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Die Eucharistiefeier als erfahrbares Erlösungsgeschehen

 

In Deutschland hat die Eucharistiefeier, die von der Kirchenleitung als „Mitte und Höhepunkt des christlichen Glaubens“ bezeichnet wird, offensichtlich für ca. 90% der Christen keine Bedeutung mehr, weil sie nicht mehr daran teilnehmen. Aber auch die ca. 10% verbleibenden Kirchenbesucher sind entsprechend dem Wegsterben der älteren Generation kontinuierlich am Abnehmen. Es werden vermutlich bei einer Fortsetzung dieser Entwicklung ähnlich wie in den evangelischen Kirchen bei uns und in der anglikanischen Kirche in England noch zwischen 1 bis 3% Gottesdienstbesucher übrig bleiben.

Dass angesichts dieser Tatsachen bei den Bischöfen und Liturgiewissenschaftlern nicht alle Alarmglocken läuten und umfassende Analysen und Reformen erarbeitet werden, ist mehr als merkwürdig.

 

So versuche ich hier grundsätzliche Überlegungen zum Wesen und Sinn des christlichen Gottesdienstes anzustellen und Reformvorschläge anzubieten:

 

Die Eucharistiefeier soll dem gläubigen Menschen die Erlösung durch Jesus Christus erfahrbar machen und diese in ihm zur Entfaltung kommen lassen

 

Dafür kann es hilfreich sein, dass ihm seine Erlösungsbedürftigkeit bewusst wird und er diese in konkreten Erfahrungen wahrnehmen kann.

 

·      Für manche besteht diese Erfahrung von Unerlöstheit in der Angst, vor Gott, vor den Mitmenschen und vor sich selbst nichts wert zu sein.

·      Für manche besteht die Erfahrung von Unerlöstheit in der Angst, vor Gott nicht bestehen zu können, schuldig zu sein oder von Gott bestraft zu sein.

·      Für manche besteht diese Unerlöstheit in der Erfahrung, dass das Leben sinnlos erscheint, dass man (noch) nicht erkennen kann, wodurch das eigene Leben sinnvoll werden könnte.

·      Für andere besteht die Erfahrung von Unerlöstheit in Angst, Unsicherheit und Misstrauen gegenüber den Mitmenschen.

·      Für manche besteht diese Unerlöstheit in der Angst, von seinen Mitmenschen ständig beurteilt, abgewertet, verachtet oder nicht ernst genommen zu werden.

·      Für manche besteht diese Unerlöstheit in einer schmerzlichen Trauererfahrung um den Verlust eines lieben Mitmenschen (eines Kindes, eines Lebenspartners, eines früh verstorbene Elternteils, eines …)

·      Für manche besteht diese Unerlöstheit in bedrückenden Schuldgefühlen – z.B. in Zusammenhang mit dem Tod eines anderen Menschen.

·      Für manche besteht diese Unerlöstheit in schwierigen mitmenschlichen Konflikten, für die man (noch) keine Lösung erkennen kann (Z.B. gegenseitige Beschimpfungen, Schuldzuweisungen, Bevormundung, …).

·      Für manche besteht diese Unerlöstheit in der Überforderung durch schmerzhafte Schicksalsschläge.

·      Für manche besteht diese Unerlöstheit in Erfahrungen von Ungerechtigkeit, Überforderung, Mobbing usw. im Berufsleben.

·      Für manche besteht diese Unerlöstheit in psychischen Problemen: Suchterkrankung, Depressionen, Aggressionen, Entscheidungsunfähigkeit, Gefühlsverwirrung, Belastungen aus der Kindheit, …

·      Für manche besteht diese Unerlöstheit in der Erfahrung von Neid, Eifersucht, Konkurrenzdenken, usw. bei sich selbst oder von Seiten der Mitmenschen.

·      Für manche besteht die Unerlöstheit in der Erkenntnis der Kleinheit und scheinbaren Bedeutungslosigkeit des eigenen Lebens angesichts der Menge der Menschen und angesichts der gewaltigen Dimensionen von Raum und Zeit.

·      Für manche besteht die Erfahrung von Unerlöstheit in der Angst vor Vergänglichkeit und Tod.

 

 

(Ausführlicher zu „Erlösungsbedürftigkeit“ >>> )

 

Grundlegende Erfahrungen von „Erlösung“:

 

·      Ich weiß mich vom Ursprung allen Lebens, von Gott wahrgenommen, geachtet und bedingungslos geliebt.

·      Auch wenn ich Fehler mache und schuldig werde, falle ich aus dieser Liebe Gottes nicht heraus. So kann ich meine dunklen Seiten wahrnehmen und aus meiner Schuld für die Zukunft lernen.

·      Ich habe Menschen, die mich wertschätzen, die mich so annehmen und achten, wie ich bin, die offen und ehrlich mit mir umgehen, die mich fair kritisieren, wenn sie etwas an mir stört, und zu denen ich ein tiefes Vertrauen haben kann.

·      Ich habe Menschen, von denen ich weiß, dass ich zu ihnen kommen kann, wenn ich große Sorgen und Probleme habe, und die mir helfen werden, soweit es in ihrer Macht steht, und die andererseits wissen, dass sie zu mir kommen können, wenn sie Hilfe brauchen.

·      Ich habe Menschen, denen ich meine Ängste, ein Missgeschick, ein Schuldig-werden, aber auch meine Freude, meine Erfolge, meine Sehnsüchte und Visionen erzählen kann, ohne dass sie sich innerlich abwenden oder in Neid, in Entrüstung oder Verachtung geraten.

·      Ich erlebe mein Leben sinnvoll und wertvoll, weil ich in gegenseitiger Achtung für andere da sein kann, ihnen in ihren Sorgen und Problemen helfen kann – ohne sie zu entmündigen, zu bevormunden oder auszunutzen und mich auch selbst nicht bevormunden und ausnutzen lasse.

·      Ich erlebe mein Leben sinnvoll und wertvoll, weil ich meine geistigen und musischen Fähigkeiten entfalten kann – zu meiner Freude und zur Freude auch anderer.

·      Ich erlebe mein Leben sinnvoll, weil ich meine Gedanken und Gefühle äußern und „zur Welt kommen“ lassen kann, weil ich mein Inneres nicht verstecken muss, sondern zeigen kann, wer ich bin, was mich innerlich beschäftigt und bewegt.

·     Ich erlebe das Leben sinnvoll, weil ich darin einen Prozess geistig-seelischer Reifung erkennen kann und dies ebenso in der Entwicklung von menschlichen Gemeinschaften, Gesellschaften, der Menschheit und des Kosmos.

·      Ich kann mein Leben als einzigartig, absolut wertvoll und wichtig erfahren.

·      Ich vertraue darauf, dass ich selbst und alles, was ich in Liebe tue, und die ganze Schöpfung in Gottes Ewigkeit seine Vollendung finden wird.

 

 

Eine Gottesdienst-Struktur, in der wichtige Aspekte von Erlösung erfahrbar sind

 

Da Gottes erlösendes Wirken meistens über die Wertschätzung und Liebe von Mitmenschen, die sich in ihren Worten und in ihrem Verhalten vom Geist Jesu prägen lassen, erfahren wird, braucht die Erfahrung von „Erlösung“ die Beziehung zu „erlöst“ lebenden Mitmenschen.

Da Erlösung meist über die Kultivierung und Erfahrung einer „erlösten Gemeinschaft“ läuft, ist eine Kommunikation, in der eine solche erfahrbar wird, notwendig.

Deshalb braucht eine Eucharistiefeier, in der „erlöste Gemeinschaft“ lebendig erfahren werden kann, eine Struktur, wie sie bei Jesus im Letzten Abendmahl vorhanden war, nämlich eine Mahlgemeinschaft.

In einer Mahlgemeinschaft können zwischendurch auch persönliche Äußerungen der Teilnehmer einen Platz haben. Da können auch besondere Freuden, Sorgen und Ängste geäußert werden.

In einer Mahlgemeinschaft können sich die Teilnehmer gegenseitig in die Augen schauen und können die Reaktion der anderen Teilnehmer auf die eigenen Worte wahrnehmen.

In einer Mahlgemeinschaft ereignet sich ein gruppendynamischer Prozess, in dem Misstrauen, Angst, Neid u. ä. erkannt, angesprochen und abgebaut werden können.

In einer Mahlgemeinschaft kann ein geistig-seelischer Reifungsprozess des Vertrauens, der gegenseitigen Achtung, der Wertschätzung und einer gewaltfreien Kommunikation stattfinden.

 

Da in der Kirchengeschichte sich die Eucharistiefeier von einer Mahlgemeinschaft zu einem meist anonymen „Stehempfang“ verändert hat, bei dem es keine wirkliche mitmenschliche Kommunikation gibt, sind dort wesentliche Erlösungserfahrungen nicht mehr möglich.

 

In einer christlichen gottesdienstlichen „Mahlgemeinschaft“ lernen die Teilnehmer, in Achtsamkeit und achtungsvoll, ehrlich und mitfühlend und in gewaltfreier Kommunikation miteinander umzugehen. Diese Fähigkeiten und die damit verbundene innere Haltung werden sie in ihre Familien, in ihre Verwandtschafts- und Nachbarschaftsbeziehungen, in ihre Berufswelt und in die öffentliche Kommunikationswelt hinein tragen. Die Christen können auf diese Weise jene werden, die Beziehungsräume der Wertschätzung, der Offenheit und der seelisch-geistigen Freiheit schaffen.

Denn in solchen Gemeinschaften verliert man die Angst voreinander, muss man sich nicht mehr innerlich voreinander verstecken und kann so immer mehr sein und zeigen, wer man wirklich ist. Auf diese Weise können Christen Sauerteig für eine wahrhaft menschlichere Welt sein. Auf diese Weise kann die Kirche in Form von erlösten Kommunikationsgemeinschaften wieder anziehend werden.

Dadurch können die Christen in unaufdringlicher Weise, ohne ideologieverdächtige Besserwisserei missionarisch für eine menschlichere Welt wirken.

In einer Zeit, in der in den öffentlichen Auseinandersetzungen vor allem über die sozialen Medien in erschreckender Weise gegenseitige Achtung, Fairness und Sachlichkeit verloren zu gehen drohen, ist die Erfahrung und Einübung gewaltfreier, achtsamer und sachlicher Kommunikation ein besonders wichtiger „Sauerteig“ für eine unerlöst sich verhaltende Welt.

 

Auch wenn Eucharistiefeiern in großer Gemeinschaft (Gemeinschaft von Gemeinschaften!) in traditionellen Kirchengebäuden wichtig und sinnvoll bleiben – die Grunderfahrung des christlichen Gottesdienstes braucht die Mahlgemeinschaft mit lebendiger spiritueller und mitmenschlicher Kommunikation!

 

Da die Grunderfahrung der Erlösung in der Erfahrung von Gottes tröstender, ermutigender und bedingungsloser Liebe besteht und diese Erfahrung manche Menschen auch unabhängig von menschlichen Gemeinschaften in stiller Meditation und in persönlichem Gebet machen, sind dafür spirituelle Räume unabhängig von Mahlgemeinschaften notwendig. Aber auch Zeiten der Stille innerhalb von eucharistischen Mahlgemeinschaften und innerhalb von anderen religiösen Andachten sind wichtig.

 

 

Anforderungen an die Gottesdienstleitung einer eucharistischen „Mahlgemeinschaft“

 

Personen, die eucharistische „Mahlgemeinschaften“ leiten, müssen selbst von der bedingungslosen Liebe und Wertschätzung Gottes für jeden Menschen und für die ganze Schöpfung erfüllt sein.

Personen, die diese Gottesdienste leiten, sind zu spirituellen und mitmenschlichen „Beziehungsspezialisten“ ausgebildet:

-  Sie ermutigen und helfen, selbstständig mit Gott in unmittelbare Beziehung zu treten.

-  Sie ermutigen und helfen in der Gemeinschaft miteinander in offener, mitfühlender, wertschätzender aber auch kritischer Weise in Kommunikation zu treten.

 

Ob sie zu den Anwesenden oder über andere Menschen sprechen, enthalten sie sich jeder abwertenden, beleidigenden oder verurteilenden Bemerkung.

Sie zeigen Mitgefühl und Achtung, decken aber auch jede verletzende, bevormundende und eine sich unangemessen einmischende Redeweise von Teilnehmern auf.

Sie laden gegenüber dem verletzenden Verhalten schwieriger

 Personen darauf hin, dass man sich bemühen muss, deren psychischen Hintergründe zu verstehen und wie man sich vor ihnen schützen könnte.

Sie richten sich in Auseinandersetzungen nach den Spielregeln fairen Streitens und fairer Kritik.

Sie nehmen bei anstehende Fragen und Problemen nicht allein Stellung, sondern bitten auch die Teilnehmer um ihre Sicht und Meinung. Sie bemühen sich, kein klerikalistisches elitäres Denken und Verhalten aufkommen zu lassen. Sie befähigen - wenn möglich – andere Teilnehmer die Gottesdienstleitung zu übernehmen, um sich in der Leitungsaufgabe abwechseln zu können.
(Vgl. Regel des Hl. Benedikt: Bei wichtigen Fragen bitte der Abt auch den jüngsten Mönch um seine Meinung!)

 

Sie erinnern die Teilnehmer immer wieder an die Grundwerte des christlichen Glaubens und des christlichen Menschenbildes:

Jeder Mensch ist ein „Kind Gottes“ und besitzt eine absolute göttliche Würde und Werthaftigkeit.
Jeder Mensch, auch der Sünder, ist und bleibt von Gott geliebt und er möchte uns helfen, geistig-seelisch zu reifen, seine barmherzige Liebe in die Welt hineinzutragen und die Welt in seinem Geist zu gestalten.

Der Gottesdienst ist Feier des „Neuen Bundes“ (Jer 31,33-34), bei dem es vor allem darum geht, dass wir in jeder Hinsicht mündige und eigenständige Menschen werden, die verantwortungsvoll mit dem eigenen Leben, mit den Mitmenschen und mit der uns anvertrauten Schöpfung umgehen.

 

Spirituelle, psychologisch-mitmenschliche und theologische Kompetenz sind als Kriterien für die Gottesdienstleitung wesentlich, nicht das Geschlecht oder die Lebensform!

Um Menschen die Wege der Erlösung zu  zeigen und sie durch eucharistische Gottesdienste dafür zu begleiten, kann Gott sicher Männer wie Frauen in gleicher Weise und unabhängig von ihrer Lebensform berufen und ihnen seinen Geist schenken. Es ist für mich undenkbar, dass Gott bei der Zuteilung seiner Berufungsgnade die Frauen diskriminieren könnte!

 

Weitere wichtige inhaltliche Gestaltungselemente der Eucharistiefeier, die leider bisher
fehlen: >>>

 

Ausführliche Darstellung der Erlösungsbedürftigkeit des Menschen >>>

 

Erlösungsbedürftigkeit und Erlösung in der „Erlösungsenzyklika“ von Papst Joh.-Paul II. >>>

 

Kritik an der traditionellen inhaltlichen Gestalt der Eucharistiefeier:

·      Reduzierung der menschlichen Erlösungsbedürftigkeit auf Schuld und Sündhaftigkeit >>>

·      Unheilige Gebete in der Hl. Messe? >>>

·      Gott, die Quelle der Barmherzigkeit, um Erbarmen bitten? >>>

·      Zeitgemäße christliche Gebetskultur >>>

 

Manfred Hanglberger (www.hanglberger-manfred.de )

 

LINK: https://hanglberger-manfred.de/eucharistiefeier-als-mahlgemeinschaft.htm

 

>>> Die Feier des “Neuen Bundes”

>>> Lorenz Zellner: Grundlegende Kritik an der Opfer-Theologie der Kirche
>>> Ein Beitrag zur Auseinandersetzung über eine Reform der Eucharistiefeier (aus Österreich)

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