>> Warum wurde Jesus zum Tode verurteilt und gekreuzigt?

 

>> Der Kreuzestod Jesu in seiner erlösenden Wirkung (M.Hanglberger)

 

>> „Erlösung“ – wovon? (M.Hanglberger)

 

>> Erlösung nur von Schuld und Sünde? (M.Hanglberger)

 

>> Wie steht Gott zur Schuld des Menschen? (M.Hanglberger)

 

>> Vom Zweck zum Sinn des Kreuzes (Eugen Biser)

 

>> Auszug aus der Erlösungsenzyklika von Papst Johannes Paul II.

 

>> Erlösungsenzyklika (vollständiger Text, 34 Seiten) zum Downloaden

 

>> „Erlösung vom Stiergott“ von G,Baudler

 

>> Lorenz Zellner: Jesu Erlösungsverständnis

 

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Das Erlösungsverständnis Jesu (Aus: „Gottestherapie“ von Lorenz Zellner)

 

Jesus - ein Erlöser besonderer Art

Von den »Alten« wurde ein Erlöser gedacht, der mit Gott versöhnt, der vom Tod befreit, der die Sünde der Welt hinweg nimmt, der die Welt überwindet usw.

Jesus löst sich von diesem Rahmen, auch wenn er später dann doch wieder hineingezwängt wurde. Jesus kennt einen Gott, der seiner Schöpfung immer zugetan ist. Er lebt in einer Welt, die immer und überall unter dem Heilswillen Gottes steht. Er versteht sich als Retter, und nicht als Richter und Rächer. Er sucht die Begegnung mit den Menschen, geht keinem Leid aus dem Weg, lässt sich durch Schuld nicht blockieren, verbindet sich vielmehr mit den besten Kräften des Menschen. Er lässt sich weder von der oft furchtbaren Situation der Menschen noch von einer vorherrschenden Theologie neurotisieren. Er bleibt ruhig und gelassen. Er fühlt sich als Mensch unter Menschen, als ganz einfacher und unkomplizierter Mensch. »Das Größte an ihm ist, dass er so einfach ist«, sagt Max Brod über Jesus. Jesus war die Überraschung Gottes für die Welt, die Überraschung für die Mühseligen und Beladenen, für die Ausgestoßenen und Benachteiligten, die oft ihr Glück nicht fassen konnten, die Überraschung aber auch für die, die zu ihrer Lebensbewältigung ein ausgeklügeltes theologisches Gehäuse und ein schützendes Drahtwerk brauchten, die es anderen ebenfalls vorschrieben und überstülpten. Jesus erlöst von ganz konkretem Unheil.

Jesu Stil war nicht ferne Theologie, sondern praktisches Tun: Er ist sensibel für Not und Leid, er spricht Menschen an, er greift zu, er hilft, er heilt, er entgiftet Situationen, er bringt Lebensräume in Ordnung. Wer ihm begegnete, bekam den Eindruck, dass sich nicht in einer fernen Übernatur, sondern in der greifbaren Natur, im Hier und Jetzt, etwas veränderte.

Jesus handelt und er fordert ganz unkompliziert zum Handeln und Mithandeln auf:

»Steh auf ...«, »Geh hin und handle genauso

Er vermittelt den Eindruck: Was er kann, das können alle Menschen! Erlösung ist bei ihm weder abgehoben, vage oder verschwommen, noch kann sie auf das Mittun und den Einsatz der Menschen verzichten. Jesus bleibt auf dem Boden. Und Jesus ersetzt kein fehlendes menschliches Tun. Jesus war auf konkrete Veränderung aus: »Woran ein Mensch nur immer leiden mag, er kam, ihn zu heilen«, schreibt Lothar Zenetti. »Wo er war, begannen Menschen freier zu atmen, Blinden gingen die Augen auf, Gedemütigte wagten es, zum Himmel aufzuschauen ...«.

Zur gleichen Sache sagte Eugen Drewermann am 11. Juni 1989 im Bayerischen Rundfunk: Jesus »ist zunächst einmal jemand, der wollte, dass Menschen lernen, auf Gott Vertrauen zu setzen, und der imstande war, über die Stirn von Menschen so zu streicheln, dass sie ihre Angst verloren, den Leib eines Menschen so zu berühren, dass er wieder wagte, sich aufzurichten und gerade durch die Welt zu gehen.«

Jesus erlöst von der Last einer lebensfeindlichen Theologie. Jesus brauchte keinen beleidigten Gott zu versöhnen. Einen solchen gab es in seinem Denken nicht. Jesus verkündet: Gott ist gut und das Ja zur Welt und zum Menschen ist seine Art. Es gibt keine Anhaltspunkte, dass Jesus auf Bilder zurückgreift oder auf solche eingeht, die Gott diffamieren und unbeliebt machen. Er erzählt keine hässlichen Gottesgeschichten und erfindet keine hässlichen Gottesbilder. Sünden und Fehler der Menschen greifen nicht revolutionär in das Wesen Gottes ein. Die Sünde und ihre Folgen belässt Jesus auf der Erde. Darum braucht er auch keinen Gott zu versöhnen. Alle seine Kräfte sind für den Menschen da. Jesus hat den Rücken frei von theologischem Drahtgeflecht, er hat dafür die volle Rückendeckung Gottes, wenn es darum geht, den Menschen zu suchen und zu heilen. Er ist auch souverän genug, darüber zu befinden, dass physische, psychische, geistige, soziale und ethische Bedingungen, die er beim Menschen vorfindet, nichts über dessen Stellung vor Gott aussagen. Jesus braucht auch keine Schöpfung neu zu schaffen. Sein Denken und seine Lehre sind frei von der Schwere der Theologie. Man spürt in seinem Wesen keinen Druck, dass er eine unendliche Schuld begleichen, eine abgrundtiefe Verlorenheit gutmachen, eine neue Schöpfung schaffen, die Menschen erlösen und die Sünde der Welt hinweg nehmen müsse. Ein göttliches »Muss« ist erst später in sein Denken eingeführt worden. Jesus muss weder einen gespenstigen Gott versöhnen noch die ganze Schwere der Sündentheologie tragen. So ist er ganz frei und verfügbar für die Erde und für die Menschen. Er verschmäht keine Kreatur. Er geht niemandem aus dem Weg, er verstößt keinen, niemand braucht sich vor ihm zu verstecken. Er verbindet sich mit dem Guten, er ist frei, das Böse durch das Gute zu besiegen. Er sucht alle möglichen Kanäle, weil ihn keine noch so gut gemeinte Theologie, kein noch so ausgeklügeltes Lehrsystem blockiert. Jesus verstopft auch die Fluchtwege, die die Religion offen ließ: Barmherzigkeit ist für ihn besser als Opfer, Nächstenliebe wichtiger als Tempeldienst. Wenn Paulus seine Freiheit vom Gesetz propagierte, so Jesus seine Freiheit von komplizierter und lebensfeindlicher Theologie und mag diese noch so altehrwürdig sein oder sich später auf ihn berufen.

Zum gleichen Thema noch einmal E. Drewermann: Auf die Frage: »Also, Jesus wollte nicht dogmatisieren, nicht lehren, keine Lehrgebäude aufrichten, antwortete er:»Ganz sicher nicht. Jesus hat niemals dogmatisch gesprochen. Er wäre entsetzt, wenn er hörte und miterleben würde, wie Jahrhundert für Jahrhundert in unserer Dogmen- und Theologiegeschichte ganze Völkergruppen aus der Kirche raus gepresst wurden, weil sie damit nicht zurechtkamen, wie in der Person Jesu zwei Naturen miteinander eins sind und er selber die zweite Person in der Gottheit ist, die in drei Personen eines Wesens sei. Ich will nicht sagen, dass diese Lehren falsch sind oder überflüssig, wohl aber will ich sagen, sie sind bis heute so weit weg von dem, was Menschen fühlen, denken, träumen und erleben, dass es sich weit entfernt hat von dem, was Jesus wollte und verkörperte. Es ist der Intellektualismus, den wir theologisch zelebrieren, der uns den Glauben aus den Händen nimmt. Mit Intellektualismus meine ich, dass das wesentliche Verhältnis zu Jesus ein persönliches Verhältnis ist, keines der Gedanken und Theorien

In einem weiteren Drewermann-Zitat steckt der gleiche Gedanke:»Das wollte er, dass Menschen durch ihn hindurchgeführt würden in den Raum eines absoluten Vertrauens, in dem Menschen sich selber zurückgegeben werden könnten. Sie sollten die Augen wieder aufschlagen und imstande sein, mit den eigenen Fähigkeiten zu fühlen, wahrzunehmen, zu urteilen, die Welt zu sehen Und »Jesus erlöst von ganz konkretem Unheil« und »Jesus erlöst von der Last einer lebensfeindlichen Theologie«. Beide Themen sind und bleiben die großen Aufgabenbereiche seiner Nachfolger.

 

Eines ist für mich sicher und darauf baue ich: Jesus hat gelebt, als historische Gestalt gelebt. Das Thema seines Lebens war Gott und die Menschen. Sie haben ihn bewegt und umgetrieben. Jesus hat leitbildhaft gelebt, er hat neue Bilder geprägt und neues Verhalten praktiziert. In den Texten der Bibel scheint dies immer wieder durch. In seinen Ideen und Vorstellungen muss etwas ungemein Provozierendes, etwas Todeswürdiges gelegen haben, sonst wäre er nicht (wegen Gotteslästerung) hingerichtet worden. Hätte der reale Jesus ein so verschwommenes Bild abgegeben wie der in den Evangelien verkündigte, hätte er sich wie ein Fähnchen im Wind bewegt, dann wäre er sicher durchgekommen. Das Bild von Jesus ist nun einmal so da, wie es da ist. So bin ich, um sein Bild zu gewinnen, nicht nur den biblischen Wissenschaften, sondern auch jedem Menschen dankbar, der mir zeigen kann, wie er aus der Liebe zu Gott und aus einem humanen Ethos heraus sein Leben bestehen kann.

(Aus: „Gottestherapie – Befreiung von dunklen Gottesbildern“ von Lorenz Zellner)

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