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Das
entscheidende Problem bei diesem religiösen Verständnis von Schuld besteht
darin, dass Schuld und Sünde als etwas betrachtet werden, das den Menschen
von Gott trennt. Im Widerspruch zu solchen Vorstellungen wird in den Evangelien erzählt, dass Jesus auch mit so genannten Sündern und solchen, die in den Augen der frommen Juden als von Gott verworfen gelten, Kontakt hatte und dies große Entrüstung hervorrief. „Ich bin gekommen, Sünder zu berufen“, sagte Jesus und machte damit deutlich, dass solche Menschen in seinen Augen nicht von Gott verworfen sind, dass Gott auch vielmehr ihnen nahe ist und sie ihm ein Anliegen sind. Und Jesus bringt an dieser Stelle eine neue Definition des in der Sünde gefangenen Menschen, die in allen drei synoptischen Evangelien überliefert wird (Mt 9,12; Mk 2,17; Lk 5,31): „Nicht die Gesunden brauchen den Arzt, sondern die Kranken“. Der sündige Mensch, der anderen zum Ärgernis und zur Last wird, der andere verletzt und schädigt, wird selbst als ein leidender Mensch wahrgenommen und dargestellt. Die verletzte Seele, die heute die moderne Psychologie bei schwierigen und gewalttätigen Menschen festzustellen vermag, hat Jesus vor 2000 Jahren bereits erkannt und wusste, dass diese Menschen Hilfe durch Heilung ihrer Seelen brauchen. Sünde versteht
Jesus hier also nicht als einen Ausdruck von Bosheit, von Egoismus oder von
Ungehorsam gegen Gott, So wie Jesus sich in besonderer Weise den körperlich kranken Menschen zuwendet, gilt in derselben Weise seine Zuwendung auch den seelisch kranken Menschen, die von den anderen als „Sünder“ bezeichnet werden. Die Zuwendung Gottes zum sündigen Menschen wird von Jesus geradezu dramatisch in den Gleichnissen vom „verlorenen Schaf“ und vom „verlorenen Sohn“ dargestellt. Immer geht es um Heilung, um Rettung und Versöhnung. So wie die Kirche viele Jahrhunderte die seelischen Dimensionen der körperlichen Krankheiten trotz Betreibung zahlreicher Krankenhäuser nicht mehr wahrgenommen und behandelt hat, so hat sie auch die seelischen Krankheitsphänomene bei Schuldproblemen nicht wahrgenommen und behandelt. Hier ist Handlungsbedarf gegeben. Im Verhalten und in der Botschaft Jesu wird sichtbar, dass von der Seite Gottes her betrachtet, die Sünde des Menschen ihn nicht von Gott trennt, dass sich Gott nicht von ihm abwendet, auch wenn der Mensch sich vielleicht von ihm abwenden sollte. Aber viele Menschen haben gar nicht die Absicht, sich von Gott abzuwenden, wenn sie sündigen. Durch
Jesus wird eine völlig andere Beziehung zwischen Gott und dem sündigen
Menschen dargestellt: Bei Jesus steht Gott nicht dem sündigen Menschen
gegenüber, während die Sünde trennend zwischen ihnen liegt, Im Alten Testament glaubten die Menschen: „Vor dir (,o Gott,) allein habe ich gesündigt“ (Ps 51,6), weil sie in dem Glauben lebten, Gebote zu übertreten, die sie unmittelbar von Gott eingesetzt sahen. Entsprechend war der alttestamentlich-gläubige Mensch überzeugt, dass jedes Fehlverhalten eine Missachtung des göttlichen Willens und so gewissermaßen eine Provokation und Beleidigung Gottes sei. Ja noch in meiner Kindheit war im Religionsunterricht zu hören, dass wir Kinder mit unseren Sünden Jesus mit ans Kreuz geschlagen hätten und ihm auch jetzt noch mit unseren Sünden entsprechende Schmerzen zufügen würden. Aber
es gibt auch schon im Alten Testament eine andere Sicht von Schuld. Obwohl
dort nicht selten gesagt wird, dass Gott jene, die sündigen, der Vernichtung
preisgeben werde, werden manche große Gestalten in diesen Texten, die als
herausragende Vorbilder des Glaubens gelten, auch als schwere Sünder
dargestellt: Jakob, der seinen Vater Isaak belügt und betrügt, dann die
Brüder Josefs, die diesen in die Sklaverei verkaufen und ihrem Vater sagen,
ein wildes Tier habe ihn getötet, und König David, der die Frau des Soldaten
Urija verführt und ihn selbst durch eine militärische Manipulation töten
lässt, sind bedeutende Beispiele dafür, dass diese Menschen einen Weg der
Läuterung und der seelischen Reifung gehen und so später aus ihrer Schuld
Positives entsteht. |
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