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Wie eine synodale Kirche im Geiste Jesu sein sollte:
Eine Erfahrung als Seelsorger, die mir die Augen geöffnet hat:
Nachdem in einer Pfarrei ein paar Frauen unabhängig voneinander mich als Seelsorger um Hilfe in persönlichen Problemen gebeten hatten und ich mit ihnen Gespräche geführt hatte, war mir klar geworden, dass diese Frauen eine längere seelsorgliche Begleitung bräuchten. Da ich aber merkte, dass ich damit an meine zeitlichen Grenzen stoßen würde, dachte ich, dass es gut wäre, wenn diese Frauen vieles miteinander besprechen könnten und nur wenn sie nicht mehr weiterwissen, sich zusätzlich kompetente Hilfe holen sollten.
Die Katholische Erwachsenenbildung sah das entscheidende Problem So organisierte ich einen Frauengesprächskreis, der bei den ersten acht Treffen von einer erfahrenen Familientherapeutin geleitet werden sollte. Für die Finanzierung beantragte ich einen Zuschuss von der Katholischen Erwachsenenbildung des Landkreises. Von dessen Leiter bekam
ich eine Nachricht, die für mich theologisch sehr erschütternd war. Er sagte
mir nämlich am Telefon:
Unsere „Gläubigen“ haben Angst voreinander Das war für mich die erschreckende Erkenntnis: „Die Leute haben Angst voreinander!“ So sehr, dass sie sich voreinander verstecken. So bleiben sie allein mit ihren Sorgen und Problemen und leiden darunter, ohne sich gegenseitig zu helfen. Denn wer Probleme hat, wird abgewertet und allein gelassen, vielleicht sogar mit innerer Schadenfreude betrachtet, weil die anderen ja auch Probleme haben und sich damit allein gelassen fühlen. Zur Angst voreinander kommen nicht selten noch ein rücksichtsloses Konkurrenzdenken, gegenseitige Abwertung und vielleicht sogar Gehässigkeit und Schadenfreude – statt Mitgefühl und Hilfsbereitschaft. Wenn es um materielle und körperliche gesundheitliche Probleme geht, sind Mitgefühl und Hilfsbereitschaft in einer Dorfgemeinschaft meist vorhanden; aber wenn es um Beziehungsprobleme und psychische Belastungen geht, erfahren sich die Leute gewöhnlich unverstanden und allein gelassen.
Was bedeutet diese
Erfahrung theologisch?
Eine Familientherapeutin hat seelsorglich ausgezeichnet gearbeitet Nun hat die von mir engagierte Familientherapeutin so gut gearbeitet, dass die Frauen in dieser Gruppe die Angst voreinander verloren haben. Nachdem die acht Treffen zusammen mit der Familientherapeutin zu Ende waren, trafen sich diese Frauen weiterhin, um ihr Leben miteinander zu besprechen. Wenn sie bei manchen Problemen selbst keine Lösung fanden, zahlten sie zusammen und engagierten die Familientherapeutin wieder zu einem Problemgespräch. Einige Jahre später, nachdem ich als Seelsorger inzwischen die Pfarrei gewechselt hatte, traf ich eine der Frauen aus dieser Gruppe wieder und erfuhr, dass sie sich immer noch treffen. Auch einen Ehemann von einer der Frauen traf ich nach einigen Jahren. Dieser gestand mir, dass er den Eindruck hat, dass seine Frau inzwischen bei wesentlichen Fragen des Lebens ihm einiges voraus sei.
Der Sinn christlicher Gemeinschaft (=Kirche) Mir wurde bewusst, dass genau dies der Sinn von christlicher Gemeinschaft und damit ein wesentlicher Sinn der Kirche ist: Dass Menschen in überschaubaren Gemeinschaften durch eine Kommunikation, die von Wertschätzung, Offenheit und Vertrauen geprägt ist, die Angst voreinander verlieren und sie dadurch ihr Leben wirklich miteinander teilen, weil sie ihre Sorgen und Probleme, ihre Lebenssinn-Visionen und ihre schönen und wertvollen Erfahrungen einander mitteilen können. Vor allem haben diese Frauen dadurch erlebt, dass bei ihnen ein seelisch-geistiger Entwicklungsprozess angestoßen wurde, wodurch sie ihr Leben spannend, interessant und sinnvoll erfahren konnten. Zudem lernten sie, Konflikte in der Familie und mit anderen Mitmenschen besser zu verstehen und konstruktive Lösungen zu finden.
Überlegungen, wie „Gemeinschaften des Vertrauens“ aufgebaut werden könnten:
1. Die vorhandene Angst voreinander (die Tatsache der „Unerlöstheit“) wahrnehmen, ebenso das gesellschaftlich übliche bewertende und abwertende Denken und Reden. Gemeinsam überlegen, warum unter manchen Gläubigen bewertendes Sprechen besonders ausgeprägt ist.
2. Die Ursachen der Angst voreinander und die Ursachen des bewertenden und abwertenden Denkens und Sprechens miteinander überlegen.
3. Die Bedeutung der Schutzbedürftigkeit für das Sprechen über persönliche Probleme thematisieren.
4. Eine Verpflichtung der Schweigepflicht gegenüber den Personen außerhalb der Gruppe vereinbaren, um dadurch Wertschätzung und Achtung gegenüber den persönlichen Aussagen der anderen Teilnehmer|innen zu zeigen.
5. Das Problem der Bewertung der Gefühle thematisieren, um gegenüber allen Gefühlen bei sich selbst und bei den Gruppenmitgliedern Achtung und Anteilnahme zu zeigen; denn es gilt Gefühle zu verstehen, statt sie zu bewerten. Die Gruppe kann jedem Mitglied helfen, belastende Gefühle besser zu verstehen. (Ausführlicher: https://hanglberger-manfred.de/gefuehle-verstehen-statt-bewerten.htm)
6.
Überlegen, was es heißt, von
innen her zu entscheiden und zu handeln:
7.
Überlegen, was die christliche
Forderung bedeutet: „Urteilt nicht!“ (Mt 7,1)
8.
Für deutliche
Meinungsverschiedenheiten die Spielregeln für „konstruktives Streiten“ und „faires
Kritisieren“ besprechen:
9.
Bei Konflikten in der Gruppe
oder bei Erzählungen von Konflikten mit anderen Menschen die Möglichkeit von
Projektionen bedenken und u.U. mit heilenden Riten auflösen.
10. Gebete miteinander formulieren, die das Problem der vertrauensvollen Kommunikation thematisieren. Ein Beispiel:
Ewiger Gott, Manfred Hanglberger (www.hanglberger-manfred.de)
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