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Das enttäuschende Kommunikationsverhalten von Dr.
Schuppe
Sehr geehrter Herr Kardinal,
in der Veranstaltung der Domberg-Akademie Freising letzten Dienstag (17.01.2023) mit Ihnen gab es so viele Fragen, dass Sie das Angebot machten, Ihnen diese Fragen zu schreiben, um sie zu beantworten.
Für dieses Angebot danke ich Ihnen und nehme es gerne an. Papst Benedikt XVI. sagte mal im Hinblick auf den Missbrauchsskandal: „Der Teufel hat der Kirche Schmutz ins Gesicht geworfen.“ Pater Mertes meinte dazu, dass man wohl eher sagen müsste, dass die Kirche Jesus Schmutz ins Gesicht geworfen habe.
MEINE FRAGE: Warum hat die Kirche immer noch hauptsächlich mythologische Antworten auf die Frage nach der Ursache des destruktiven Verhaltens des Menschen (Teufel und Erbsünde)? Warum gibt es keine zeitgemäße Glaubenslehre über die Ursache des destruktiven Verhaltens des Menschen? Meine Überlegungen dazu: https://hanglberger-manfred.de/boese.pdf
In einem Konzilsdokument heißt es: „Gott verbietet uns, über die innere Schuld von irgend jemandem zu urteilen“ (GS 28)
Ein Therapeut, der mit Tätern und Opfern arbeitet, sagte mir: Wissenschaftlich erwiesen ist es, dass man nur Täter wird, wenn man vorher Opfer war, persönlich - oder als Mitglied einer generationsübergreifenden Kette von Opfern und Tätern. Der Traumaexperte und Systempsychologe Professor Dr. Franz Ruppert kritisiert die gängigen pathologischen Diagnosen wie „psychisch krank“, „psychotisch“ oder „Psychopath“ als sinnlos. Diese sind für ihn nichts weiter als leere Symptombeschreibungen und Etiketten, die aber die Tatsache einer möglichen Traumatisierung von Tätern nicht ansprechen bzw. die Frage nach den Ursachen überhaupt nicht stellen. „Werden offensichtliche Trauma-Täter mit pathologisierenden Diagnosen belegt, erscheinen sie als unverständliche „Monster“, auf die man dann mit Abscheu und Entsetzen blicken darf. Die Täter-Opfer-Dynamik, die in den Verhaltensweisen von Trauma-Tätern zum Ausdruck kommt und ihr eigenes Opfersein werden so nicht erkannt. Das Verhalten von Trauma-Tätern erscheint wie ein unverständliches Mysterium, statt zu verstehen, dass ihre enorme Destruktivität die Folge ihres psychischen Schmerzes ist, der ihnen ursprünglich zugefügt wurde und den sie nicht in sich hochkommen lassen können.“
MEINE FRAGE: Werden von der Kirchenleitung die psychologischen Hintergründe von sexuellem Missbrauch untersucht und entsprechende Präventionsmaßnahmen entwickelt? UND: Warum hat die Kirche keine zeitgemäße Glaubenslehre zu den psychischen Reifungs- und Heilungsprozessen im Menschen und ihren Blockaden (Psychologie und Glaube)?
Mit herzlichen Segenswünschen Manfred Hanglberger
Nachdem ich vier Wochen keine Antwort auf meine Fragen erhalten hatte, schrieb ich eine neue Mail an Kardinal Marx:
Sehr geehrter Herr Kardinal,
heute ist es vier Wochen her, dass ich Ihnen Fragen zum sexuellen Missbrauch geschickt habe, aber noch keine Antwort erhalten habe. So bitte ich Sie, mir mitzuteilen, ob ich noch mit einer Antwort rechnen darf.
Außerdem nutze ich die Gelegenheit, Ihnen noch eine weitere sehr wichtige Frage zu stellen in einem Bereich, in dem Sie als Sozialethiker besonders qualifiziert sind: Ich habe festgestellt, wenn in kirchlichen Sozialenzykliken individualethische Aspekte thematisiert werden, oft von „Egoismus“ und „egoistisch“ die Rede ist. Im Anhang zu dieser Mail habe ich die entsprechenden Zitate aus „Sollicitudo rei socialis“ und aus „Fratelli Tutti“ mit diesen Begriffen zusammengestellt. (Datei im Anhang) https://hanglberger-manfred.de/egoismus-egoistisch.htm
Als Seelsorger und als Therapeut verwendet man diese Begriffe niemals, um das destruktive Verhalten eines Menschen zu beschreiben, weil sie nicht helfen, einen Menschen besser zu verstehen, sondern nur wie ein Etikett wirken. Auch das Gebot aus der Bergpredigt „Richtet nicht!“ (Mt 7,1) und die Aussage aus dem Konzilsdokument „Gaudium et Spes“ „Gott verbietet uns, über die innere Schuld von irgendjemandem zu urteilen“ (GS 28) verbieten uns nach meiner Überzeugung, die Worte „Egoismus“ und „egoistisch“ als ethische Begriffe in einem kirchlichen Glaubensdokument zu gebrauchen. Hier zeigt sich, dass es in der Kirche keine zeitgemäße Glaubenslehre zu den destruktiven Verhaltensweisen des Menschen gibt.
Meine Frage: Warum konfrontieren unsere Bischöfe die Verantwortlichen im Vatikan nicht mit den Defiziten in den kirchlichen Glaubensdokumenten?
Mit herzlichen Segenswünschen Manfred Hanglberger
Am 16.Febr. schrieb mir Dr. Florian Schuppe aus dem Ordinariat München-Freising:
Sehr geehrter Herr Hanglberger,
es tut mir leid, dass Sie auf Ihre Frage an Herrn Kardinal Marx bisher keine Antwort bekommen haben. An mich wurde die Bitte gerichtet, ob ich als Verantwortungsträger im Bereich Theologische Grundsatzfragen Ihnen antworten könnte, mir war allerdings nicht bewusst, dass Sie noch gar keine Reaktion bekommen haben. Das tut mir leid.
Ihre Frage zielt natürlich auf ein komplexes theologisches und psychologisches Feld ab, in der alle Antworten zu Fragen zum Zusammenspiel von individueller und kollektiver Verantwortung abstrakt nur Beziehungsfelder beschreiben können. Und natürlich weisen Sie zurecht darauf hin, dass es hier in der Forschung und Praxis von Seelsorge und Therapie sehr viel Veränderung stattgefunden hat und weiter stattfindet. An vielen Stellen ist die Glaubenslehre tatsächlich eine notwendig lernende.
Trotzdem glaube ich, dass die katholische Tradition hier viel zu bieten hat und sich lohnt genau auch jenseits des zeitgebundenen Sprachkolorit zu lesen und zu verstehen lohnt. Mehr als hier in einer knappen Mail möglich ist.
Deswegen fände ich es eigentlich am angemessensten mit Ihnen zu all dem in einem Telefongespräch in Kontakt zu kommen. Wäre das für Sie denkbar?
Mit herzlichen Grüßen Florian Schuppe
Meine Antwort am 17. Febr. auf die Mail von Dr. Schuppe:
Sehr geehrter Herr Dr. Schuppe,
wenn man an der kirchlichen Basis als Seelsorger tätig ist, bekommt man von Ärzten, Ingenieuren und Professoren schriftlich und mündlich ähnliche Fragen gestellt, wie ich sie an den Herrn Kardinal gestellt habe. Diese Menschen erwarten verständliche und hilfreiche Antworten.
Ich glaube nicht, dass meine Fragen – wie Sie schreiben - das „Zusammenspiel von individueller und kollektiver Verantwortung“ betreffen oder dass „alle Antworten … abstrakt nur Beziehungsfelder beschreiben können“. Ich konnte Ihrem Schreiben auch nicht entnehmen, dass meine Fragen kirchlich und theologisch nicht berechtigt wären.
Da ich hoffe, dass Sie meine Fragen und Ihre Antworten darauf mit dem Herrn Kardinal besprechen, schreibe ich Ihnen, was ich konkret erwarte – so wie die Personen in meinen Pfarreien, die mir grundlegende Fragen gestellt haben, hilfreiche Antworten erwartet haben:
1. Frage: Warum hat die Kirche immer noch hauptsächlich mythologische Antworten auf die Frage nach der Ursache des destruktiven Verhaltens des Menschen (Teufel und Erbsünde)? Warum gibt es keine zeitgemäße Glaubenslehre über die Ursache des destruktiven Verhaltens des Menschen?
Eine erhoffte Antwort – für den Fall, dass meine Frage korrekt und sinnvoll ist: Kardinal Marx wird bei den Verantwortlichen im Vatikan hinweisen auf die Notwendigkeit der Erarbeitung einer „zeitgemäße Glaubenslehre über die Ursache des destruktiven Verhaltens des Menschen“. Sollte sich Kard. Marx nicht mit meinem Anliegen identifizieren können, würden mich natürlich seine Argumente dagegen interessieren.
Ergänzungsfrage: Werden meine Überlegungen zu den Ursachen des destruktiven Verhaltens des Menschen als hilfreich und zutreffend gesehen? https://hanglberger-manfred.de/boese.pdf
2. Frage: Werden von der Kirchenleitung die psychologischen Hintergründe von sexuellem Missbrauch untersucht und entsprechende Präventionsmaßnahmen entwickelt?
Eine erhoffte Antwort: - Nein, nicht geplant; - JA: Wer und seit wann? - NEIN, aber geplant: Wie?
Frage 2b: Warum hat die Kirche keine zeitgemäße Glaubenslehre zu den psychischen Reifungs- und Heilungsprozessen im Menschen und ihren Blockaden (Psychologie und Glaube)?
Eine erhoffte Antwort (dieses Defizit ist ärgerlich und für die Kirche beschämend!): Kardinal Marx wird bei den Verantwortlichen im Vatikan hinweisen auf die Notwendigkeit der Erarbeitung einer „zeitgemäße Glaubenslehre über Psychologie und Glaube“. Meine Überlegungen dazu: https://hanglberger-manfred.de/neuevangelisierung-sorge-um-unser-inneres-haus-PDF.pdf https://hanglberger-manfred.de/saekularisierung-ursachen-und-loesung.pdf
Frage 3 (im neuen Schreiben): Warum konfrontieren unsere Bischöfe die Verantwortlichen im Vatikan nicht mit den Defiziten in den kirchlichen Glaubensdokumenten?
Beim Ad-Limina-Besuch holten sich unsere Bischöfe vatikanischen Tadel ab, aber konfrontierten die Verantwortlichen im Vatikan nicht mit den zahlreichen Defiziten in der Glaubenslehre und in der Liturgie, für die diese die Verantwortung tragen. Dadurch wird die Evangelisierung enorm behindert! Merkt man diese Defizite nur in der Arbeit an der Basis der Kirche und nicht auf der Ebene der Bischöfe?
Wenn Sie schreiben „An vielen Stellen ist die Glaubenslehre tatsächlich eine notwendig lernende.“ kann ich das beim Thema meiner zweiten Mail nicht erkennen; denn die Enzykliken, die ich diesbezüglich analysierte, waren von 1987 (Sollicitudo Rei Socialis) und von 2020 (Fratelli Tutti).
Verschiedene Personen aus meinem Bekanntenkreis, denen ich von meinen Fragen erzählt habe, zeigten großes Interesse, über die Antworten des Herrn Kardinal auch informiert zu werden. Deshalb bitte ich Sie um eine schriftliche und hilfreiche Antwort; denn ein Telefongespräch kann ich als hilfreiche Antwort nicht weitergeben.
Da meine Fragen weder mich noch eine andere Person in dessen Personrechten berühren, sondern von allgemeinem kirchlichem Interesse sind, würde ich Ihre Antworten auf meine Fragen in meiner Website (ca. 700 Besucher täglich) und/oder auf anderen Wegen veröffentlichen.
Mit herzlichen Segenwünschen Manfred Hanglberger
Am 3. März schrieb Herr Dr. Schuppe auf meine Mail:
Sehr geehrter Herr Pfr. i. R. Hanglberger,
haben Sie Dank für Ihre erneute Zuschrift. Schade, dass in Ihren Augen ein Gespräch zu diesen Themen nicht als weiterführend ansehen.
Selbstverständlich arbeitet das Erzbistum bei seiner Präventionsarbeit und bei allen Maßnahmen, die im Zusammenhang mit sexuellem Missbrauch zu ergreifen sind, eng mit entsprechenden Fachleuten zusammen und greift dabei auch die aktuellen, wissenschaftlich gesicherten und anerkannten Erkenntnisse der Humanwissenschaften auf.
Hinsichtlich der Diskussion über „das Böse“ möchte ich Sie doch auch hier auf die reichhaltige Literatur verweisen. Eine rein individualpsychologische Blickrichtung wird dem dabei diskutierten Sachverhalt nicht gerecht. Als Theologe dürfte Ihnen die philosophische und theologische Befassung, und als Therapeut wahrscheinlich auch die sozialpsychologische Auseinandersetzung spätestens seit Eugen Drewermann gegenwärtig sein. Dass dabei auch eine metaphorische Redeweise hilfreich sein kann, um die Erfahrung des extrinsisch auf den Menschen zukommenden Bösen zu beschreiben, ist ebenfalls keine unzulässige Verfahrensweise.
Leider ist es uns im Rahmen der Nachfragen zur Onlineveranstaltung nicht möglich so detailliert wie Sie es in Ihrer Nachricht erbitten auf die damit verbundenen Fragestellungen einzugehen.
Mit freundlichen Grüßen Florian Schuppe
Meine Mail-Antwort am 06. März 2023:
Sehr geehrter Herr Dr. Schuppe,
zu Ihrer Aussage: „Selbstverständlich arbeitet das Erzbistum bei seiner Präventionsarbeit und bei allen Maßnahmen, die im Zusammenhang mit sexuellem Missbrauch zu ergreifen sind, eng mit entsprechenden Fachleuten zusammen und greift dabei auch die aktuellen, wissenschaftlich gesicherten und anerkannten Erkenntnisse der Humanwissenschaften auf.“
Bisher konnte ich im Zusammenhang mit dem Missbrauchsskandal von keinem Bischof lesen, dass auch die psychische Struktur der Täter erforscht wird, um auch von dieser Seite her präventiv tätig werden zu können.
Einzig in der Beschlussvorlage des Synodalforums II („Priesterliche Existenz heute“) für die Fünfte Synodalversammlung (9.-11.3.2023) zum Thema „Prävention sexualisierter Gewalt, Intervention und Umgang mit Tätern in der katholischen Kirche“ sind Forderungen für eine therapeutische Arbeit für Täter formuliert.
Ich befürchte aufgrund der öffentlich zugänglichen Informationslage, dass Ihre Worte nicht den Taten der Bischöfe entsprechen.
Zum Thema „das Böse“ bin ich als Seelsorger, Theologe und Familientherapeut zur Überzeugung gekommen, dass der Umgang der Kirche mit diesem Problem überholt und unzeitgemäß ist, wie es z.B. auch das Interview am 24. 02.2023 mit den Bischöfen Kohlgraf und Overbeck (abgedruckt in „katholisch.de“) zeigt. Auch eine metaphorische Redeweise, die die Erfahrung des extrinsisch auf den Menschen zukommenden Leidvollen zu beschreiben versucht, ist nach meiner Überzeugung keine für unsere Zeit zulässige Verfahrensweise.
Leider beobachte ich nicht wenige akademisch gebildete und nicht akademisch gebildete Zeitgenossen, die bei dieser Art von metaphorischen Redeweisen der Kirche im Zusammenhang mit diesen Problemen nur in Gelächter ausbrechen. Deshalb sehe ich in Ihren Ausführungen meine These nicht widerlegt, dass die Kirche keine zeitgemäße Glaubenslehre zu den destruktiven Verhaltensweisen des Menschen hat. Leider ist dieses Defizit in meinen Augen ähnlich beschämend und pastoral ärgerlich wie manche Glaubensaussagen der Kirche über Sexualität und wie manche offiziellen Gebete (Siehe dazu zwei PDF-Texte im Anhang). https://hanglberger-manfred.de/sexualitaet-negative-sicht-der-kath-kirche.htm https://hanglberger-manfred.de/salve-regina.htm
Welchen Sinn haben groß angelegte Informationsveranstaltungen wie jene am 17. Januar dieses Jahres, wenn es dann nicht möglich ist, detailliert auf die damit verbundenen Fragestellungen einzugehen – wie Sie schreiben? Deshalb warte ich immer noch auf eine hilfreiche Antwort auf meine Fragen.
Mit freundlichen Grüßen Manfred Hanglberger
Antwort-Mail von Herrn Dr. Schuppe:
Sehr geehrter Herr Hanglberger,
nun melde ich mich noch einmal bei Ihnen. Ich verstehe, dass Sie das Thema gerne vertieft betrachten möchten und auch längst tun. Das respektiere ich und begrüße ich auch. Was Ich Ihnen aber nicht bieten kann ist einen vertieften, längeren Text von Kardinal Marx zu diesem Themenspektrum. Allerdings finden Sie vielleicht manch vertiefte Äußerung im Rahmen der Eröffnung der aktuellen Ausstellung „Verdammte Lust“ im Diözesanmuseum Freising, die in jedem Fall eine Reise wert ist.
Mit herzlichen Grüßen Florian Schuppe
Meine Antwortmail am 20. März:
Sehr geehrter Herr Dr. Schuppe,
natürlich ging ich nicht davon aus, dass Kardinal Marx persönlich auf meine Fragen antwortet, sondern einen Mitarbeiter/eine Mitarbeiterin damit beauftragt, mir in seinem Sinne zu antworten. Was mich sehr geärgert hat, ist Ihr Versuch, mich mit nichtssagendem Gerede abzuwimmeln, obwohl meine Fragen sehr wesentlich und wichtig sind und auf sehr ärgerliche Defizite in der Kirche Bezug nehmen.
Als Seelsorger in einer Pfarrei kann man es sich nicht leisten, auf ernst zu nehmende Fragen von Gläubigen so zu reagieren, wie Sie es gemacht haben. Warum man auf Diözesanebene sich ein solches Verhalten erlauben kann, ist mir ein Rätsel.
Was ich von Ihnen erwartet hätte: Dass Sie Kardinal Marx auf die von mir erwähnten Defizite hinweisen und ihn bitten, nach seinen Möglichkeiten darauf hinzuwirken, diese Defizite zu beseitigen.
Wenn man Jahrzehnte lang sich in der Seelsorge sehr engagiert und Jahrzehnte lang unter den Defiziten der Kirche leidet, ist es extrem ärgerlich, wenn man von einem wichtigen Vertreter der Kirchenleitung eingeladen wird, Fragen zu stellen, aber diese dann nicht beantwortet werden.
Was mich weiterhin wütend macht, ist die Tatsache, dass es so viele Baustellen in der Kirche gibt, aber die Verantwortlichen in der Kirchenleitung wegschauen, so dass eine frühere Diözesanvorsitzende eines kirchlichen Jugendverbandes kürzlich zu mir sagte: „Die Bischöfe fahren sehenden Auges die Kirche an die Wand.“
Dass Sie mich nicht falsch verstehen: Ich halte die Themen des Synodalen Weges durchaus für sinnvoll und notwendig. Aber zu meinen, dass die dort behandelten vier Themen die Wende für die Abwärtsentwicklung der Kirche bewirken werden, halte ich für erschreckend naiv. Die theologischen, liturgischen und spirituellen Defizite sind in der katholischen wie in der evangelischen Kirche gewaltig und werden offensichtlich in beiden Kirchen weder gesehen, noch bearbeitet.
Vor allem bei einem Hauptproblem, nämlich der sogenannten
„Säkularisierung“, sehe ich weit und breit keine ernsthafte Bearbeitung
(Siehe Anhang).
Mit den besten Wünschen für eine gesegnete Fastenzeit Manfred Hanglberger
Die Antwort von Dr. Schuppe:
Sehr geehrter Herr Hanglberger,
schade, dass wir nicht zusammenkommen und sie meine Antworten, die ja unter anderem in einem direkten Kontaktangebot zu einem vertieften Gespräch bestanden, als nichtsagend empfinden. Ich kann Ihnen nur sagen, dass auf diesem Wege einige schöne Kontakte zustande gekommen sind, in deren Rahmen die jeweiligen und sehr vielfältigen Themen vertieft werden konnten. Auch ich komme ja als Patoralreferent aus dem Pfarreihintergrund und kenne die Ernsthaftigkeit der Themen und Gespräche von dem her, wie Sie sehr gut.
Ich erlebe, dass gesamte Themenfeld der Auseinandersetzung mit dem, was unter dem Theologischen Begriff des „Bösen“ und der „Sünde“ subsumiert werden gerade dort, wo es um Sexualität geht, in Bewegung. Oft ungerichtet und hilflos und im alten Denkgebäude verbleibend, aber in Bewegung. Dort wo andere Ansätze vorgelegt werden, wie beispielsweise beim Grundtext zum Forum 4, wird deutlich, wie sehr sich hier „ein System“ in Frage gestellt sieht. Der Abschied von einem – da würde ich Ihnen zustimmen – toxischen System, das aber eigene Deutungsmacht sichert, wird weiter verschoben. Dies halte ich für das „sehenden Auges“ mancher Bischöfe. Wie dazu ehrliche Räume geöffnet werden können, die eine eigene Auseinandersetzung ermöglich und sprachfähig machen ist eine der großen Fragen. Und offensichtlich bietet die Kunst hier wichtige Ansätze (vgl. Performance bei Synodalen Weg und die Ausstellung in Freising). Aber ob das ´reicht bei der Vielzahl der Opfer und Betroffenen?
Mit herzlichen Grüßen Florian Schuppe
Antwort-Mail von Herrn Dr. Schuppe vom 21. März 2023:
Sehr geehrter Herr Hanglberger,
schade, dass wir nicht zusammenkommen und sie meine Antworten, die ja unter anderem in einem direkten Kontaktangebot zu einem vertieften Gespräch bestanden, als nichtsagend empfinden. Ich kann Ihnen nur sagen, dass auf diesem Wege einige schöne Kontakte zustande gekommen sind, in deren Rahmen die jeweiligen und sehr vielfältigen Themen vertieft werden konnten. Auch ich komme ja als Patoralreferent aus dem Pfarreihintergrund und kenne die Ernsthaftigkeit der Themen und Gespräche von dem her, wie Sie sehr gut.
Ich erlebe, dass gesamte Themenfeld der Auseinandersetzung mit dem was unter dem Theologischen Begriff des „Bösen“ und der „Sünde“ subsumiert werden gerade dort wo es um Sexualität geht, in Bewegung. Oft ungerichtet und hilflos und im alten Denkgebäude verbleibend, aber in Bewegung. Dort wo andere Ansätze vorgelegt werden, wie beispielsweise beim Grundtext zum Forum 4, wird deutlich, wie sehr sich hier „ein System“ in Frage gestellt sieht. Der Abschied von einem – da würde ich Ihnen zustimmen – toxischen System, das aber eigene Deutungsmacht sichert, wird weiter verschoben. Dies halte ich für das „sehenden Auges“ mancher Bischöfe. Wie dazu ehrliche Räume geöffnet werden können, die eine eigene Auseinandersetzung ermöglich und sprachfähig machen ist eine der großen Fragen. Und offensichtlich bietet die Kunst hier wichtige Ansätze (vgl. Performance bei Synodalen Weg und die Ausstellung in Freising). Aber ob das ´reicht bei der Vielzahl der Opfer und Betroffenen?
Mit herzlichen Grüßen Florian Schuppe
Meine Antwort-Mail am 25. März 2023:
Sehr geehrter Herr Dr. Schuppe,
Danke für Ihre Mail vom 21.März.
Die Begriffe des „Bösen“ und der „Sünde“ habe ich in meiner Mail nicht auf Sexualität bezogen, sondern diese sind grundsätzlich in der aktuellen Kirchenlehre unzeitgemäß verwendet, wohl weil eine umfassende Glaubenslehre zu den destruktiven Verhaltensweisen des Menschen leider fehlt. Warum macht der Vatikan seine Hausaufgaben nicht und warum machen unsere Bischöfe den Vatikan auf diese Defizite, die wesentlich eine zeitgemäße Evangelisierung verhindern, nicht aufmerksam? Dass die Bischöfe sehenden Auges die Kirche an die Wand fahren, ist inzwischen leider schon Jahrzehnte lang zu beobachten. Hier einige wichtige Defizite, die die Verantwortlichen in der Kirchenleitung offensichtlich verschlafen:
Die Kirche hat keine zeitgemäße Glaubenslehre zur Erlösungsbedüftigkeit des Menschen. Die Kirche hat keine zeitgemäßen Liturgien und Riten, um auf die Erlösungsbedürftigkeit der Menschen heute zu antworten. Die Kirche hat keine zeitgemäße Glaubenslehre zu den Ursachen des destruktiven Verhaltens des Menschen. (Stattdessen wird vom Teufel und der Erbsünde geredet.) Die Kirche hat keine zeitgemäße Glaubenslehre zu den psychischen Reifungs- und Heilungsprozessen und der Gefühlswelt des Menschen. (Stattdessen werden Zorn, Hass und Gier zu Sünden erklärt, statt deren Signale zu verstehen und zu bearbeiten.) Die Kirche hat keine zeitgemäße Glaubenslehre zu einem zeitgemäßen Autoritätsverständnis und zu den Wegen der Mündigkeit des Menschen. Die Kirche hat keine zeitgemäße Glaubenslehre zum Wirken Gottes in der Natur auf dem Hintergrund des modernen naturwissenschaftlichen Weltbildes. Die Kirche hat keine zeitgemäße Glaubenslehre zum Prozess der Säkularisierung. (Deshalb wird ein fundamentales Problem der Religionen, das von Europa ausging und zum Feindbild der Kirche wurde, nicht bearbeitet.) Entsprechend unzeitgemäß und lebensfern sind viele Liturgien und offiziellen Gebete.
Wundert es da noch, dass auch viele Gläubige aus den Kerngemeinden sich von der Kirche verabschieden und auch die Erfolge des Synodalen Weges die Abwärtsentwicklung der Kirche nicht aufhalten werden?
Mit den besten Wünschen für eine gesegnete Fastenzeit Manfred Hanglberger
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