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Rolle und Aufgabe des Priesters

Der Priester als Wegweiser, Organisator und Wegbegleiter auf dem Weg der Mündigwerdung

 

 

1.   Die Verwirklichung des Reiches Gottes geschieht u.a. in der Entwicklung einer ganzheitlichen Mündigwerdung der Gläubigen. Dazu die biblische Grundlegung:

 

Mt 23,8-10: „Ihr sollt euch nicht Rabbi … , Vater … , Lehrer nennen lassen“ 

 

Jer 31,33-34 (Verheißung des „Neuen Bundes“):
33. Denn das wird der Bund sein, den ich nach diesen Tagen mit dem Haus Israel schließe - Spruch des Herrn: Ich lege mein Gesetz in sie hinein und schreibe es auf ihr Herz. Ich werde ihr Gott sein und sie werden mein Volk sein.
34. Keiner wird mehr den andern belehren, man wird nicht zueinander sagen: Erkennt den Herrn!, sondern sie alle, Klein und Groß, werden mich erkennen - Spruch des Herrn. Denn ich verzeihe ihnen die Schuld, an ihre Sünde denke ich nicht mehr.

 

Ein wichtiger Impuls des Zweiten Vatikanischen Konzils (GS Kap 17):

 

Die Würde des Menschen verlangt, dass er in bewusster und freier Wahl handle,

das heißt personal, von innen her bewegt und geführt und nicht unter blindem innerem Drang oder unter bloßem äußerem Zwang.

 

Aus dem nachsynodalen Schreiben „Amoris Laetitia“ Kap 37:

 

Wir sind berufen, die Gewissen zu bilden, nicht aber dazu, den Anspruch zu erheben, sie zu ersetzen.

 

Impuls aus dem Sakrament der Taufe:
Christen werden gesalbt zum „Priester, König und Propheten“

 

2.   Zur Verwirklichung dieser Dimension des Reiches Gottes sind alle Gläubigen berufen und deshalb eingeladen, den Weg ganzheitlicher Mündigwerdung zu gehen.

3.   Was ist wichtig, um mündig zu werden?

 

(1)  Um eigenständig und „von innen her“ zu leben, braucht es Selbsterkenntnis und Selbstvertrauen.

(2)  Um Selbsterkenntnis und Selbstvertrauen zu entwickeln, halte ich einen gesunden Glauben für sehr wichtig; aber was ist ein gesunder Glaube?
Es bedeutet für mich, dass ich mich vom Ursprung meines Lebens und vom Ursprung aller Wirklichkeit, den manche Gott nennen, mit liebevollen Augen angeschaut und mich umfassend und grundsätzlich bejaht weiß.

(3)  Dadurch ist es mir möglich, meine eigene Lebensgeschichte mit ihren Licht- und Schattenseiten wahrzunehmen und zum Ganzen meiner eigenen Entwicklung JA zu sagen.

(4)  Dadurch kann ich gerne und aufmerksam in mir selbst, d.h. in meinem Körper und in der Welt meiner Gefühle, „wohnen“.

(5)  Wenn ich „in mir selbst zuhause“ bin und aufhöre, meine Gefühle zu bewerten oder zu bekämpfen, sondern ihre Signale lerne, zu verstehen – evtl. durch Gespräche mit vertrauten Menschen - und lerne, verantwortungsvoll damit umzugehen, werde ich „von innen her“ zu leben beginnen.

(Zur Verabschiedung der Bewertung von Gefühlen: https://hanglberger-manfred.de/gefuehle-verstehen-statt-bewerten.htm)

(6)  Da das Gefühl von Mitleid gegenüber dem Gefühl der Angst, zu kurz zu kommen, und gegenüber rationalen Überlegungen oft im Widerspruch steht, ist es wichtig, den inneren Dialog von Kopf, Herz und Bauch zu entwickeln, denn diese drei unterschiedlichen körperlich-geistig-seelischen Wahrnehmungszentren ermöglichen eine ganzheitlichere Sicht, als wenn ich nur mit einer einzigen Wahrnehmungsmethode Probleme analysiere und Entscheidungen treffe.

(7)  Um mündig zu werden, ist es wichtig, seelische Blockaden, die entweder durch Gefühlsverdrängungen in der Kindheit oder durch die unbewusste Übernahme von Gefühlsbelastungen von Vorfahren verursacht sind, zu erkennen und diese aufzulösen.
(Ausführlicher: https://hanglberger-manfred.de/therapeutische-uebungen.htm)

(8)  Um mündig zu werden, ist es zudem wichtig, auf Abwertungen anderer Menschen zu verzichten und gegen Abwertungen durch andere Menschen sich wehren zu können, ohne selbst abzuwerten.

Hilfreich dafür sind die Spielregeln für konstruktives Streiten und für faires Kritisieren:

https://hanglberger-manfred.de/erstkommunion-streiten-kontruktiv.htm
https://hanglberger-manfred.de/kritik-regeln.htm

(9)   Ich halte es in diesem Zusammenhang für wichtig, Grundwahrheiten des christlichen Menschenbildes zu kennen und zu beachten:
- Als „Kind Gottes“ und als „Gottes Ebenbild“ ist jeder Mensch zu einer umfassenden Mündigkeit und Freiheit berufen.
- Gott hat dem Menschen die Schöpfung anvertraut und ihm gezeigt, dass er die anderen Menschen als seine Schwestern und Brüder lieben und achten soll: Deshalb hat der Mensch eine Verantwortung für das Gemeinwohl, für seine bedürftigen Mitmenschen und für die Bewahrung und Entfaltung der Natur.
- Jeder Mensch ist als „Kind Gottes“ ein absolutes Original und unterscheidet sich so sehr von jedem anderen Menschen, dass er weder sich selbst noch einen anderen Menschen völlig verstehen kann oder den Anspruch erheben darf, völlig verstanden zu werden.
Deshalb braucht es im menschlichen Zusammenleben die Achtung voreinander und die Achtung vor dem Geheimnis, das jeder Mensch verkörpert. Andererseits gehört es zur Liebe zueinander dazu, dass man sich bemüht, einander immer besser zu verstehen – auch wenn man weiß, dass man damit niemals zu Ende kommt.
- Die Menschen sind soziale Wesen; als solche sind sie füreinander geschaffen. Sie können füreinander Mittler Gottes sein, also die umfassende Lebensbejahung Gottes einander erfahrbar machen. Trotz ihrer Unterschiedlichkeit können sie durch Dialog, Liebe, Wertschätzung, Vertrauen und Achtung eine tiefe Verbundenheit und Einheit erleben.
- Als „Kinder Gottes“ und Schwestern und Brüder lehnen sie jeder Bevormundung, Entmündigung, Unterdrückung und Ungerechtigkeit ab – und ebenso einen Gehorsam, der mit solchen Beziehungsformen verbunden ist.
- Sie versuchen die Stimme Gottes in ihrem Gewissen wahrzunehmen, von dem sie sich umfassend bejaht erfahren und der ihnen die innere Kraft schenkt, den Weg umfassender Mündigwerdung zu erkennen und auf diesem Weg voranzukommen. Auf diese Weise hören sie auf Gott und auch auf jene Menschen, die ihnen in gleicher Weise helfen.

(10)               Um anderen Menschen zu helfen, mündig zu werden, sollte man sie selbst suchen lassen, was dafür für sie wichtig ist und durch gezielte Fragen ihnen helfen, die verschiedenen Aspekte für eine mündige und verantwortungsvolle Lebensgestaltung wahrzunehmen und zu verwirklichen.

 

4. Wenn es im Evangelium heißt: „Lasst euch nicht Lehrer … nennen!“ (Mt 23,10) und beim Propheten Jeremia „Keiner mehr wird den anderen belehren“ (Jer 31,34), dann ist natürlich die Frage, welchen „Lehrauftrag“ die Autoritäten der Kirche, Papst, Bischöfe, Priester und Katecheten, noch haben?
Nun ist Mündigkeit keine vorgegebene Eigenschaft der Christen, auch wenn sie alle bei der Taufe zu „Priestern, Propheten und Königen“ gesalbt wurden. Denn der Weg zur Mündigkeit ist ein Prozess, der erst in Gang gesetzt werden muss. Und genau darauf reduziert sich die noch notwendige Lehrtätigkeit der Autoritäten in der Kirche:
Den Gläubigen zu sagen, dass sie zu umfassender Mündigkeit berufen sind und dass diesen Weg zu beschreiten ihre zentrale und unersetzbare Aufgabe als Christen sei. Zudem ist es wichtig, „Mündigkeit“ näher zu beschreiben und die Aufgaben, die sich auf dem Weg dorthin stellen, bewusst zu machen, und denen, die Angst und Unsicherheit für diesen Weg empfinden, entsprechende Hilfen anzubieten
Da Christen nicht nur Entscheidungen für ihr eigenes Leben treffen, sondern die Kirche auf den verschiedenen Ebenen Gemeinschaftsentscheidungen zu treffen hat, ist aus den bisherigen Überlegungen klar, dass diese nur über einen synodalen Prozess getroffen werden dürfen.
Ob also Verkündigung oder liturgische Feiern oder die Organisationsstrukturen der Kirche, alles muss auf Mündigkeit und Verantwortung aller hin gestaltet werden.

 

5.  Machtmissbrauch und geistlicher Missbrauch sind das Gegenteil und die Verhinderung des Weges zur umfassenden Mündigwerdung der Gläubigen. Deshalb ist die Ausrichtung der Pastoral und der pastoralen Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen auf das Mündigwerden der Gläubigen ein wesentliches Element, um Machtmissbrauch und geistlichen Missbrauch und damit auch sexuellen Missbrauch zu verhindern.

 

6.   Die Eucharistie und die anderen Sakramente sind als Feiern und Impulsgeber auf dem Weg der Mündigwerdung zu gestalten: https://hanglberger-manfred.de/eucharistie-feier-des-neuen-bundes.htm

Dies ist leider bisher noch nicht zu erkennen.

 

7.   Deshalb sollte es wesentlich zum Berufungsverständnis des Priesters gehören, ein Wegweiser, Organisator und Wegbegleiter auf dem Weg der Mündigwerdung der Gläubigen zu sein.

 

8.   Vorrangiges Auswahlkriterium für Priesterberufe darf nicht die Bereitschaft zu einer zölibatären Lebensform oder das Geschlecht sein, sondern die Fähigkeit, Menschen und die Glaubensgemeinschaft einer Pfarrei auf dem Weg der Mündigwerdung gut zu begleiten.

 

9.  Bischof Otto Spülbeck (1904-1970):
"Die pilgernde Kirche ist die Kirche der Laien. Sie ist keine Kirche von Priestern und Pfarrern, sondern eine Kirche des Volkes, der Laien vor allem. Zu Eurem Dienst sind wir berufen." Ein wesentlicher Moment der Berufung der Bischöfe und Priester ist demnach die Befähigung der Getauften zu einem mündigen Christsein und ihrem Dienst in Kirche und Gesellschaft.
Aus: https://www.katholisch.de/artikel/31452-das-visionaere-kirchenverstaendnis-von-bischof-otto-spuelbeck

 

Manfred Hanglberger (www.hanglberger-manfred.de)

 

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>>> Die Eucharistie als „Feier des Neuen Bundes“
>>> Entspricht unser christlicher Gottesdienst der Absicht Jesu?

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