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Lorenz Zellner

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Genesis 4,1-5a: Lieblingskinder und Wegwerfkinder (Kain und Abel)

 

1.           Die Erarbeitung des Textes
Für diesen Text habe ich ein kurzes Rollenspiel ausgedacht. Ich habe drei Teilnehmer gebeten, eine Muttertagsszene zu spielen. Wir brauchen eine junge Mutter und zwei Kinder: eine siebenjährige Anna und eine fünfjährige Marion.
Anna und Marion haben als Muttertagsgeschenk einen schönen bunten Blumenstrauß auf ein Blatt Papier gemalt und stehen am Morgen des Muttertages vor der Schlafzimmertür der Eltern. Hier beginnt das Rollenspiel:
Anna stürzt der Mutter entgegen, beglückwünscht sie und reicht ihr das Kunstwerk. Die Mutter freut sich, gibt Anna einen Kuss, lobt sie über alle Maßen und sagt: »Ich werde einen Rahmen kaufen und dieses wunderschöne Bild an die Wand hängen. Du wirst bestimmt einmal eine große Künstlerin
Dann geht die jüngere Marion auf die Mutter zu, wünscht ihr alles Gute zum Muttertag und streckt ihr ihr Bild hin. Die Mutter sieht auf das Durcheinander der Farbkleckse, schüttelt den Kopf und zerreißt das Bild. Sie sagt: »So ein Geschmier! Du musst noch viel lernen
Nach diesem Rollenspiel werden zunächst die beiden Kinder nach ihren inneren Reaktionen gefragt. Anna sagt: »Ich bin ganz erschrocken über meine Mutter Marion ist sehr traurig: »Ich habe mich genauso angestrengt wie Anna. Ich bin halt noch jünger Und: »Wenn das immer so ist, krieg ich eine richtige Wut auf die Anna Dann äußert sich die Mutter. Sie ist selber erschrocken über ihre Worte, die ihr vom Rollenspiel auferlegt wurden. Und sie ist erschrocken über das Gesicht der Marion nach ihren verachtenden Worten. Sie sagt, eine gute Mutter würde nie so handeln.
Im Anschluss an dieses Rollenspiel und Gespräch lesen wir unvermittelt Genesis 4,1-5a.

4. 1Adam erkannte Eva, seine Frau; sie wurde schwanger und gebar Kain. Da sagte sie: Ich habe einen Mann vom Herrn erworben.

2 Sie gebar ein zweites Mal, nämlich Abel, seinen Bruder. Abel wurde Schafhirt und Kain Ackerbauer.

3 Nach einiger Zeit brachte Kain dem Herrn ein Opfer von den Früchten des Feldes dar;

4 auch Abel brachte eines dar von den Erstlingen seiner Herde und von ihrem Fett. Der Herr schaute auf Abel und sein Opfer,

5 aber auf Kain und sein Opfer schaute er nicht.


Wir stellen die Gestalten des Textes: »Gott« wird auf einen Stuhl gestellt, »Abel« und »Kain« sitzen am Boden und bringen ihr Opfer. Beide suchen den Blick »Gottes«. Aber »Gott« schaut nur auf »Abel«, »Kain« wendet er den Rücken zu.

2. Der Dialog mit dem Text
Der Dialog mit dem Text läuft parallel zum Dialog mit dem Rollenspiel. Erst durch diese Veranschaulichung wird den Teilnehmern des Kurses bewusst, worum es im Text eigentlich geht. »Kain« zeigt sich als Anwalt des Textes, als Anwalt dessen, was wirklich dasteht. Im Text gibt es auch wirklich keinen Hinweis, dass er böse war, dass sein Opfer weniger wert war, dass er Gott weniger liebte als »Abel«. Beide, »Kain« und »Abel«, verstehen sich als Menschen, die Gott lieben wollen.

3. Die Beurteilung der Rolle Gottes innerhalb des Textes
»Gott« wird vorgeworfen, er sei ein Willkürgott, der grundlos liebe oder hasse. »Gott« sitzt betreten da. Ich erzähle, dass ich in einem Bericht über ein Bibliodrama zu diesem Text gelesen habe, »Gott« habe am Schluss geweint und sich bei »Kain« entschuldigt. So nahe sei ihm das Spiel gegangen.

4. Die Konsequenzen aus der Arbeit mit dem Text
Die Teilnehmer sollen sensibel bleiben für ähnliche Gottesgeschichten und zwar »um Gottes willen«. Sie betrachten göttliches und menschliches Auserwählungsdenken mit neuen Augen. Auch »Gott« muss sich an die Bedingungen einer gesunden Moral halten.

 

Aus: Lorenz Zellner: „Gottestherapie“

 

 

 

 

 

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