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Die Forderungen der Bergpredigt:

Das Gebot der Gewaltlosigkeit und das Verbot der Ehescheidung

Ein Vergleich  

Gerechtigkeit schafft Frieden“
Hirtenwort der deutschen Bischöfe 1983
Grundlegende theologische Zitate:

S. 18:

Die Kirche kann … die Weisungen der Bergpredigt nicht zu ethischen Normen des Handelns erklären, die ohne Abwägung der Umstände und Güter al­lein aus sich selbst heraus verbindlich wären.
Gleichwohl muss sie sich darum sorgen, dass die Weisungen Jesu ihre Verbindlichkeit für das Han­deln der Christen und ihre herausfordernde Schär­fe gegenüber allem nur menschlich berechnenden Verhalten bewahren und in jeder Zeit neu bewäh­ren.

Die Kirche muss zeigen, dass die Bergpredigt mit ihrer Botschaft nicht unwirkliche, ideale Verhältnis­se einer fernen Zukunft im Blick hat, sondern … schon jetzt und hier zu wirken beginnt.
Die Forderungen der Bergpredigt vertragen keine Ermäßigung auf Kosten der Absichten Jesu.
Die Bergpredigt bringt Grundeinstellungen für die Gestaltung des Lebens der Christen zur Sprache, …

Aber die Weisungen der Bergpredigt sind keine Gesetze, die schematisch anzuwenden wären.
Durch die Antithesen der Bergpredigt soll gerade ein Denken und Handeln überwunden werden, das sich mit dem Rückzug auf ein geschriebenes Gesetz der eigenen Verantwortung vor Gott und gegenüber den Mitmenschen entziehen will.

S. 19:

Es wäre deshalb ein Missverständnis, das gesell­schaftlich-politische Leben unmittelbar nach den Weisungen der Bergpredigt gestalten und ordnen zu wollen. Vernunft und Klugheit … werden durch die Befolgung der Weisungen Jesu nicht ersetzt. Aber sie sollen sich von ihnen inspirieren lassen. … Gefordert ist die schöpferische Liebe.

S. 20:

Ungeachtet aller Rückschläge und Umwege be­halten die Forderungen Jesu in der Bergpredigt für die Christen Verbindlichkeit.
Zu ihrer Verwirklichung kommt es darauf an, dass ihr Geist in den Menschen seine Kraft entfalten kann, welche die vorhandene Wirklichkeit durch­dringt und die Christen in ihrem Handeln leitet.
Dann werden durch die geduldige Mitwirkung der Christen in der Nachfolge Jesu die Formen des menschlichen Zusammenlebens jetzt schon be­ginnen, sich zu wandeln – gleichsam als Vor­schein der verheißenen Erfüllung, die Gott uns schenken will.


 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

  

 

 

 

 

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Kommentar

 

Die katholischen Bischöfe Deutschlands haben 1983, als die sogenannte „Nachrüstungsdebatte“ (Frage nach einer Stationierung von atomaren Mittelsteckenraketen in Westdeutschland) heftige Konflikte in Gesellschaft und Kirche auslöste, mit einem Hirtenwort eine überzeugende Orientierung geliefert.
Dazu interpretierten sie vor allem die grundlegenden Forderungen Jesu, wie sie uns in der „Bergpredigt“ (Mt 5-7) überliefert sind.
In der damaligen Auseinandersetzung ging es vor allem um die Forderung der Gewaltlosigkeit und um die Verpflichtung „Frieden zu stiften“
Die Bischöfe kamen durch die sorgfältige Analyse des biblischen Textes und der gesellschaftspolitischen und militärischen Situation zu den theologischen Aussagen in der linken Spalte dieses Papiers.

Die Kirchenleitung denkt nicht an Ausgrenzung oder Bestrafung von Personen, die als Soldaten oder als verteidigungspolitische Entscheidungsträger nicht konsequent den Weg der Gewaltlosigkeit gehen.

Aber sie fordert größte Anstrengungen zu unternehmen,

·         um mit den Gegnern über alle möglichen Konfliktfelder in einen ehrlichen und konstruktiven Dialog einzutreten,

·         um vertrauensbildende Maßnahmen in die Wege zu leiten,

·         um Feindbilder, z.B. auch in den Medien, abzubauen,

·         um alle Ursachen von Spannungen und Feindseligkeiten zu erforschen und abzubauen,

·         um eine gerechte Weltwirtschaftsordnung zu schaffen und den unterentwickelten Völkern tatkräftig beizustehen.

Moralisch verwerflich ist in den Augen der Bischöfe, sich nur um militärische Verteidigungsanstrengungen zu kümmern und allein auf militärische Abschreckung zu setzen.

Auch das Verbot der Ehescheidung gehört zu den Forderungen der Bergpredigt.
 Analog sind die Aussagen in der linken Spalte dieses Papiers auch auf dieses Thema anzuwenden!
 Nicht durch generelle Bestrafung und Ausgren­zung sind die Probleme auch in diesem Bereich zu lösen, sondern es braucht ähnlich wie im Problembereich Gewaltlosigkeit und Friedensförderung sehr vielfältige Anstrengungen. In diesem Fall vorrangig von Seiten der Ehepaare, aber auch von den gesellschaftspolitisch Verantwortlichen, von den Kirchen, von den Medien, von jedem Einzelnen – um den Wert der unauflöslichen Ehe bewusst zu machen, zu fördern und zu verwirklichen.

Es geht bei den Forderungen der Bergpredigt um das Wachstum und um die Verwirklichung des „Reiches Gottes“. Ob bei gesellschaftspolitischen oder familiären Problemen: Wachstumsprozesse hin zum „Reiche Gottes“ haben vor allem mit seelisch-geistigen Reifungsprozessen von Menschen zu tun. Diese Reifungsprozesse bewusst zu machen, sie anzustoßen und sie konstruktiv zu begleiten ist vorrangige Aufgabe der Kirche. Dazu muss sie ihre eigene Kompetenz, vor allem die Kompetenz ihrer haupt- und ehrenamtlichen Mitar­beiter und aller Gläubigen verbessern.

Oft lernen sowohl einzelne Menschen, Organisationen und ganze Völker die Wege und Ordnungen einer größeren Menschlichkeit und Moralität erst durch schlimmes Versagen.

So haben die Katastrophen des Ersten und Zweiten Weltkrieges die Völker Europas zu größerer Friedensfähigkeit, zu konstruktiver Zusammenarbeit und zu dauerhaften freundschaftlichen Beziehungen befähigt. Auch die Katholische Kirche und die christlichen Konfessionen in ihren Beziehungen untereinander haben durch manches Versagen in den Katastrophen des Nationalsozialismus in Deutschland und in den Weltkriegen wesentlich dazugelernt.

Nicht die Bestrafung Deutschlands durch die Siegermächte nach dem Ersten Weltkrieg hat einen moralischen Lernprozess ausgelöst, sondern die Unterstützung und Förderung der positiven gesellschaftlichen Kräfte in diesem Land nach dem Zweiten Weltkrieg!

Ebenso gilt es zu sehen, dass viele Menschen auch in einer Ehe leider oft erst durch Schuld und Versagen zu seelischer Reifung und zu wichtigen moralischen Lernprozessen fähig werden! Auch hier blockieren Ausgrenzung und Bestrafung meist solche seelischen Reifungsprozesse.
Es geht bei dem Thema Geschiedene-Wiederverheiratete in der Kirche um einen fundamentalen Bekehrungsprozess der Kirche selbst:

Von einer Religion, die ähnlich dem Judentum zur Zeit Jesu sehr von Gesetzes- und Gebote-Strukturen geprägt ist, hin zu einer echten pastoralen, die Menschen begleitenden Kirche.

Es geht um die Wandlung des Menschenbildes in der Kirche:
weg von einem Menschenbild, bei dem der Mensch durch Verbote und Bestrafungen von außen zu einem Verhalten gezwungen werden soll, das dem Ideal entspricht,
hin zu einem Menschenbild, in dem der Mensch Hilfen bekommt, sich dem Ideal anzunähern und es u.U. zu verwirklichen, indem er zu Selbsterkenntnis seiner Charakterstrukturen, seiner kindlichen und systemischen Belastungen und Projektionen befähigt werden soll ebenso wie zur Wahrnehmung und Achtung seiner Mitmenschen und zu konstruktiver Dialog- und Konfliktfähigkeit.

Versagen und Scheitern dürfen nicht zur Ausgrenzung führen für den, der bereit ist, aus seinen Fehlern zu lernen, für die Folgen seiner Entscheidungen die Verantwortung zu übernehmen und der sich soweit möglich um Versöhnung bemüht.
Es geht um die Wandlung von einem mehr statischen zu einem dynamischen Menschenbild, von einem legalistischen zu einem lernorientierten Moralsystem, in dem es um die Wahrnehmung und Förderung von seelischen Reifungs- und Wachstumsprozessen geht.

Für diese Bekehrung in der Kirche selbst braucht es eine zeitgemäße kirchliche Glaubenslehre über ein zeitgemäßes Verständnis des Wachstums des „Reiches Gottes“ im Menschen und in der Familie durch einen beständigen Dialog zwischen den wissenschaftlichen Erkenntnissen über Wesen und Entwicklungsgesetzen der menschlichen Psyche und der Paarbeziehung einerseits und der christlichen Sicht des Menschen andererseits.

Das Reich Gottes wächst nicht durch die Aufrechterhaltung von Ehen, die innerlich tot sind oder die durch nicht erkannte Projektionen keine partner­schaftlichen Strukturen haben, sondern durch Menschen, die trotz schuldhafter Verhaltensweisen und Entscheidungen bereit sind, die eigene Schuld zu erkennen, die Belastungen aus den Folgen ihres Tuns gewissenhaft zu tragen und aus ihren Fehlern zu lernen.

Es wird wohl einige Zeit dauern, bis in der Kirche selbst und im öffentlichen Bewusstsein bekannt wird, dass die Kirche nicht zum Verurteilen und Bestrafen da ist, sondern um seelische Heilungs- und Reifungsprozesse bewusst zu machen, anzustoßen und zu begleiten:
Damit sichtbar wird, dass die Kirche in der Nachfolge Jesu seinem Wort folgt: „Ich bin nicht gekommen zu richten und zu verurteilen, sondern zu heilen und zu retten.“

Manfred Hanglberger
(www.hanglberger-manfred.de
)

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