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Überlegungen und Vorschläge für Inhalte einer Enzyklika mit dem Untertitel „Die Sorge für unser inneres Haus“
Für das nachsynodale Glaubensdokument „Amoris Laetitia“ bin ich sehr dankbar. Dort sind auch einige Ansätze zur Beachtung psychischer Belastungen aus der Kindheit und aus dem Jugendalter für das Verständnis von Eheproblemen formuliert (Kap 239 u. 240). >>> Ich sehe dies als einen wertvollen Schritt in die richtige Richtung, der aber einer umfassenden Entfaltung bedarf. Bereits im Konzilsdokument „Gaudium et Spes“ (1965) heißt es: „In der Seelsorge sollen nicht nur die theologischen Prinzipien, sondern auch die Ergebnisse der profanen Wissenschaften, vor allem der Psychologie und der Soziologie, wirklich beachtet und angewendet werden, so dass auch die Laien zu einem reineren und reiferen Glaubensleben kommen.“ (Kap 62) „Durch ihr Geschaffensein selber
nämlich haben alle Einzelwirklichkeiten ihren festen Eigenstand, ihre eigene
Wahrheit, ihre eigene Gutheit sowie ihre Eigengesetzlichkeit und ihre eigenen
Ordnungen, die der Mensch unter Anerkennung der den einzelnen Wissenschaften
und Techniken eigenen Methode achten muss.“ (Kap 36) Diese Aussagen des Zweiten Vatikanischen Konzils sind - besonders was die Bedeutung der Psychologie für ein „reineres und reiferes Glaubensleben“ betrifft - noch keineswegs verwirklicht. Es ist für mich unvorstellbar, dass die Kirchenleitung das heutige Wissen über die Welt der Gefühle, die doch so wesentlich unser Verhalten im privaten, im gesellschaftlichen und religiösen Bereich positiv und negativ beeinflussen, noch nicht angemessen zur Kenntnis nimmt.
Nach der Umwelt-Enzyklika („Laudato
si“) mit dem Untertitel „Die Sorge um unser gemeinsames Haus“ wäre nun eine
weitere Enzyklika dringend notwendig zum Thema:
Einige Überlegungen und Vorschläge für die Inhalte einer solchen Enzyklika:
1. Als Grundlage ist eine ausführliche Beschreibung des christlichen Menschenbildes notwendig, wobei dieses nicht statisch zu beschreiben wäre, sondern als ein Menschenbild, das seelischen Wachstums- und Reifungsprozessen unterliegt.
2. Der Unterschied zwischen „Seele“ als der göttliche Wesenskern des Menschen und „Seele“ als „Psyche“ im Sinne von „Ort der Gefühle“ ist zu beschreiben.
3. Die vielfältige Welt der Gefühle
ist zu beschreiben, wobei die Gefühle in ihrer Bedeutung als Signale, als
Kraftquellen und als wesentliche Orientierungshilfen der Seele zu würdigen
sind.
4. Es ist Abschied zu nehmen von der
Bewertung und Verteufelung bestimmter Gefühle:
5. Zu beschreiben sind die Wechselwirkungen von Gefühlen (Gefühlssoziologie), die gesunde und ungesunde Abfolge von Gefühlen (Gefühlssukzession) und ihre Beeinflussbarkeit. Zudem sind die unbewussten Gefühlsanteile, die in einem bewussten Gefühl mitwirken können, zu beschreiben (Z.B. der mögliche Anteil von Liebe im Zorn, ein möglicher Anteil von Verachtung in der Liebe) und wie man sie erkennen und kanalisieren kann, damit sie nicht destruktiv wirken.
6. Zu beschreiben sind die vielfältigen Gefühlsverdrängungen, die vor allem in der Kindheit durch schmerzhafte und überfordernde Erfahrungen üblich und für die kindliche Seele oft notwendig sind und im späteren Leben als problematische Gefühlsverstärker wirken. Wenn sie nicht erkannt und aufgearbeitet werden, belasten sie das mitmenschliche Zusammenleben und sind ein häufiger Grund für Konflikte aller Art u.a. auch für Ehescheidungen.
7. Zu beschreiben sind die von einem Elternteil oder anderen Vorfahren übernommenen Gefühle, die ähnlich wie Gefühle, die in der Kindheit verdrängt wurden, die aktuellen Gefühle wie z.B. Zorn, Trauer oder Neid extrem verstärken können und dadurch das mitmenschliche Verhalten belasten.
8. Zu beschreiben ist das Phänomen der Projektionen: wie wir Gefühle aus der eigenen Kindheit oder aus dem Schicksal der Vorfahren auf Personen der Gegenwart projizieren und dadurch ein Verhalten praktizieren, das unsere Mitmenschen als ungerecht und überzogen empfinden und diese dann oft mit Entrüstung oder mit Rückzug reagieren.
9. Es ist wichtig, durch diese psychologischen Erkenntnisse zu erkennen, dass in vielen mitmenschlichen Konflikten der gute Wille allein nicht reicht für ein friedliches Zusammenleben, ja dass man sogar aus Liebe viele Fehler machen kann und einem guten Zusammenleben langfristig sehr schaden kann, wenn man nicht um die gesunde Ordnung der Liebe weiß, die die Psychologie aufzudecken in der Lage ist.
10. Gefühle, die wir nicht verstehen oder die uns nicht bewusst sind oder deren mögliche konstruktive Kanalisierung wir nicht kennen, belasten unser zwischenmenschliches Verhalten und besonders das Zusammenleben in der Partnerschaft und gegenüber Kindern.
11.
Manche Gefühle haben nicht nur mit Moral zu tun, sondern besitzen wichtige
spirituelle Anteile und können deshalb individuelle heilsgeschichtliche bzw.
heilszerstörende Wirkungen haben – wie z.B. Liebe, Verachtung, Minderwertigkeitsgefühle
und manche Formen der Angst.
12. Es wäre eine zentrale Aufgabe
der Kirche die Ursachen von fundamentalistischen, rigiden und
angstneurotischen Glaubenshaltungen zu erforschen und bekannt zu machen und
ebenso die Ursachen von menschlichen Verhaltensweisen, die dazu führen, dass
Menschen weggesperrt werden (in Gefängnisse und geschlossene psychiatrische
Abteilungen).
13. Thema Paarbeziehung: Es müssten Gefühlsbelastungen beschrieben werden, die in einer partnerschaftlich verstandenen Paarbeziehung typischerweise auftauchen und diese vor neue Herausforderungen stellen:
Aufgrund des christlichen Menschenbildes (siehe oben) ist es natürlich, dass es in einer partnerschaftlichen Ehe wegen der Einzigartigkeit jedes Menschen auch das Nicht-verstehen-können und das Nicht-verstanden-werden gibt. Dies
bewirkt manchmal auch Erfahrungen von Ohnmacht, Hilflosigkeit, Ratlosigkeit,
die Angst und Minderwertigkeitsgefühle auslösen können. Vor allem Männer
haben mit solchen Gefühlen Schwierigkeiten und müssen lernen, solche Gefühle
auszuhalten ohne aggressiv zu werden und ohne die Frau abzuwerten und zu
unterdrücken. Einsamkeitserfahrungen und seelische Schmerzen sind also als Signale der Seele zu verstehen, die uns auffordern, Wege der Heilung und der Ganz-Werdung zu suchen und zu gehen. Für das Aushalten dieser seelischen Schmerzen und Ängste kann der christliche Glaube eine wesentliche Hilfe sein. Aufgrund
der Einzigartigkeit jedes Menschen gibt es natürlicherweise auch Unterschiede
im Denken und Wollen, in den Interessen und Gefühlen. Um trotz dieser
Unterschiede die Gemeinsamkeit eines partnerschaftlichen Lebens zu
verwirklichen, ist die Bereitschaft und die Fähigkeit für Kompromisse
notwendig, aber in manchen Punkten auch die Fähigkeit sich durchzusetzen und
dann auch wieder die Bereitschaft, Verzicht zu üben. Wegen dieser Unterschiede der Partner und wegen der Notwendigkeit von Kompromissen sind zwischendurch auch Streit und Kritik und manchmal auch Zorngefühle natürlich – aber brauchen jeweils eine konstruktive Form, die es zu lernen und anzuwenden gilt!
Die seelischen Strukturen von Mann und Frau und die entsprechenden Beziehungsmuster in einer vornehmlich patriarchalen Kultur sind zu beschreiben und ihr Unterschied zu den seelischen Strukturen und Beziehungsmustern in einer partnerschaftlich geprägten Kultur. Zudem wäre es wichtig, die besonderen Belastungen und Konflikte in der Übergangsphase von einem patriarchalen zu einem partnerschaftlich geprägten Beziehungsmuster zu beschreiben.
Hinzuweisen
wäre auf heute bekannte problematische Beziehungsmuster, die einer Heilung
bedürfen, aber oft erst bewusst werden, wenn massive Konflikte auftreten.
Hinzuweisen ist auf die christliche Sicht von der gleichen Gottesebenbildlichkeit und Würde von Mann und Frau gerade für die Kulturen, in denen die traditionellen Mann-Frau-Beziehungen drastisch der christlichen Sicht widersprechen: · Zu verkünden ist die gleiche Würde und die gleichen Rechte von Mann und Frau. · Dazu gehört z.B. dass die Frau nicht Besitz des Mannes ist und ihm nicht untergeordnet und ihm gegenüber nicht zu Gehorsam verpflichtet ist. · Dazu gehört u.a. das Recht der Frau auf freie Partnerwahl und körperliche Selbstbestimmung. · Dazu gehört das Recht auf gleiche Bildungschancen und freie Berufswahl. · Dazu gehört das Recht auf finanzielle Eigenständigkeit und Selbstverwaltung. · Dazu gehört das Recht, auf öffentliche gesellschaftliche und politische Mitwirkung und Meinungsäußerung.
1. Es geht darum, sich rechtzeitig
Hilfe zu holen, wenn man mit seinen Gefühlen nicht mehr selbst zurechtkommt:
Nicht massive Gefühlsausbrüche in einer Ehe sind das eigentlich moralisch
Negative, sondern, wenn die Partner Jahre lang destruktiv streiten, weil sie
sich keine kompetente Hilfe holen, um die Dynamik ihrer Kommunikation zu
verstehen und zu verbessern. 2. Nicht Streit und Kritik z.B. in
einer Ehe sind moralisch negativ, sondern, wenn man nicht gelernt hat und
nicht lernen will, konstruktive Formen von destruktiven Formen von Streit und
Kritik zu unterscheiden und die positiven Formen einzuüben. Für eine gute
Streit- und Kritik-Kultur kann ein gesunder Glaube, der uns hilft, den
anderen in seiner menschlichen Würde trotz seines Andersseins zu achten, eine
große Hilfe sein. Der Glaube kann uns helfen, Gefühle der Angst, der
Unsicherheit und der Ohnmacht auszuhalten, die im Nicht-verstehen-können des anderen und im Nicht-verstanden-werden durch
den anderen in uns spürbar werden.
3. Gefühle von Zorn, Wut und
Verachtung zu spüren und sich diese Gefühle einzugestehen, sind keineswegs
ein Zeichen, dass die Liebe in einer Partnerschaft verschwunden ist, denn
durch Umsetzung dieser Gefühle in konstruktive Formen der Auseinandersetzung
wird gewöhnlich die Liebe wieder das mächtigste Gefühl werden. Vielmehr wird
das Verschweigen und die Unterdrückung dieser Gefühle und die Unfähigkeit zu
gutem Konfliktverhalten die Liebe abwürgen. Deshalb geht es darum, faires
Konfliktverhalten zu lernen, aber auch in der Selbsterkenntnis und in der
umfassenden Selbstannahme zu wachsen. Bei der Selbstannahme kann ein gesunder
Glaube eine große Hilfe sein.
4. Durch innere und äußere
Achtsamkeit (seelisch-geistige Wachheit) gilt es, die Vielfalt und Stärke der
Gefühle in uns und bei unseren Mitmenschen wahrzunehmen und ernst zu nehmen,
ihre Bedeutung zu verstehen und sinnvoll damit umzugehen. Der Glaube hilft
uns, das Leben ernst zu nehmen, er wahrzunehmen und uns selbst und unsere
Mitmenschen besser verstehen zu lernen.
5. Es gilt, das Gefühl der Liebe
nicht nur als ein zufälliges Signal der Psyche zu betrachten, sondern als
etwas Göttliche in uns und zwischen uns. Der Glaube lehrt uns, „an die Liebe
als etwas Göttlichem zu glauben“, der Pflege und dem Erhalt der Liebe einen
vorrangigen Platz in unserer Lebensgestaltung und Verantwortung einzuräumen.
Der Glaube an die Liebe ist zu bekennen und zu pflegen.
6. Egoismus, Hedonismus und vor allem
alle Verfehlungen gegen die „Zehn Gebote“ sind zu beschreiben als mögliche kindliche
Problemlösungsmuster bzw. als Auswirkungen von Schicksalsschlägen und
Familienstrukturen, die leider (vor allem im Erwachsenenalter) zusätzliche
Probleme verursachen. Um diese hier beschriebene Sicht moralischer Probleme zu verwirklichen, wäre eine Weiterentwicklung der kirchlichen Beichtpraxis notwendig! Wer sich intensiv mit der Analyse und der Lösung bzw. Heilung partnerschaftlicher Probleme beschäftigt, kann entdecken, wie wichtig dabei gute und problemorientierte Gebete und entsprechende religiöse Riten sein können. Gute kirchliche Ehe-Therapie kann eine praktische Heilshandlung und Heilsverkündigung im Sinne Jesu sein – und damit indirekt und absolut unaufdringlich eine christliche Neu-Evangelisierung!
Die Kirche hat die Aufgabe, die Zeichen der Zeit zu deuten und den Menschen zu helfen, liebevoll und verantwortungsvoll miteinander umzugehen. Dazu sind die Erkenntnisse der Psychologie in unserer Zeit eine entscheidende Hilfe.
Deshalb wäre es für die Kirchenleitung notwendig, den Gläubigen und allen interessierten Menschen zu helfen, ihre „innere Welt“, die Welt ihrer Gefühle besser zu verstehen und verantwortungsvoll mit den dort vorhandenen Belastungen umzugehen, um der Liebe, der Mitmenschlichkeit, dem Frieden und der Überwindung negativer Verhaltensweisen zum Sieg zu verhelfen. Das wäre eine für unsere Zeit wichtige Form der Mitarbeit am Wachstum des Reiches Gottes.
Deshalb bitte ich Papst
Franziskus, eine Enzyklika zu veröffentlichen mit dem Thema
Manfred Hanglberger (www.hanglberger-manfred.de ) |
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Link zum Teilen: https://hanglberger-manfred.de/neuevangelisierung-sorge-um-unser-inneres-haus.htm
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Texte und Übungen (heilende Riten) zur Familientherapie
Verschiebung von seelischem Hunger
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