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Gott und die Natur
Die Natur: schön und grausam Ob wir die Auswirkungen der Covid-19-Pandemie bedenken oder ein Video über die Tiere in einem afrikanischen Nationalpark uns anschauen: Es ist immer wieder erschreckend, wie grausam sich die Natur uns zeigen kann. Einerseits erleben wir die Natur wunderschön und faszinierend, erfahren seelische Ausgeglichenheit und Stärkung bei einem Spaziergang durch eine schöne Landschaft. Andererseits zeigen die Naturgewalten z.B. bei Überschwemmungen, Erdbeben und Vulkanausbrüchen ihre lebenszerstörende Wirkung.
Die Naturkräfte: Werkzeuge in der Hand Gottes? Jahrtausende glaubten Menschen in den verschiedenen Religionen, dass alle Naturereignisse von Gott (bzw. von Göttern) gesteuert seien. Unter Naturgewalten zu leiden, betrachteten diese Menschen immer als Bestrafung oder als Prüfung durch Gott. Die Naturkräfte wurden also als Werkzeuge in der Hand Gottes zur Bestrafung oder zur Erziehung der Menschen verstanden. Auch in unserer Zeit denken viele Menschen noch so, wenn sie bei einem schmerzhaften Schicksalsschlag fragen, warum ihnen Gott dies angetan habe.
„Dunkles“ Gottesbild Wenn man die Natur als grausam erlebte, erschien Gott grausam zu sein. Da die Naturgewalten in ihrer zerstörerischen Wirkung nicht unterscheiden zwischen Menschen und leblosem Material, zwischen Kindern und Erwachsenen, zwischen gewalttätigen und hilfsbereiten Menschen, sprach man von der Unberechenbarkeit Gottes. Die seelische Blindheit der Naturkräfte, die man als göttliches Handeln betrachtete, prägte ein Gottesbild, das „dunkel“, „unbegreiflich“ und „willkürlich“ erschien.
Die „Autorität Gottes“ war Vorbild für die Autorität unter den Menschen Wenn Gott als Lenker der Natur gefühllos und grausam erschien, aber gleichzeitig als oberste Autorität verstanden wurde, dann war es logisch, dass Menschen, die eine Autoritätsrolle in Familie oder Kirche oder in der Gesellschaft hatten, überzeugt waren, dass sie auch in ihrem erzieherischen Handeln, in ihrem Straf-Verhalten und in ihren sonstigen Entscheidungen das Recht haben, ja, als gläubige Menschen sogar die Pflicht haben, grausam zu sein, um „Recht und Ordnung“ durchzusetzen. Gewalttätige Erziehungspraktiken waren deshalb im Raum der Kirche religiös begründet und üblich. Verstärkt wurde dies noch durch manche Bibel-Aussagen („Wer seinen Sohn liebt, züchtigt ihn.“ Vgl. Sir 30,1; Sir 30,13; Hebr 12,6; …) und durch die religiöse Vorstellung, dass sich in der Trotzphase eines Kindes Spuren von der Erbsünde zeigen und diese durch Schläge ausgetrieben werden müsse.
Eine heilsame und befreiende Theologie hat sich nicht durchgesetzt Bereits vor ca. 750 Jahren hat der große Theologe Thomas von Aquin durch sein Studium der Bibel und der Schriften des griechischen Philosophen Aristoteles erkannt, dass die Natur durch die Naturgesetze in eine gewisse Eigenständigkeit gesetzt ist. In der Beziehung zur Natur hat die Kirche diese Erkenntnis von Thomas von Aquin im 13. Jahrhundert aufgegriffen, als sie im Zweiten Vatikanischen Konzil von der „Richtigen Autonomie der irdischen Wirklichkeiten“ sprach (In Gaudium et Spes, Kap 36).
Die geschaffenen Dinge und auch die Gesellschaften
haben ihre eigenen Gesetze und Werte, die der Mensch schrittweise erkennen,
gebrauchen und gestalten muss. Durch ihr Geschaffensein
haben alle Einzelwirklichkeiten ihren festen Eigenstand,
Eine notwendige Glaubenslehre fehlt immer noch Jede Zeitepoche hätte die Aufgabe, die jeweiligen Erkenntnisse über die Natur mit dem Glauben in zeitgemäßer Weise in Verbindung zu bringen, also ein sinnvolles Verständnis des Wirkens Gottes in der Natur zu formulieren. Im Verhältnis zwischen Glauben einerseits und Politik, Gesellschaft und Wirtschaft andererseits geschieht dies seit über hundert Jahren durch die „Katholische Soziallehre“, die aufgrund der gesellschaftlichen Veränderungen eine ständige Weiterentwicklung erfährt. Genauso notwendig wäre eine Glaubenslehre, die im Dialog mit den Erkenntnissen der Naturwissenschaften formuliert würde und mit deren Erkenntnisfortschritt weiterentwickelt wird. Dass eine solche Glaubenslehre nicht formuliert wird und damit den Gläubigen kein zeitgemäßes Verständnis vom Wirken Gottes in der Natur angeboten wird, ist eines der größten Defizite der Kirche, für das die Kirchenleitung die Verantwortung trägt. Stattdessen werden die irreführenden Gebete vom „allmächtigen Gott“ den Gläubigen zugemutet.
„Säkularisierung“ als Befreiung von religiös begründeten gewalttätigen Autoritäten Wenn Gebete,
Verkündigung und Glaubenslehre dem naturwissenschaftlichen Wissen der
Gläubigen widersprechen, wird bei vielen der Glaube zerstört.
Ein sinnvolles Leben braucht die Polarität von Rationalität und gesunder Spiritualität Auch wenn „Säkularisierung“ für viele Menschen zuerst einmal Befreiung und Fortschritt bedeutet, führt sie als nur rationale Sicht der Welt und des Menschen langfristig bei vielen immer stärker zu Egoismus und Sinnlosigkeit. Denn bei den meisten führt sie nicht zu einer Rationalität des Gemeinwohls, das ja u.U. auch Verzicht und Rücksichtnahme erfordern würde, sondern nur zur „Rationalität“ der eigenen kurzfristigen Interessen. Deshalb braucht ein sinnvolles Leben die Polarität von Eigenverantwortung und Gemeinschaftsverantwortung und die Polarität zwischen einer rationalen Sicht der Welt und des Menschen und einer spirituellen Verbundenheit mit der Welt und den Menschen. Aber für eine solche Spiritualität braucht es ein angemessenes Verständnis vom Wirken Gottes in der Welt, braucht es ein angemessenes Verständnis von der Eigendynamik der Natur, die nicht von Gott als Werkzeug der Züchtigung und Erziehung des Menschen missbraucht wird. Für eine solche Spiritualität braucht es aber auch Gebete, die ein angemessenes Verständnis vom Wirken Gottes in der Welt und im Menschen zum Ausdruck bringen.
Hanglberger Manfred (www.hanglberger-manfred.de )
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Eine
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