die obersten Hirten der Kirche aber, denen die Pflicht obliegt, die Herde des Herrn vor den Nachstellungen der Feinde zu bewahren, waren beizeiten bemüht, der Gefahr vorzubeugen und das Heil der Gläubigen zu schützen. Sobald nämlich die geheimen Gesellschaften sich zu bilden begannen, in deren Schoße schon die Keime der erwähnten Irrtümer gehegt wurden, haben die Römischen Päpste Clemens XII. und Benedikt XIV. es nicht unterlassen, die gottlosen Pläne der Geheimbünde aufzudecken und die Gläubigen der ganzen Welt auf das Verderben aufmerksam zu machen, das im Verborgenen vorbereitet wurde. Gleich nachdem aber von jenen, die sich rühmten, Philosophen zu sein, dem Menschen eine zügellose Freiheit zugesprochen worden war und man begonnen hatte, gegen das natürliche und göttliche Gesetz ein sogenanntes neues Recht auszudenken und festzusetzen, hat Papst Pius VI. seligen Andenkens den schlechten Geist und das Irrige dieser Lehren in öffentlichen Kundgebungen dargelegt und zugleich mit apostolischem Weitblick das Unheil vorausgesagt, das über das unselig getäuschte Volk hereinbrechen würde. - Da aber trotzdem in keiner Weise wirksame Vorsorge getroffen wurde, dass ihre verderblichen Lehren nicht von Tag zu Tag mehr unter den Völkern verbreitet und zu Staatsgesetzen erhoben würden, haben die Päpste Pius VII. und Leo XII. die Geheimbünde mit dem Banne belegt und aufs neue die Gesellschaft vor der Gefahr gewarnt, die von ihnen drohte. - Allen endlich ist es bekannt, mit welch eindringlichen Worten, welcher Seelenstärke und Standhaftigkeit Unser ruhmreicher Vorgänger Pius IX. seligen Andenkens in Ansprachen und in Rundschreiben an die Bischöfe der ganzen Welt sowohl gegen das verderbliche Beginnen dieser Bünde als namentlich auch gegen die bereits aus denselben hervorgehende Seuche des Sozialismus gestritten hat. Leider haben die Regierungen die Gefahren nicht erkannt4 Zu beklagen ist es aber, dass jene, denen die Sorge für das Gemeinwohl obliegt, vom Truge gottloser Menschen umstrickt und durch ihre Drohungen allzu sehr eingeschüchtert, immer der Kirche misstraut haben oder auch feindselig gesinnt waren und nicht einsahen, dass die Pläne der Geheimbünde hätten scheitern müssen, wenn den Lehren der Katholischen Kirche und der Autorität der Römischen Päpste von Fürsten und Völkern immer die gebührende Achtung gezollt worden wäre. Denn „die Kirche des lebendigen Gottes", die „die Säule und Grundfeste der Wahrheit“[4] ist, verkündet jene Lehren und Vorschriften, durch welche ganz besonders das Wohl und die Ruhe der Gesellschaft gewahrt und die Giftpflanze des Sozialismus mit der Wurzel ausgerottet wird. Die Lehre des Sozialismus ist falsch5 Wenngleich aber die Sozialisten das Evangelium missbrauchen und es, um die Unbesonnenen leichter zu täuschen, in ihrem Sinne zu deuten pflegen, so ist doch zwischen ihren schlechten Grundsätzen und der so reinen Lehre Christi ein Unterschied, wie es keinen größeren gibt. „Denn welche Gemeinschaft hat die Gerechtigkeit mit der Ungerechtigkeit? Oder wie kann sich Licht zu Finsternis gesellen?“[5] Falsch ist jene Gleichheit, welche die Sozialisten predigenJene hören nicht auf, wie Wir bereits erwähnten, immerfort zu erklären, alle Menschen seien von Natur aus untereinander gleich; und sie behaupten, dass sie deshalb weder der Majestät Hochachtung und Erfurcht noch den Gesetzen, die nicht von ihnen selbst nach eigenem Gutdünken erlassen wurden, Gehorsam schulden. Dagegen besteht nach der Lehre des Evangeliums die Gleichheit der Menschen darin, dass alle die gleiche Natur empfangen haben, dass alle zu derselben hocherhabenen Würde der Kinder Gottes berufen sind, dass allen ein und dasselbe Ziel bestimmt ist und dass alle nach demselben Gesetze gerichtet werden, um Strafe oder Lohn nach Verdienst zu empfangen. Ungleichheit im Rechte hat Gott eingeführtDoch die Ungleichheit im Recht und in der Macht stammt vom Urheber der Natur selbst her, von dem ,jede Vaterschaft im Himmel und auf Erden ihren Namen hat."[6] Fürsten und Untertanen aber sind nach katholischer Lehre und Vorschrift durch wechselseitige Pflichten und Rechte so der Gesinnung nach untereinander verbunden, dass die Herrschsucht gemäßigt und die Pflicht des Gehorsams erleichtert, gefestigt und in höchster Weise geadelt wird. 6 In der Tat prägt die Kirche dem untergebenen Volke beständig das Wort des Apostels ein: „Es gibt keine Gewalt außer von Gott, und die, welche besteht, ist von Gott angeordnet. Wer sich demnach der Gewalt widersetzt, der widersetzt sich der Anordnung Gottes, und die sich widersetzen, ziehen sich selbst Verdammnis zu". Und wiederum gebietet er, „untertan zu sein, nicht nur um der Strafe willen, sondern auch um des Gewissens willen; allen zu geben, was ihnen gebührt, Steuer, wem Steuer, Zoll, wem Zoll, Ehrfurcht, wem Ehrfurcht, Ehre, wem Ehre gebührt".[7] Der, der alles schuf und regiert, hat es in seiner weisen Vorsehung so geordnet, dass das Unterste durch das Mittlere, das Mittlere durch das Höchste zu seinem entsprechenden Ziel gelangt. Wie er darum selbst im himmlischen Reich unter den Chören der Engel einen Unterschied wollte und die einen den andern untergeordnet hat, wie er auch in der Kirche mannigfaltige Weihestufen und unterschiedliche Ämter eingesetzt hat, dass nicht alle Apostel seien, nicht alle Lehrer, nicht alle Hirten,[8] so hat er auch in der bürgerlichen Gesellschaft mehrere an Würde, Rechten, Gewalt verschiedene Stände (ordines) begründet, damit der Staat wie die Kirche ein Leib sei, der viele Glieder besitzt, von denen eines edler ist als das andere, die aber alle einander notwendig sind und das gemeinsame Wohl erstreben. Die Obrigkeit wird von Gott gerichtet. Tyrannenmord und Revolution sind verboten7 Damit jedoch die Führer der Völker die ihnen zustehende Gewalt zur Auferbauung und nicht zur Zerstörung gebrauchen, mahnt die Katholische Kirche in angemessener Weise, dass auch den Fürsten die Strenge des höchsten Richters droht, und sie ruft im Namen Gottes mit den Worten der göttlichen Weisheit allen zu: „Neigt eure Ohren, die ihr der Völker Menge beherrscht und euch gefallt in den Scharen der Nationen; denn von dem Herrn ist euch die Herrschaft gegeben und die Macht von dem Allerhöchsten, der eure Werke untersucht und eure Gedanken erforscht ... Denn das strengste Gericht ergeht über die, die andern vorstehen ... Denn Gott wird niemandes Person ausnehmen, noch irgend eine Größe scheuen; weil er den Kleinen wie den Großen gemacht hat und auf gleiche Weise für alle sorgt. Den Starken aber steht eine stärkere Strafe bevor".[9] Wenn es jedoch zuweilen vorkommt, dass die öffentliche Gewalt von den Fürsten ohne Überlegung und über das Maß ausgeübt wird, so duldet die Lehre der Katholischen Kirche nicht, dass man sich auf eigene Faust gegen sie erhebt, damit nicht Ruhe und Ordnung noch mehr gestört werden und die Gesellschaft dadurch in noch höherem Maße Schaden leidet. Und wenn es dahin gekommen ist, dass keine andere Hoffnung auf Rettung erscheint, so lehrt sie, durch das Verdienst christlicher Geduld und durch inständiges Gebet zu Gott die Hilfe zu beschleunigen. - Wenn jedoch die Satzungen der Gesetzgeber und Fürsten etwas bestimmen oder befehlen, was dem göttlichen oder natürlichen Gesetz widerspricht, so mahnen uns Pflicht und Würde des christlichen Namens sowie das Wort des Apostels, „dass man Gott mehr gehorchen muss als den Menschen".[10] Die christliche Familie, die Burg der Autorität, wird vom Sozialismus zerstört8 Die segensreiche Macht der Kirche, welche ihren Einfluss auf die zweckmäßige Ordnung der Regierung und die Erhaltung der bürgerlichen Gesellschaft ausübt, macht sich notwendigerweise auch in der häuslichen Gemeinschaft, die der Ursprung eines jeden Staates und Reiches ist, geltend und fühlbar. Denn Ihr wisst, Ehrwürdige Brüder, dass das wahre Wesen dieser Gemeinschaft gemäß dem zwingenden Recht der Natur vor allem auf der unauflöslichen Verbindung von Mann und Frau ruht und in den wechselseitigen Pflichten und Rechten zwischen Eltern und Kind, Herren und Dienern seine Vollendung findet. Ihr wisst gleichfalls, dass sie durch die Lehren des Sozialismus nahezu aufgelöst wird; denn mit dem Verlust jener Festigkeit, welche der religiöse Ehebund ihr verleiht, müssen notwendigerweise auch die Gewalt des Vaters über seine Kinder und die Pflichten der Kinder gegen die Eltern gelockert werden. Dagegen aber sei „ehrbar die Ehe bei allen"[11] welche Gott selbst schon zu Beginn der Welt zur Fortpflanzung und Erhaltung des Menschengeschlechts eingesetzt und für unauflöslich erklärt hat und die nach der Lehre der Kirche fester und heiliger geworden ist durch Christus, der ihr die Würde eines Sakraments verliehen und gewollt hat, dass sie ein Abbild seiner Verbindung mit der Kirche sei. Daher ist nach der Mahnung des Apostels,[12] wie Christus das Haupt der Kirche, so der Mann das Haupt der Frau; und wie die Kirche Christus ergeben ist, der sie mit reinster und immerwährender Liebe liebt, so ziemt es sich, dass auch die Frauen ihren Männern ergeben seien, die sie hinwieder mit treuer und standhafter Hingebung lieben sollen. - Ebenso hat die Kirche die Gewalt des Vaters und Herrn so geordnet, dass sie stark genug ist, um Söhne und Diener zur Erfüllung ihrer Pflicht anzuhalten, ohne jedoch das Maß zu überschreiten. Denn nach katholischer Lehre geht auf Eltern und Herren die Autorität des „Himmlischen Vaters und Herrn über, die daher von ihm nicht nur ihren Ursprung und ihre Kraft hat, sondern notwendigerweise auch ihre Natur und ihre Eigenschaften empfängt. Daher mahnt der Apostel die Kinder, „ihren Eltern zu gehorchen im Herrn, Vater und Mutter zu ehren, welche das erste Gebot mit einer Verheißung ist".[13] Den Eltern aber gebietet er: „Ihr Väter, reizt eure Kinder nicht zum Zorn, sondern erzieht sie in der Lehre und Zucht des Herrn." [14] Den Dienern und Herren aber wird durch denselben Apostel das göttliche Gebot verkündet, dass jene „den irdischen Herren" gehorchen sollen „wie Christus ... in der Einfachheit ihres Herzens ihnen dienen wie dem Herrn", und dass diese ablassen sollen „von Drohungen, da sie wissen, dass ein Herr aller im Himmel ist und bei Gott kein Ansehen der Personen gilt".[15] - Würde alles dieses von allen denen, die es angeht, nach dem Gebote des göttlichen Willens sorgfältig beobachtet, so würde wahrhaftig jede Familie gewissermaßen ein Abbild der himmlischen Wohnung darstellen und die Segnungen, die hieraus erwachsen, würden über die Mauern des Hauses hinaus in reichem Maße auch auf die Staaten überströmen. Die Kirche ist die wahre RetterinDie Kirche verteidigt das Eigentumsrecht, nimmt sich aber der Armen an9 Die katholische Weisheit hat, gestützt auf die Vorschriften des natürlichen und göttlichen Gesetzes, für den öffentlichen wie den häuslichen Frieden wohlbedacht Vorsorge getroffen auch durch das, was sie vertritt und lehrt im Hinblick auf das Eigentumsrecht und die Verteilung der Güter, welche zum Leben notwendig und nützlich sind. Denn während die Sozialisten das Eigentumsrecht als eine menschliche, der natürlichen Gleichheit der Menschen widersprechende Erfindung ausgeben und in ihrem heftigen Streben nach Gütergemeinschaft der Ansicht sind, dass man keineswegs die Armut gleichmütig tragen müsse und dass man die Besitztümer und Rechte der Reichen ungestraft verletzen könne, hält die Kirche eine Ungleichheit unter den Menschen, die von Natur aus im Hinblick auf die Kräfte des Körpers und Geistes verschieden sind, auch in Bezug auf den Besitz von Gütern für weit ratsamer und nützlicher, und sie gebietet, dass das Recht des Eigentums und des Besitzes, das in der Natur selbst gründet, einem jeden gegenüber unantastbar und unverletzlich sei; denn sie weiß, dass Diebstahl und Raub von Gott, dem Urheber und Beschützer allen Rechts, so streng verboten wurde, dass es nicht einmal erlaubt ist, fremdes Gut zu begehren, und dass Diebe und Räuber, wie Ehebrecher und Götzendiener vom Himmelreich ausgeschlossen werden. - Deswegen vernachlässigt sie jedoch nicht die Sorge für die Armen, noch vergisst sie, wie eine liebende Mutter sich ihrer in ihrer Not anzunehmen; sie umfängt sie vielmehr mit mütterlicher Zärtlichkeit, wohl wissend, dass sie die Stellvertreter Christi selbst sind, der als eine ihm selbst erwiesene Wohltat betrachtet; was von irgendjemandem dem geringsten Armen gespendet wird. Daher hält sie die Armen hoch in Ehren und gewährt ihnen jede nur immer mögliche Hilfe; sie sorgt überall auf der Erde für die Errichtung und den Unterhalt von Häusern und Spitälern, die sie aufnehmen, verpflegen und im Krankheitsfalle heilen. Sie schärft den Reichen die so schwere Pflicht ein, den Armen von ihrem Überflusse mitzuteilen, und droht ihnen mit dem göttlichen Gericht, das sie zu ewigen Strafen verdammt, wenn sie den Bedürftigen in ihren Nöten nicht beistehen. Endlich erhebt und tröstet sie ganz besonders die Gemüter der Armen, indem sie ihnen sowohl das Beispiel Christi vorhält, der, „da er reich war, um unsertwillen arm geworden ist“,[16] als auch seine Worte in Erinnerung bringt, mit denen er die Armen selig pries und in ihnen die Hoffnung auf die Belohnungen der ewigen Seligkeit weckte. - Wer sollte aber nicht einsehen, dass diese Handlungsweise den uralten Gegensatz zwischen Arm und Reich am besten ausgleicht? Wenn sie verworfen oder hintangesetzt wird, so muss, wie es die Tatsachen anschaulich beweisen, eines von beiden eintreten: entweder sinkt der größte Teil des Menschengeschlechts wieder in den schmählichen Stand von Sklaven zurück, der lange bei den Heiden bestand, oder die menschliche Gesellschaft wird immerfort durch aufrührerische Bewegungen erschüttert und eine Beute der Räuber und der Gewalt, wie dies zu Unserm Bedauern auch in neuester Zeit noch geschehen ist. Die Staaten mögen doch die Hand der Kirche ergreifen10 Da es sich nun so verhält, Ehrwürdige Brüder, und da Uns die Leitung der ganzen Kirche obliegt, haben Wir wie schon zu Beginn Unseres Pontifikats, als Wir Fürsten und Völker, die von dem wütenden Sturm umhergeworfen wurden, auf den schützenden Hafen hinwiesen, so auch jetzt, bewegt durch die drohende äußerste Gefahr, wiederum vor ihnen Unsere Stimme erhoben; und bei ihrem eigenen und der Gesellschaft Heil bitten und beschwören Wir sie erneut, dass sie die Kirche, die sich so verdient gemacht hat um die öffentliche Wohlfahrt der Reiche, als Lehrerin annehmen und hören und dass sie die Überzeugung gewinnen mögen, dass weltliche Herrschaft und Religion so eng verbunden sind, dass, was dieser entzogen wird, in demselben Maße dem Pflichtbewusstsein der Untertanen und der Majestät der Befehlsgewalt verloren geht. Und wenn sie einsehen, dass die Kirche Gottes zur Abwehr der Seuche des Sozialismus eine so große Macht besitzt, wie sie weder menschlichen Gesetzen noch den Verboten der Behörden noch den Waffen der Soldaten innewohnt, so mögen sie endlich der Kirche jene Stellung und Freiheit wiedergeben, in der sie ihren so heilsamen Einfluss zum Besten der gesamten menschlichen Gesellschaft geltend machen kann. Die Bischöfe müssen Sorge tragen für die Jugend, die Männer und die Vereine11 Ihr aber, Ehrwürdige Brüder, die Ihr Ursprung und Wesen der bevorstehenden Übel erkennt, trachtet mit allem Eifer und aller Anstrengung der Seele danach, dass die katholische Lehre allen Gemütern eingepflanzt werde und tiefe Wurzeln darin schlage. Bestrebt Euch, dass schon von zarter Jugend an alle sich gewöhnen, Gott in kindlicher Liebe anzuhangen und ihn zu fürchten, der Majestät der Fürsten und Gesetze Gehorsam zu leisten, die Begierden zu beherrschen und die Ordnung, welche Gott sowohl in der bürgerlichen als auch in der häuslichen Gesellschaft begründet hat, sorgfältig zu beachten. Tragt außerdem Sorge dafür, dass die Söhne der katholischen Kirche weder diesem verurteilungswürdigen Bunde beitreten noch es wagen, ihn in irgend einer Weise zu begünstigen; vielmehr sollen sie durch hervorragende Leistungen und eine in allem ehrenhafte Handlungsweise zeigen, wie gut und glücklich die menschliche Gesellschaft wäre, wenn alle ihre Glieder durch Rechtschaffenheit und Tugenden hervorleuchteten. - Da schließlich die Anhänger des Sozialismus besonders unter den Handwerkern und Lohnarbeitern zu suchen sind, die, der Mühen überdrüssig, durch Hoffnung auf Reichtum und Verheißung von Gütern sehr leicht verlockt werden, so scheint es zweckmäßig, die Handwerker- und Arbeiter-Vereine zu fördern, die unter dem Schutze der Religion alle ihre Mitglieder zufrieden mit ihrem Lose und geduldig bei ihrer Arbeit machen und zu einem ruhigen und friedsamen Leben anleiten. Gott gebe seine Gnade dazu12 Unsern und Euern Bemühungen aber, Ehrwürdige Brüder, möge jener seine Gnade verleihen, dem Wir den Beginn wie die Vollendung alles Guten zuschreiben müssen. - Zum Vertrauen auf seine allgegenwärtige Hilfe ermahnt uns übrigens gerade der Festgedanke dieser Tage, an denen wir das Jahresgedächtnis der Geburt des Herrn feiern. Denn durch seine Geburt hat Christus einer alterschwachen und am Rande des Verderbens angelangten Welt ein neues Heil gebracht, das auch wir erhoffen sollen; auch uns hat er den Frieden verheißen, den er damals den Menschen durch die Engel verkündigt hat. Denn noch ist „die Hand des Herrn nicht verkürzt, dass er nicht helfen könnte, nicht taub sein Ohr, dass er nicht hören könnte“.[17] Indem Wir daher in diesen glückseligen Tagen Euch, Ehrwürdige Brüder, und den Gläubigen Eurer Kirchen allen Segen und alle Freude wünschen, bitten Wir inständig den Geber alles Guten, dass wiederum „erscheine die Güte und Menschenfreundlichkeit Gottes, unseres Heilandes“,)[18] der uns aus der Gewalt unseres erbittertsten Feindes befreit und zur erhabenen Würde seiner Söhne erhoben hat. - Und damit unsere Wünsche eher und vollkommener erhört werden, wendet Euch mit Uns in eifrigem Gebete zu Gott, Ehrwürdige Brüder, und fleht die Allerseligste und unbefleckt empfangene Jungfrau Maria, ihren Bräutigam den heiligen Joseph und die seligen Apostel Petrus und Paulus, auf deren Fürbitte Wir ganz besonders vertrauen, um ihren Beistand an. Unterdessen erteilen Wir als Unterpfand der göttlichen Gnaden in herzlichster Liebe im Herrn Euch, Ehrwürdige Brüder, Eurem Klerus und den gesamten gläubigen Völkern den Apostolischen Segen. Gegeben zu Rom bei St. Peter, am 28. Dezember 1878, im ersten Jahr Unseres Pontifikats. Anmerkungen |
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