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Das kirchliche Heilsangebot der Kirche
in einer von Kapitalismus und Säkularisierung geprägten Welt

 

Da viele Menschen im Kapitalismus die Reduzierung des Menschseins auf jene Bedürfnisse, deren Befriedigung wirtschaftlichen Gewinn versprechen, verinnerlicht haben, sind sie oft uninteressiert am Heilsangebot des christlichen Glaubens.

 

(1) Zugangsmöglichkeiten zur spirituellen Dimension des Lebens gibt es bei einem Teil der Jugendlichen, die in ihrer seelisch-geistigen Umbruchsphase oft noch wesentliche Fragen stellen und bei denen eine Bedürftigkeit nach einem umfassenden Lebenssinn und nach umfassenden Werten festzustellen sind.

 

Zudem bietet die Suche von jungen Menschen nach ihrer eigenen Originalität und bei ihrer Gratwanderung zwischen der Ablösung von den Eltern und einer bleibenden Verbundenheit mit den Eltern eine wichtige Möglichkeit, Hilfestellungen, die im christlichen Menschenbild und in manchen Aspekten christlicher Spiritualität enthalten sind, anzubieten. (Beispiel: >>> )

 

Leider gibt es in der Kirche keine Glaubenslehre in Polarität zu einem wissenschaftlichen Verständnis des Gefühlskarussells, das oft besonders junge Menschen erleben, und für einen verantwortungsvollen Umgang damit; denn die psychologischen Erkenntnisse von psychischen Verdrängungen und Projektionen, die wesentlich unsere mitmenschlichen Konflikte verursachen, kommen im christlichen Denken nicht vor.

 

Ähnlich negativ ist es für die Kirche, wenn sie im Bereich des naturwissenschaftlichen Weltbildes keine zeitgemäße Glaubenslehre über die Erlösungsbedürftigkeit des Menschen auf dem Hintergrund der Erkenntnisse der Evolution alles Lebendigen anbietet. (Ausführlicher >>> )

 

Deshalb ist das z.T. völlig veraltete Angebot der Kirche für die meisten jungen Menschen eher abstoßend als attraktiv!

 

(2) Ansonsten gilt es, die Leidenssituationen der Menschen wahrzunehmen und dafür sowohl praktische (wissenschaftlich fundierte) wie auch spirituelle Hilfen anzubieten – wie es einem polaren christlichen Weltbild entspricht.

Deshalb gehört es zu den wichtigsten Aufgaben der Kirchenleitung eines Landes bzw. eines Kulturkreises, die wesentlichen Leiden der Menschen dort wahrzunehmen und das Heilsangebot des Glaubens dafür entsprechend zu konkretisieren. Diese Analyse der Leiden der Menschen muss natürlich in einem ständigen Dialog mit den Betroffenen erarbeitet werden. Da diese Leiden in den verschiedenen Kulturen eine unterschiedliche Intensität, Rangordnung und Verbreitung haben können, ist es notwendig, die Organisationsformen der Kirche, die Gestaltung von Liturgie und Spiritualität und die Verkündigung der Werte so anzupassen, dass sie möglichst wirkungsvoll die zentralen Werte des christlichen Glaubens, d.h. des Menschseins, der sozialen Verantwortung und der nachhaltigen Weltgestaltung in christlichem Geist zur Entfaltung bringen. Diese Unterschiedlichkeit der Leidensstruktur der Kulturkreise erfordert also u.U. eine Unterschiedlichkeit der kirchlichen Strukturen, der Gebetskultur und der Gestaltung der Liturgien, um jeweils die gleichen zentralen Glaubenswahrheiten zu verwirklichen.

 

Wenn nun z.B. in Europa viele Menschen im familiären und im sonstigen mitmenschlichen Beziehungsbereich die stärksten seelischen Schmerzen und Ohnmachtserfahrungen erleben, ist es für das Ansehen der Kirche und des christlichen Glaubens sehr negativ, wenn die Kirche für diesen Leidensbereich keine zeitgemäße Glaubenslehre und keine zeitgemäße Gebetskultur anzubieten hat.

 

(3) Gerade in entwickelten demokratischen Gesellschaften, in denen offener Dialog, Mitbestimmung und die Gleichberechtigung von Mann und Frau zu den alltäglich praktizierten Werten geworden sind, lähmen autoritäre Kirchenstrukturen und die Ausgrenzung der Frauen von Ämtern und wesentlichen Entscheidungen die Verkündigung und Glaubwürdigkeit der Frohbotschaft.

 

Natürlich werden Reformen in diesem Bereich, die ja nur eine Anpassung an gesellschaftlich schon praktizierte Wertvorstellungen wären, die Kirche nicht zum „Salz der Erde“ und zum „Licht auf dem Berg“ machen, sondern es werden dadurch nur Ärgernisse und Blockaden beseitigt. Eine positive Ausstrahlung kann die Kirche eher durch die Aufarbeitung der Säkularisierung in der Verkündigung und praktischen Verwirklichung einer polaren Welt- und Lebenssicht zurückgewinnen.

 

 

Vorschläge zur Aufarbeitung des Säkularisierungsproblems:

 

1.   Die Kirche müsste die geschichtliche Entwicklung der einseitigen Rationalisierung der Säkularisierung erforschen und beschreiben – und dabei ihre Schuld des Machtmissbrauchs bekennen.

2.   Die Kirche müsste den recht verstandenen Säkularisierungsauftrag, der in der Bibel und in der kirchlichen Lehrtradition grundgelegt ist, allgemeinverständlich formulieren, für die verschiedenen Lebensbereiche konkretisieren, verkünden und verwirklichen.

3.   Die Kirche müsste zeigen, in welchen Bereichen es ihr bereits gelungen ist, den Säkularisierungsauftrag positiv zu verwirklichen:
- Formulierung und ständige Aktualisierung der „Katholischen Soziallehre“.
- Die neue Weltzugewandtheit („Aggiornamento“, „Gaudium et Spes“ ) in den Texten des
  II. Vatikanischen Konzils.
- Die Verkündigung der Umweltenzyklika „Laudato si“, die vor allem wieder eine spirituelle
  Sicht der Welt formuliert hat und sehr praktische Impulse der Weltverantwortung enthält.
- Eintreten der Kirche für Menschenwürde, Menschenrechte und Demokratie.

 

4.   Die Kirche müsste die Defizite ihres Säkularisierungsauftrags beheben:


- Wissenschaftliche und spirituelle Weltdeutung:
Das heutige naturwissenschaftliche Weltbild ist so zu formulieren, dass seine Offenheit für eine zusätzliche spirituelle Sicht erkennbar wird: Dazu ist eine ganzheitliche polare Sicht des modernen Weltbildes darzustellen und konkrete spirituelle Zugänge aufzuzeigen. Dies wäre besonders in der Firmkatechese für Jugendliche bedeutungsvoll.

Aber auch solche grundsätzlichen Fragen müssten geklärt werden, wie wir uns z.B. die Erlösungsbedürftigkeit des Menschen auf dem Hintergrund der Erkenntnis der Evolution alles Lebendigen vorstellen können. (Ausführlicher dazu: >>> )


- Wissenschaftliche und spirituelle Lebensdeutung
Die psychischen Reifungs- und Heilungsprozesse und deren Blockaden müssten beschrieben werden und dazu deren spirituelle Dimensionen. Dazu wäre eine ausführliche Glaubenslehre im ständigen Dialog mit der Psychologie zu entwickeln und entsprechende Riten für Lebenswenden und Lebenskrisen zu erarbeiten. (Ausführlicher dazu: >>> )

 

5.   Spirituelle Texte anpassen:
- Die liturgischen Texte und die kirchliche Gebetskultur müssen hinsichtlich Weltabwertung
  (Tränental“??) und hinsichtlich einem falschen Autoritätsverständnis („Gott herrscht“??)
  analysiert und geändert werden.
- Eine aktualisierte Glaubenslehre – vor allem in den Bereichen Weltdeutung und Lebensdeutung – müsste in die liturgischen Riten und Gebete integriert werden.
(Ausführlicher dazu: >>> )

 

6.   Autoritätsverständnis und kirchliche Strukturen:
Die einseitig rationalisierende Säkularisierung war eine Reaktion auf einen kirchlichen Machtmissbrauch.
Deshalb müsste die Kirchenleitung eine Glaubenslehre formulieren zum Thema „Autoritätsverständnis und Autoritätspraxis – orientiert an den Worten und Taten Jesu“. (>>> )
Entsprechend müssten die Kirchenstrukturen, die Machtmissbrauch auch heute noch ermöglichen und fördern, analysiert und entsprechend geändert werden.

7.   Spirituelle Aufarbeitung durch „Kirchentrauertage“
Die Kirche müsste einen jährlichen Kirchentrauertag einführen, um ihre geschichtlichen Altlasten detailliert aufzuarbeiten. (Ausführlicher dazu: >>> )

Da das „Säkularisierungsproblem“ in Europa entstanden ist und ganz Europa in sehr dramatischer Weise davon belastet ist, sollte dieses Problem von einer europäischen Synode bearbeitet werden. Es wäre unverantwortlich und ein Verrat am christlichen Glauben und am christlichen Weltgestaltungsauftrag, dieses Problem nicht endlich – und zwar grundlegend - anzupacken.

Manfred Hanglberger

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Aspekte, Ursachen, Problem und Sinn der Säkularisierung >>>

Säkularisierungsimpulse in AT und NT und in Konzilstexten: >>>

Zehn notwendige Schritte für eine zeitgemäße Glaubens- und Kirchenreform: >>>

Die Säkularisierungsproblematik graphisch dargestellt: >>>

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