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Kreuzestod Jesu in seiner erlösenden Wirkung (M.Hanglberger)
>> „Erlösung“ – wovon? (M.Hanglberger)
>> Erlösung nur von Schuld und Sünde? (M.Hanglberger)
>> Wie steht Gott zur Schuld des Menschen? (M.Hanglberger)
>> Vom Zweck zum Sinn des Kreuzes (Eugen Biser)
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Vom Zweck zum Sinn des Kreuzes Aus einem Vortrag von Eugen Biser (im Bayr.Rundfunk am 27.08.1995, 08.30 Uhr) |
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Die theologische Forschung konzentriert
sich in letzter Zeit auf die auch zahlreiche Laien bedrängende Alternative: „Zweck“
oder „Sinn“ des Kreuzes; denn aufgrund einer unvordenklichen Tradition wurde bisher
immer nur nach dem Zweck des Todes Jesu gefragt. Diese Frage hatte vom Neuen
Testament die fast einhellige Antwort erhalten: "Er musste sterben, weil
der Strafgerechtigkeit Gottes nur durch sein Lebensopfer die vollgültige
Genugtuung erbracht werden konnte". Er
starb also, wie eine neutestamentliche Schlüsselstelle sagt: „Als Sühnopfer,
nicht nur für unsere Sünden, sondern für die Sünden der ganzen Welt“. Inzwischen mehrten sich aber die Stimmen
derer, die sich fragten, wie konnte
Gott diesen grausamen Tod von seinem vielgeliebten Sohn einfordern und
wenn er es tat, welche Genugtuung konnte er bei seinen Todesqualen empfinden
und wie konnten diese, selbst wenn auch dies zutraf, einen Ausgleich für die
Sündenschuld der Menschheit bewirken? Ja, selbst wenn Gott das von seinem
Sohn gefordert hätte, was er Abraham, dem Vater des Glaubens, an den das
Ansinnen ergangen war, den lang ersehnten eigenen Sohn als Opfer darzubringen,
nach dem biblischen Bericht erlassen hatte, wie stand es dann um ihn selbst?
War er dann noch der Gott der bedingungslosen Liebe, den Jesus in ihm
entdeckt und mit dem kindlichen vertrauenden "Abba ‑ Vater"
angerufen hatte und war er dann noch der Vater der Erbarmungen
und der Gott allen Trostes, den Paulus verkündet und seinen Adressaten ins
Herz gesprochen hat? Die Antwort kann nur lauten: Er war es
nicht. Mehr noch, der Gott der unerbittlichen Strafgerechtigkeit stand in
einem unüberbrückbaren Gegensatz zu dem Gott Jesu, der sich dadurch als der
größte Revolutionär der Religionsgeschichte erwies; dass er den Schatten des
Furcht und Angst erregenden aus dem traditionellen Gottesbild der Menschheit
und auch dem seines eigenen Volkes ersatzlos tilgte und statt dessen das
Antlitz des bedingungslos liebenden Vaters zum Vorschein brachte. Es
handelte sich somit um einen Rückfall in das alte, durch Jesus überholte und
überwundene Gottesbild, als die junge Christenheit begann, sein schmach- und
qualvolles Sterben am Kreuz als Sühneleiden auszulegen. Sie tat es
offensichtlich deshalb, weil sich so die sie quälende Frage beantworten ließ:
Warum er, der sich in der Hingabe an Gott und an sein Volk verzehrt hatte,
diesen scheinbar sinnlosen Tod erleiden musste und es lässt sich auch noch
die Spur verfolgen, an deren Ende die Vorstellung vom Sühnetod
Jesu stand. Sie führt zurück zu der "Menge von Priestern", die sich
nach dem Bericht der Apostelgeschichte der jungen Christengemeinde
angeschlossen hatten. Sie waren zuvor mit dem Opferdienst im Tempel von
Jerusalem befasst und brachten von daher die scheinbar alles Dunkel
beseitigende Antwort mit: Was die täglichen Sühnopfer im Tempel nicht
vermochten, das bewirkte der als Sühnopfer gedeutete Kreuzestod Jesu. Er leistete
Gott die vollgültige Genugtuung für das Versagen, die Untreue und die Schuld
der Menschheit. Doch
damit fiel die Gemeinde hinter das von Jesus aufgerichtete Gottesbild zurück,
denn das blutige Opfer des eigenen Sohnes konnte nur der
fordern, der auf vollgültige Sühne für die ihm zugefügte Kränkung bestand.
Insofern zog das Licht, das mit dem Opfergedanken auf den Tod Jesu zu fallen
schien, eine Verfinsterung des
Gottesbildes nach sich. Während man den Tod Jesu zu verstehen suchte,
versank das von Jesus entdeckte Antlitz des Vaters in undurchdringliches
Dunkel. Doch nicht nur dies: Mit der
Deutung als Sühneleiden, wurde der Tod Jesu einem, wenn auch noch so hohem
Zweck unterworfen. Das aber verstieß gegen die Einsicht, zu der gerade
auch die heutige Philosophie und sie unter dem Eindruck der ungeheuren Ernte
gelangte, die der Tod in diesem Jahrhundert eingefahren hat. Denn jetzt wurde
definitiv klar, dass Kants kategorischer Imperativ ebenso für das Leben wie
für das Sterben des Menschen gilt: So
wenig wie im Leben, darf der Mensch im Sterben als Mittel, also zweckhaft
bestimmt und behandelt werden. Das gilt uneingeschränkt auch für den
Tod Jesu. Solange er als Sühneleistung begriffen wurde, blieb sein Sinn
verdunkelt. Wer sich jedoch im Blick
auf den neuen Gott Jesu zur Überwindung der Sühnevorstellung durchringt,
sieht sich mit der Einsicht in den Sinn seines Todes beschenkt; der aber
besteht in der letzten Verdeutlichung dessen, was Jesus gelebt hat:
"Wohltaten spendend durchzog er das Land", sagt von ihm die
Apostelgeschichte und das bestätigt Jesus selbst mit dem Programmwort seines
Wirkens: "Der Menschensohn ist nicht gekommen,
sich bedienen zu lassen, sondern um zu dienen". Es war die dienende, sich im Dienst an
seinem Gott und den Menschen verzehrende Liebe, die sein Denken und Wirken
bestimmte. Insbesondere aber ist sein Tod reiner
Selbstzweck; in seinem Sterben klärt sich definitiv, was es mit seinem Leben
auf sich hatte. Das tritt in seinem Tod wie ein Sonnenaufgang ans Licht und
eben dies meint der Evangelist Johannes, wenn er seine Passionserzählung mit
dem Satz überschreibt: "Da er die Seinen liebte, liebte er sie bis zum
Äußersten". Der Tod Jesu war und ist so gesehen der Exzess seiner Liebe.
Mit einem Sprachbild könnte man sagen: In der Nacht von Golgotha
ging endgültig und unwiderruflich die Sonne der göttlichen Liebe auf, einer
Liebe, die, wie Nietzsche meinte, sogar seine Peiniger umfing. Doch gerade so
entsprach es der Aufforderung der Bergpredigt: "Liebt eure Feinde, seid
großzügig und gebt, ohne etwas zurück zu erwarten, dann ist euer Lohn groß
und ihr werdet Kinder des Höchsten sein, der gütig ist, sogar gegen die
Undankbaren und Bösen". Und so wird nun auch klar, was dieser als
Selbstzweck begriffene Tod seinerseits bezweckte: Er griff in alle
Verhältnisse ein, um sie auf eine neue Basis zu stellen, die auf den
Zwiespalt von Sympathie und Aggression gegründete Gesellschaft wollte er in
das verwandeln, was Thema und Ziel der Botschaft Jesu war: in das Reich
Gottes. Und den Menschen wollte er aus einem Dasein in knechtischer Angst zum
höchsten Werdeziel erheben, zum Rang der
Gotteskindschaft. All das leuchtet aus dem ‑ in seinem Sinn entdeckten ‑
Kreuz hervor. Sicher bedarf es keines Hinweises darauf, dass sich das allgemeine Glaubensbewusstsein, aber auch die
kirchliche Verkündigung und pastorale Praxis damit verglichen in einem
schweren Rückstand befindet. Dabei ist es noch nicht einmal das
Schlimmste, dass noch immer mit einem Gott gedroht wird, den Jesus ein für
allemal überwunden hat und das zumal in seinem Todesschrei mit dem er sich
sterbend dem in die Arme warf, von dem er sich verlassen fühlte. Ungleich schlimmer noch ist die Tatsache, dass mit diesem Rückstand die größte
Chance der Menschheit verspielt wird; denn das in seinem Sinn begriffene
Kreuz ist der Quellgrund, der von den letzten Päpsten so eindringlich
proklamierten und eingeforderten „Kultur der Liebe“. Es ist ‑
anders ausgedrückt ‑ der Hebel, mit welchem Gott das Dasein aus seiner Todesverfallenheit zu sich emporziehen, der Wunderstab,
mit dem er die Welt verwandeln und auch das Prinzip Liebe neu begründen
wollte. Das alles könnte sein, doch wie wenig ist davon verwirklicht. Wenn darin ein Wandel zum Besseren eintreten soll, muss das
Kreuz neu entdeckt werden; neu begriffen werden muss dann aber auch seine
Zeichenhaftigkeit. LINK:
https://hanglberger-manfred.de/erloes-kreuzsinn-biser.htm |
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